„Gegen einen Kahlschlag in der deutschen Reifenindustrie!“

IGBCE und Betriebsrät*innen unterzeichnen „Kasseler Erklärung“

Mit der heute (8. März) unterzeichneten „Kasseler Erklärung“ setzen sich IGBCE, Betriebsrätinnen und Betriebsräte für den Erhalt der Reifenproduktion in Deutschland ein. 40 Betriebsratsmitglieder haben das vierseitige Forderungspapier auf der zweitätigen „Betriebsrätekonferenz der Reifenwerke“ beschlossen. Ihre Botschaft: Mit Reifen Made in Germany lässt sich bis heute gutes Geld verdienen, hier gibt es die nötigen Fachkräfte und das nötige Know-how. Politik und Unternehmen müssen dafür allerdings bestimmte Voraussetzungen schaffen. 

Kundgebung bei Goodyear in Fürstenwalde

In den vergangenen Wochen und Monaten demonstrierten viele Beschäftigte für den Erhalt der Reifenproduktion.

Foto: © Susanne Schneider-Kettelför

„Wir wollen, dass Reifen ein Hochtechnologie- und Zukunftsprodukt des Industriestandorts Deutschland bleiben“, betont IGBCE-Vorstandsmitglied Francesco Grioli. „Wir sollten unsere Standortvorteile nicht leichtfertig aufgeben und Wissen, Erfahrung und Können zum Fenster rauswerfen“, mahnt er angesichts der Hiobsbotschaften aus dem vergangenen Jahr. Denn der Branche droht der Kahlschlag: Vier der noch zwölf bestehenden Reifenwerke sollen in den kommenden Jahren geschlossen und insgesamt 3.300 Stellen abgebaut werden. „Das ist nicht nur ein Drittel der verbliebenen Werke, sondern eine völlig überzogene Reaktion und ein nur schwer nachvollziehbarer Schritt.“

Schwer nachzuvollziehen, weil es der Branche trotz des herausfordernden Umfelds und deutlich gestiegener Erzeugerpreise gelinge, insgesamt profitabel zu wirtschaften, so Grioli. Die Bruttowertschöpfung sei mit 28 Prozent nahezu stabil geblieben, trotz Corona-Jahren und trotz Ukraine-Krieg. Auch Personal-, Material- und Energiekosten stellten keine plausiblen Gründe für die Schließung oder die Verlagerung von Produktionskapazitäten und -werken dar. Wirtschaftlich notwendig seien die Werksschließungen und der massive Stellenabbau aus Sicht der IGBCE also nicht. „Für uns ist das weder eine gute noch eine glaubwürdige Strategie, weil wir wissen, dass parallel die Ausweitung der Produktion in Osteuropa vorbereitet wird“, erklärt Grioli.  

Um die Reifenproduktion in Deutschland zu halten, erwarten IGBCE und Betriebsrät*innen von den Unternehmen anstatt Stellenstreichungen Investitionen in die ökologische und ökonomische Wettbewerbsfähigkeit, also in die Forschung und in die Modernisierung der Anlagen sowie die Umrüstung auf erneuerbare Energiequellen. Gefordert wird in der „Kasseler Erklärung“ außerdem eine noch engere Zusammenarbeit mit den deutschen PKW- und LKW-Produktionsstandorten, um Effizienzpotenziale voll auszuschöpfen. Sinnvoll sei auch eine noch engere Verzahnung der Forschungsabteilungen der Erstausrüster (OEMs) mit denen der Reifenherstellers. Die Nähe des Goodyear-Werkes in Fürstenwalde zum neuen Tesla-Werk sei beispielsweise eine ideale Option für eine effiziente Just-in-Time-Belieferung.  

Von der Bundespolitik fordern IGBCE und Betriebsrät*innen unternehmerische Verantwortung für den Standort Deutschland. „Die Politik muss einseitige Standortnachteile im globalen Wettbewerb vermeiden, um nicht selbstverursachte Schäden von der heimischen Reifenindustrie abzuwenden“, sagt Grioli. Dass Bundesregierung und EU die notwendigen industriepolitischen Rahmenbedingungen zur Verfügung zu stellten, sei der Schlüssel zum Erhalt der Industriegesellschaft.  

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