Energieintensive Industrien

30.000 Beschäftigte machen bundesweit Druck

Rund 30.000 Beschäftigte aus den energieintensiven Branchen der IGBCE haben sich in den vergangenen Wochen bei rund 200 Aktionen und Demonstrationen im ganzen Land für einen Brückenstrompreis stark gemacht. Die Regierung hat nun ein neues Konzept vorgelegt, wie der Strom für die Industrie günstiger werden könnte. Die Forderungen zur Entlastung der energieintensiven Branchen wurden darin nur teils umgesetzt.

8000 Beschäftigte der BASF fordern einen Brückenstrompreis bei einer Kundgebung in Ludwigshafen

8000 Beschäftigte der BASF fordern einen Brückenstrompreis bei einer Kundgebung in Ludwigshafen.

Die Palette der Aktionen in den energieintensiven Branchen wie Chemie, Glas, Keramik oder Papier reichte von großen Demonstrationen, Politischen Mittagspausen, Toraktionen, Betriebsversammlungen bis zu Diskussionsveranstaltungen und Aktionstagen. Mal beteiligten sich einige Dutzend, mal tausende Beschäftigte, alle einte aber ein Ziel: ein befristeter Brückenstrompreis für die Branchen, die besonders viel Energie benötigen und deshalb besonders unter Druck stehen. Sie benötigen einen vergünstigten Strompreis, um einerseits die Lasten der Transformation stemmen zu können und andererseits im internationalen Wettbewerb bestehen zu können. In Deutschland zahlen Unternehmen für ihren Strom ein Vielfaches dessen, was in den USA, China oder Frankreich fällig wird. Zudem müssen gerade die energieintensiven Betriebe in den kommenden Jahren wichtige Investitionsentscheidungen treffen, um ihre Produktion klimaneutraler zu gestalten.

Allein bei der bislang größten Demonstration in Ludwigshafen gingen mehr als 8000 Beschäftigte der BASF auf die Straße, ausgerüstet mit Trillerpfeifen, Tröten und Transparenten, um für den befristeten Brückenstrompreis zu demonstrieren. Dicht an dicht standen die Beschäftigten vor der Bühne, viele trugen rote Base Caps mit dem Aufdruck „Wir wehren uns“. „Die hohen Energiekosten betreffen uns alle. Ich bin hier, damit etwas getan wird, um unsere Arbeitsplätze zu sichern“, betont Andreas John. So wie ihm geht es vielen heute. Die Angst vor dem Verlust des Arbeitsplatzes ist auch im Stammwerk der BASF in Ludwigshafen angekommen. Die Aniliner stehen unter Hochspannung. Sie wollen, dass die Politik endlich handelt. Der IGBCE-Vorsitzende Michael Vassiliadis sagte bei der Kundgebung am 8. November, dass die 8000 Menschen das Gesicht derjenigen seien, „die jeden Tag für die Energiewende arbeiten und die jetzt erwarten, dass diese Arbeit auch in Zukunft weitergehen kann. Deshalb ist jetzt Handeln gefragt“, so Vassiliadis.

Im Chempark Dormagen zeigten einen Tag später rund 1700 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Arlanxeo Deutschland GmbH Bayer, Covestro, Ineos, Lanxess und Currenta Flagge, im Chempark Uerdingen kamen 2000 Beschäftigte zusammen. Zuvor hatten sich bereits rund 3000 Beschäftigte im Chempark in Leverkusen für den Brückenstrompreis stark gemacht. Auch die Belegschaften von dutzenden kleineren und mittelgroßen Betrieben beteiligten sich im Oktober und November mit Aktionen, um dem Anliegen zum Erfolg zu verhelfen. Die IGBCE hatte sich unter anderem der „Allianz pro Brückenstrompreis“ mit DGB, IG Metall und diversen Branchenverbänden angeschlossen, um den Druck auf die Politik für eine befristete Strompreisentlastung zu erhöhen.

Bundesweit setzen sich Beschäftigte für günstigen Industriestrom ein

Die Bundesregierung hat nun ein Konzept für niedrigere Strompreise für die Wirtschaft vorgelegt. Demnach ist eine Senkung der Stromsteuer für das produzierende Gewerbe und eine Ausweitung der bisherigen Strompreiskompensation für Konzerne, die besonders unter hohen Strompreisen leiden. Die Stromsteuer soll demnach auf den europäischen Mindestsatz von 0,05 Cent pro Kilowattstunde fallen. Derzeit liegt sie bei rund zwei Cent pro Kilowattstunde. Unternehmen des produzierenden Gewerbes konnten allerdings schon bisher einen reduzierten Satz von 1,537 Cent pro Kilowattstunde geltend machen. Davon profitieren nicht nur große Industriekonzerne, sondern auch der Mittelstand.

350 Konzerne, die besonders im internationalen Wettbewerb stehen und unter den hohen Strompreisen leiden, sollen zusätzliche Hilfen erhalten. Die bestehende Strompreiskompensation soll für fünf Jahre verlängert und ausgeweitet werden. Zudem wurde bereits kürzlich ein staatlicher Zuschuss zu den Übertragungsnetzentgelten beschlossen, um damit den Strompreis zu dämpfen. Ein befristeter Brückenstrompreis hingegen ist nicht geplant.

IGBCE-Chef Michael Vassiliadis reagierte zurückhaltend auf die Ampel-Pläne: Er hob positiv hervor, dass die Bundesregierung mit dem Strompreispaket erstmals geschlossen anerkenne, „dass es bei diesem für die heimische Industrie so zentralen Kostenfaktor Handlungsbedarf gibt“ und nun Entlastungen in die Breite der gewerblichen Stromkunden auf den Weg bringe. „Das Maßnahmenbündel beantwortet allerdings die Zukunftsfragen der besonders energieintensiven Industrien noch nicht umfassend“, mahnte Vassiliadis. Viele Elemente des Konzepts brächten zwar die Sicherheit, dass bestehende Entlastungsregelungen nicht wie geplant auslaufen und den Strompreis noch zusätzlich erhöhen würden. Eine nachhaltige Senkung der Strompreise für die im internationalen Wettbewerb stehenden Unternehmen werde durch die vorgestellten Maßnahmen jedoch nicht erreicht, kritisierte er. Die IGBCE nehme zur Kenntnis, dass der Wirtschaftsminister „auf der Basis des nun vorgelegten Pakets ab 2025 einen Strompreis von unter sechs Cent pro Kilowattstunde für die energieintensiven Industrien in Aussicht stellt“. Es seien aus Sicht der IGBCE allerdings „weitere spezifische und gegebenenfalls auf betroffene Unternehmen ausgerichtete Maßnahmen nötig, um dies zu erreichen“. „Die gemeinsame Initiative von Bundeskanzler, Wirtschafts- und Finanzminister ist ein wichtiger erster Schritt auf dem Weg zu wettbewerbsfähigen Strompreisen“, bilanzierte Vassiliadis. „Für bedürftige, besonders energieintensive Unternehmen reicht die jetzige Medikation allerdings nicht, um von der Intensivstation zu kommen."
 

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