Ludwigshafen

Vertrauensleute-Vollversammlung: Angst und Sorge vor der Zukunft

Mehr als 1000 Vertrauensleute der BASF SE trafen sich Anfang Dezember 2023 zu ihrer Vollversammlung in Ludwigshafen. Sie hatten einiges zu besprechen, nachdem die BASF-Chefetage kurz zuvor die Ausgliederungspläne für die Bereiche Pflanzenschutz, Battery Materials und die Recycling GmbH verkündet hatte.

Blick in den Saal bei der Vetrauensleute-Vollversammlung
Foto: © IGBCE Ludwigshafen

Es war der bewegendste Eindruck des Tages. Als Dominik Lüer die Bühne bei der Vollversammlung der Vertrauensleute der BASF SE betrat, trug er eine große Papierrolle unterm Arm. Der Vertrauensmann, als Beschäftigter bei AP (Pflanzenschutz) direkt von der Ausgliederung betroffen, rollte ein Plakat aus und hielt es in Richtung Vorstand. „Mein Papa braucht einen sicheren Arbeitsplatz“, hatte seine Tochter Malia darauf geschrieben. Im vollbesetzen Feierabendhaus in Ludwigshafen, es waren mehr als 1000 Vertrauensleute zur Veranstaltung gekommen, trat ein Moment der betroffenen Stille ein. Doch Lüer war nicht der Einzige, der Botschaften für den Vorstand mit im Gepäck hatte. Weitere Vertrauensleute machten ihren Gefühlen Luft, mit Plakat-Aufschriften wie „AP gehört zur Anilin“ oder „Her mit der Standortvereinbarung“. Die Stimmung war emotional und aufgewühlt.

Die Gründe dafür lagen auf der Hand. Gerade mal vier Tage vor der Veranstaltung im Feierabendhaus wurden die 2500 Beschäftigte der Einheiten AP, CC (Batterie) und EC (Recycling) davon informiert, dass sie ab 2025 ausgegliedert werden. Der Schock saß und sitzt tief bei den Betroffenen. Von Verunsicherung, über Angst bis hin zu Wut – die volle Bandbreite der Emotionen wurde von den Vertrauensleuten mit ins Feierabendhaus getragen. Kritik wurde auch an der Kommunikation zur Ausgliederung geübt. Das Town-Hall-Meeting wurde von vielen als schlecht und unzureichend bezeichnet. Das räumte dann auch die Standortleiterin Melanie Maas-Brunner ein: „Das Town-Hall-Meeting war jedoch nur ein Start einer ganzen Kaskade. Im Laufe der weiteren Kaskade werden viele Fragen beantwortet!“ Maas-Brunner, deren Redebeitrag mehrmals durch Buhrufe und das Hochhalten von Plakaten unterbrochen wurde, versuchte den Vertrauensleuten die Situation zu vermitteln. „Mit der differenzierten Steuerung wollen wir die BASF in die Zukunft bringen. Wir wollen damit auch verhindern, dass wir wie einige andere Firmen von der Konkurrenz aufgekauft werden!“ Sie wisse um die Betroffenheit der Beschäftigten, aber sie würden auch in Zukunft BASF-Beschäftigte und damit ein Teil des Verbundes bleiben, versuchte sie die Anwesenden zu beruhigen und vermied dabei das Wort „Ausgliederung“.

Überleitungsvereinbarungen mitgestalten

Den Betriebsratsvorsitzenden Sinischa Horvat konnte sie damit jedoch nicht beruhigen. „Man kann Wortklaubereien über Begriffe betreiben, aber wenn Kollegen und Kolleginnen hier herausgelöst werden und nach Paragraf 613a in eine eigene Gruppengesellschaft gehen, dann nennen wir das Ausgliederung“, richtete Horvat das Wort in Richtung Maas-Brunner und erhielt tosenden Beifall von den Vertrauensleuten. Der Betriebsratsvorsitzende bedauerte, dass der Betriebsrat die Entscheidung zur Ausgliederung nicht verhindern konnte. Er machte jedoch klar, dass man bei der Gestaltung der Überleitungsvereinbarungen intensiv mitwirken würde. „Wir haben konkrete Forderungen mit klaren Regelungen für die Betroffenen. Dazu zählen unter anderem der Verzicht auf Verkauf, das Übertragen aller Arbeitsbedingungen und des Chemietarifvertrages sowie ein Rückkehrrecht und das Beibehalten der VL-Strukturen“, sagte Sinischa Horvat und drang darauf, die Standortvereinbarung 2030 zeitnah anzugehen. „Mehr denn je gilt: Wir kämpfen für die Menschen und den Standort Ludwigshafen! Wir brauchen euch alle und die Vielfalt am Standort, wir machen keine Unterschiede; das gilt für die Mitarbeitenden, die heute betroffen sind, denn morgen können es weitere sein. Lasst uns zusammenhalten und mit unseren Stärken den Standort sichern und die notwendige Transformation begleiten und fördern“, betonte der Betriebsratsvorsitzende zum Schluss seines Beitrages.

Betriebsratsvorsitzender Sinischa Horvat

Sinischa Horvat
Foto: © IGBCE Ludwigshafen

„Mehr denn je gilt: Wir kämpfen für die Menschen und den Standort Ludwigshafen!"

