Umfrage zu Folgen eines Gasstopps

Mehr als jede*r vierte Beschäftigte in betroffenen Branchen rechnet mit Betriebsschließung

Eine deutliche Mehrheit der Beschäftigten in den energieintensiven Industriebranchen rechnet für den Fall eines plötzlichen Gasstopps mit schwerwiegenden Folgen für ihren Betrieb. Mehr als jede vierte befragte Person (27 Prozent) geht in diesem Fall von einer Schließung ihres Betriebs aus, weitere 38 Prozent halten dann einen radikalen Umbau der Produktion für notwendig. Nur 6 Prozent sehen keinerlei Auswirkungen auf ihren Betrieb.

Gas-Pipeline läuft zum Kraftwerk
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Das geht aus einer Umfrage der IGBCE unter rund 1700 Gewerkschaftsmitgliedern hervor, die Mitte Mai zum Abschluss gebracht wurde. Die Befragten arbeiten unter anderem in den Bereichen Chemie/Pharma, Papier, Glas, Kunststoff, Kautschuk und Keramik. Demnach halten 80 Prozent der Befragten das Szenario für realistisch, dass ein sofortiger Gasstopp komplette industrielle Produktionsketten zusammenbrechen lassen und sich negativ auf die Versorgungslage auswirken würde. Entsprechend gering ist mit 30 Prozent der Anteil der Beschäftigten, die für ein sofortiges Embargo von deutscher Seite plädieren.

„Unsere Kolleginnen und Kollegen kennen die Produktionsbedingungen und Wertschöpfungsketten sehr genau“, sagt der Vorsitzende der IGBCE, Michael Vassiliadis. „Ihre Verunsicherung ist mit Händen zu greifen.“ Wenn Chemiestandorte stillstünden oder Öfen für Spezialglas abgeschaltet werden müssten, weil das Gas fehle, habe das andere Folgen als ein Lockdown bei Wellnesstempeln. „Dann stehen bald auch viele andere Unternehmen still, mit weitreichenden Auswirkungen auf die Versorgungslage der Bevölkerung.“

Vassiliadis bekräftigte die Forderung nach einem Energiegipfel auf Spitzenebene, um sich auf mögliche Mangellagen im Herbst vorzubereiten. Es gelte jetzt, Stillstände abzuwenden. Zumal das Risiko bestehe, dass einmal stillgelegte Standorte gar nicht wieder in Betrieb gingen, weil sich Unternehmen in der Folge auf Werke im Ausland konzentrierten. „Das gilt vor allem dann, wenn sie andernorts niedrigere Energiekosten haben oder geringere Anforderungen in Sachen Dekarbonisierung erfüllen müssen.“

Dass die stark gestiegenen Gas- und Energiepreise Auswirkungen auf die eigene Produktion haben werden, bezeichnen in der Mitgliederumfrage 55 Prozent als „nur eine Frage der Zeit“. Neun Prozent sehen ihren Betrieb bereits jetzt „akut gefährdet“, weitere acht Prozent berichten von Produktionsdrosselungen. 57 Prozent der Befragten haben große oder sehr große Sorgen, dass die aktuelle Situation zu Jobverlusten in der Industrie allgemein führen wird. Mit Blick auf den eigenen Betrieb beurteilen das 34 Prozent so.

Gleichzeitig bezweifelt eine Mehrheit der Befragten (52 Prozent), dass Deutschland bereits im Sommer 2024 von russischem Gas unabhängig werden kann, wie es die Bundesregierung plant. 27 Prozent fordern, es müsse noch schneller gehen. In der Frage, wie russisches Gas ersetzt werden könne, setzen die meisten IGBCE-Mitglieder auf Strom aus Erneuerbaren, Wasserstoff, LNG-Gas und auf eine längere Laufzeit von Kernkraftwerken.