1. Mai

Europa braucht "Antwort der kontinentalen Solidarität"

Tag der Arbeit: Vassiliadis fordert von Europa eine "historische Antwort der kontinentalen Solidarität" auf die Herausforderungen der Corona-Pandemie

Michael Vassiliadis, IG-BCE-Vorsitzender

Michael Vassiliadis, Vorsitzender der IG BCE

Foto: © Helge Krückeberg

Am Tag der Arbeit inmitten der Corona-Pandemie hat der Vorsitzende der IG BCE, Michael Vassiliadis das gestiegene Bewusstsein in der Bevölkerung hervorgehoben, in der Krise aufeinander Acht zu geben. Derzeit gebe es viele kleine und große Initiativen, sagte Vassiliadis in einer Video-Botschaft an die IG-BCE-Mitglieder. Das beginne bei Nachbarschaftshilfen und Einkaufsgemeinschaften und reiche bis zu Initiativen der Beschäftigten in der chemischen Industrie, die Produktion auf dringend benötigtes Desinfektionsmittel umzustellen. "Solidarität – der Wertekern der Gewerkschaftsbewegung – wird in diesen Tagen stärker gelebt denn je", sagte Vassiliadis. "Es steht zu hoffen, dass sich die Gesellschaft etwas davon bewahrt, wenn die Krise vorbei ist."

Der Gewerkschaftsvorsitzende erinnerte an die Millionen Menschen, die derzeit aufgrund der Corona-Krise in Kurzarbeit seien. Darunter seien auch viele Beschäftigte aus den Branchen der IG BCE – etwa im Autozulieferbereich, aber auch bei konsumnahen Branchen wie Keramik oder Schuhen. Für vier von fünf Beschäftigten in ihren Branchen habe die IG BCE Aufstockungsregelungen per Tarifvertrag aushandeln können. "Wir sind eine starke Gemeinschaft. Nur mit Stärke lässt sich Solidarität und Schutz organisieren", so Vassiliadis.

Gleichzeitig forderte der IG-BCE-Vorsitzende mehr Solidarität innerhalb Europas ein. "Die Herausforderung ist in Ausmaß und Dramatik ohne Beispiel. Wir brauchen eine Antwort der kontinentalen Solidarität und des gegenseitigen Füreinander-Einstehens, die ebenso historisch sein muss." Die EU und ihre Mitgliedsländer hätten bereits erste kraftvolle Signale gesendet. "Aber da muss noch mehr kommen." Andernfalls drohe der EU das weitere Auseinanderbrechen und ihren Bürgern eine ökonomische Dauerkrise. "Das kann niemand wollen. Schon gar nicht die Beschäftigten in unseren Branchen, die so sehr vom europäischen Binnenmarkt abhängig sind."

"Gemeinsam müssen wir genug Kraft auf die Schiene bringen, um dem europäischen Zug wieder einen Anstoß zu geben", sagte Vassiliadis, der auch Präsident des europäischen Verbunds von Industriegewerkschaften IndustriAll Europe ist. "Wir brauchen Projekte, die die EU insgesamt als Wirtschafts- und Industriestandort langfristig stärken und gute Arbeit garantieren." Eine entsprechende Initiative treibe IndustriAll derzeit voran. 

Vassiliadis warnte in der aktuellen Lage vor voreiligen Lockerungen. "Einfach auf „Neustart“ zu drücken wird nicht gehen. Dazu ist die Gesamtlage viel zu fragil." Gleichzeitig betonte er, dass dieser 1. Mai auch Mahnung sein sollte, demokratische Errungenschaften in der Gesellschaft und in den Unternehmen nur so kurz wie irgend möglich außer Kraft zu setzen. Wirkliche Demokratie in Betrieben und Parlamenten müsse vom Verhandeln von Angesicht zu Angesicht geprägt sein und auf der Straße von Versammlungsfreiheit und Demonstrationsrecht. "Jedem, der meint, Demokratie lasse sich langfristig über Notstandsmaßnahmen oder digital effizienter organisieren, werden wir uns entgegenstellen."

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