Forderung nach voller Transparenz

Der IGBCE-Bezirksleiter Ludwigshafen, Gunther Kollmuß, erinnerte zum Auftakt seiner Rede an die Kundgebung zum Brückenstrompreis vor den Toren des Chemieriesens. „Mit 8000 Beschäftigten haben wir am 7. November hier vorm Werkstor gestanden und deutlich gemacht, dass es vor allem die Beschäftigten sind, die Angst um ihren Arbeitsplatz und ihre Zukunft haben. Wir haben uns lautstark für die Notwendigkeit eines Brückenstrompreises eingesetzt“, sagte Kollmuß. Natürlich war auch bei dem Bezirksleiter die kommende Ausgliederung ein Thema, er zeigte wenig Verständnis für die Entscheidung der Geschäftsleitung. „Die Beschäftigten werden also mal wieder mit einer Entwicklung konfrontiert, die sie nicht wollen. Sie haben sich bei der BASF SE und nicht bei einer Tochtergesellschaft beworben. Das Überführen in eine GmbH fühlt sich an, als ob ihnen der Stuhl vor die Tür gestellt wird. Und es führt zu viel Verunsicherung und es ergeben sich für die Betroffenen viele Fragen“, mahnte Kollmuß. Fragen seien unter anderem: Ist mein Einkommen sicher? Gelten weiterhin die Betriebsvereinbarungen? Kann ich weiter in der Pensionskasse bleiben? Was passiert, wenn der Bereich verkauft wird? Kollmuß erwartet volle Transparenz des Managements gegenüber den Beschäftigten. „Und dass in einer Sprache, die die Beschäftigten auch verstehen“, sagte er in Richtung Geschäftsleitung. Abschließend ging Kollmuß noch auf die bevorstehende Tarifrunde ein und stellte dabei eindeutig klar: „Wir wollen, dass diejenigen, die mit ihrem Mitgliedsbeitrag dazu beitragen, dass eine stabile Verhandlungssituation in der Chemieindustrie entstanden ist, mehr davon profitieren als ihre trittbrettfahrenden Kolleginnen und Kollegen.“

Standortbetreuer Gunther Kollmuß

Gunther Kollmuß
Foto: © IGBCE Ludwigshafen

„Die Beschäftigten werden also mal wieder mit einer Entwicklung konfrontiert, die sie nicht wollen."

Solidarität mit den Betroffenen

Die Ausgliederung hatte viele der Beschäftigten unvorbereitet betroffen. Angst, was die Zukunft bringt, beschäftigt die Vertrauensleute. „40 Jahre habe ich meine Ideen und meine Kraft abgeliefert für meine Anilin. Das alles, damit ich heute meiner Familie sagen muss, dass ich kein 100-prozentiger Aniliner mehr sein werde, weil man das Sahnestück AP ausgliedert“, zitierte Betriebsrat Heiko Warnke beispielsweise die Worte eines Betroffenen. Wieder andere forderten Transparenz und eine zeitnahe Kommunikation für den kommenden Übergangsprozess. „Wie wird in Zukunft die Zusammenarbeit in der Forschung funktionieren“, diese Frage stellte Vertrauensmann Matthias Vater. Zu Solidarität innerhalb der Belegschaft, rief Klaus Däschner auf. „Auch die, die nicht direkt von der Ausgliederung betroffen sind, sollen sich auf die Seite der Betroffenen stellen“, so der Vertrauensmann und erntete dafür großen Beifall…

Weitere Informationen

Tanklager der BASF in Ludwigshafen
Foto: © BASF SE
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Was gibt es Neues bei BASF? Was bedeutet das für die Beschäftigten? Die IGBCE bietet ein Nachrichten- und Serviceangebot für die Belegschaft des Konzerns: Es heißt „IGBCE inside BASF“ und berichtet kritisch-konstruktiv über Themen, die für BASF-Beschäftigte wichtig sind. 

Verbundstandort Ludwigshafen
Foto: © BASF SE
Ludwigshafen
BASF SE: 2500 Beschäftigte werden am Stammwerk ausgegliedert

Verunsicherung und Zukunftsängste statt besinnlicher Stimmung zum Fest der Liebe. Für rund 2500 Beschäftigte der BASF SE am Stammwerk Ludwigshafen hat die Konzernspitze vor den Weihnachtsfeiertagen keine frohe Kunde, sondern schlechte Nachrichten im Gepäck: Die Bereiche Pflanzenschutz, BASF Battery Materials und Recycling GmbH werden ab dem kommenden Jahr ausgegliedert. 2026 soll der Prozess abgeschlossen sein. IGBCE und Betriebsrat kämpfen dafür, dass die betroffenen Beschäftigten abgesichert werden. 

BASF Schwarzheide
Foto: © BASF SE
Schwarzheide
Gelassenheit trotz geplanter Ausgliederungen

Als Chance sehen – bei BASF Schwarzheide werden in den kommenden Jahren rund 400 Beschäftigte von den insgesamt 2.176 Mitarbeitenden am Standort ausgegliedert. Betroffen davon sind der Pflanzenschutz und Battery Materials. Diese Einheiten werden aus dem Verbund gelöst und in eigene Geschäftsformen umgewandelt.