Marl

Betriebsversammlung im Chemiepark

Die Verunsicherung unter den Beschäftigten bei Evonik in Marl ist groß. Die angespannte Wirtschaftslage macht den Kolleginnen und Kollegen deutlich zu schaffen. Mit Spannung wurde daher die nächste Betriebsversammlung erwartet. Am Nikolaustag war es so weit: Rund 550 Kolleginnen und Kollegen folgten der Einladung des Betriebsrats zur Betriebsversammlung in die Marler Vesthalle. Neben dem Betriebsrat waren auch Michael Vassiliadis, Vorsitzender der IGBCE, Arbeitsdirektor Thomas Wessel sowie Bernhard Vendt, Leiter des Chemieparks Marl, als Gäste vor Ort.

Betriebsversammlung im Chemiepark Marl
Foto: © Leo Kölzer

Zum Start berichteten die beiden stellvertretenden Betriebsratsvorsitzenden Ali Simsir und Oliver Schmidt gemeinsam mit ihrer Vorsitzenden Adriane Fährmeister über aktuelle Themen aus dem Konzern. Im Fokus dabei stand die wirtschaftliche Situation und die damit verbundenen Sorgen innerhalb der Belegschaft „In vielen Bereichen ist der Krankenstand extrem und die Motivation im Keller“, sagte Fährmeister gleich zu Beginn ihrer Ansprache und ergänzte: „Unseren Leuten geht es nicht gut.“ Für den Konzern scheinbar kein Grund zur Panik. Im Gegenteil: Die aktuellen Sparmaßnahmen sollen 2024 erhalten bleiben und sogar verschärft werden – auch in Bezug auf unbesetzte Stellen. Für die Betriebsratsvorsitzende ein Unding: „Wir sagen klar, dass das der vorhandene Personalstamm nicht weiter kompensieren kann.“ Sparen auf Kosten der Mannschaft könne nicht die Konsequenz jahrelanger Misswirtschaft sein. „Unsere Beschäftigten sind keine Massenware, also fahrt die Mannschaft nicht vor die Wand.“

Dem schloss sich auch Ali Simsir an: „Eine klare Strategie? Kann ich bei Evonik nicht erkennen. Vielmehr wirkt das alles wie es wie purer Aktionismus“, kritisierte Simsir unter lautem Beifall. Das Engagement zum Brückenstrompreis- Aktionstag war für ihn hingegen ein Lichtblick. „Da konnten wir verdeutlichen, dass wir gemeinsam einiges bewegen können. In Zeiten wie diesen ist die Solidarität eine der wenigen Konstanten.“

Michael Vassiliadis erklärte in seiner Rede, dass sich die Rahmenbedingungen für die deutsche Industrie und für Evonik grundsätzlich verändert hätten. „Die Kostenexplosionen und Versorgungsunsicherheiten im Energiesektor gepaart mit der angespannten geopolitischen Lage sorgen für allgemeine Verteuerung, Brüche in den Lieferketten und Probleme mit der Rohstoffversorgung", so Vassiliadis. Das alles schlage sich in einer nachhaltig schwachen Kundennachfrage nieder und mache es immer schwieriger, den Anstieg der eigenen Kosten an die Kunden weiterzugeben.

Michael Vassiliadis spricht bei der Betriebsversammlung

IGBCE-Chef Michael Vassiliadis (rechts) bei der Betriebsversammlung am Evonik-Standort Marl. Mit auf der Bühne: die stellvertretenden Betriebsratsvorsitzenden Ali Simsir (MItte) und Oliver Schmidt.

Foto: © Leo Kölzer

Für Evonik müsse es jetzt um mehr gehen, „als um ein weiteres kurzatmiges Kostensenkungsprogramm.“ Die Idee, alle Kraft auf nachhaltige Produkte und Lösungen zu legen, bleibe richtig. "Dafür braucht Evonik aber Geld, viel Geld." In dem Zusammenhang sagte der IGBCE-Vorsitzende auch ein paar Worte zum Projekt „Tailor Made“: „Natürlich muss ein Unternehmen regelmäßig seine Strukturen überprüfen und ausmisten, was nicht mehr zeitgemäß ist. Wenn das aber alles ist, was dem Management einfällt, dann kann eben auch nicht mehr dabei herauskommen als ein einmaliger finanzieller Effekt und jede Menge Verunsicherung im Unternehmen", so Vassiliadis.

Als der IGBCE-Vorsitzende auf mögliche Gewinnausschüttungen für die Aktionäre zu sprechen kam, wurde er deutlich: „Die meisten Chemieunternehmen wollen an ihrer Dividende festhalten, manche bedienen sich dafür an Gewinnrücklagen. Wer allerdings Dividenden mit diesen Rücklagen bezahlt, zahlt aus diesen Rücklagen dann bitte auch eine ordentliche Tarifrunde.“

Bei der anschließenden Fragerunde kam unter anderen die Frage auf, wie bei einem Verkauf der „Technology & Infrastructure“ (TI) sichergestellt werden soll, dass der Käufer die bestehende Sozialpartnerschaft am Leben erhält. Vassiliadis sagte dazu, dass in solchen Fällen eine Gewerkschaft mit zahlreichen Mitgliedern von Vorteil sei, weil essenzielle Punkte im Zweifel dann auch erstritten werden können. „Dann erzwingt man das, was man nicht angeboten bekommt." In Richtung des Managements sagte er abschließend, dass Evonik eine „Veränderungsmaschine“ sei. „Und wenn ihr Projekte aufsetzt, müssen wir uns darauf verlassen können, dass Vereinbarungen mit der Mitbestimmung auch eingehalten werden.“

Nach der Veranstaltung zeigten sich die Betriebsräte rund um Adriane Fährmeister zufrieden. Die heutige Betriebsversammlung sollte dazu dienen, Unsicherheiten entgegenzuwirken. Fährmeister betonte die Wichtigkeit, dass die Beschäftigten ihre Sorgen und Ängste offen besprechen konnten und "einander zuhören konnten".

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