Betriebsverfassung/Arbeitgeber-Kritik

"Mangel an Respekt vor der parlamentarischen Demokratie"

«Führende Vertreter der deutschen Wirtschaft haben erbitterten Widerstand gegen eine Reform des Betriebsverfassungsgesetzes angekündigt. Dazu erklärte der IG-BCE-Vorsitzende Hubertus Schmoldt vor dem Hauptvorstand seiner Organisation am Dienstag (28. November) in Hannover:

»Der Entwurf einer neuen Betriebsverfassung liegt noch nicht vor, da hagelt es bereits Proteste. Führende Vertreter der deutschen Wirtschaft laufen Sturm gegen ein Gesetz, das sie nicht kennen. Es werden Drohkulissen aufgebaut, die besser in den Arsenalen geblieben wären: Die einen wollen das Bündnis für Arbeit sprengen, andere propagieren ganz unverhohlen den Gang nach Karlsruhe.

Dieser Politikstil ist ein Rückfall in vordemokratische Zeiten. Es mangelt offenbar an Respekt vor den Institutionen der parlamentarischen Demokratie. Die Reform des Betriebsverfassungsgesetzes ist Sache des Deutschen Bundestags, hier wird beraten und entschieden.

Selbstverständlich können und müssen Interessenverbände ihre Positionen öffentlich darstellen, es ist schließlich ihre Aufgabe, alle Einflussmöglichkeiten - auch auf das Parlament - zu nutzen. Hingewiesen sei jedoch darauf, dass der parlamentarische Beratungsprozess noch nicht begonnen hat. Wilde Drohungen sind kein Mittel einer ergebnisorientierten Auseinandersetzung. Neue und alte Präsidenten der Wirtschaftsverbände wären gut beraten, zu einer sachorientierten Debatte zurückzukehren.

Die betriebliche Wirklichkeit hat sich in den letzten fünf Jahrzehnten in einem ganz erheblichen Ausmaß gewandelt. Einige Paragrafen des Betriebsverfassungsgesetzes greifen nicht mehr, für neue Probleme sind dagegen überhaupt keine Regelungsinstrumente vorgesehen. Eine Reform der Betriebsverfassung ist also schlicht überfällig, nicht zuletzt aus diesem Grund haben doch gerade Vertreter der Wirtschaft immer wieder eine Novellierung gefordert. Auch vor diesem Hintergrund habe ich absolut kein Verständnis für die jetzt laufende Beton-Kampagne.

In den vergangenen Jahren ist es trotz aller Schwierigkeiten immer wieder gelungen, die strukturellen Änderungen und Brüche in der Wirtschaft zu meistern. Das war und ist Ergebnis gemeinsamer Anstrengungen der Sozialpartner. Der Globalisierungsprozess nimmt an Tiefe und Geschwindigkeit weiter zu. Wenn wir diesen Prozess weiter erfolgreich gestalten wollen, dann geht dies nur miteinander und nicht gegeneinander. Und dazu gehören Spielregeln, dazu gehört eine Reform der Betriebsverfassung. Wir müssen die Dinge nach vorn entwickeln und nicht zurückdrehen.

Dies gilt auch für den im Betriebsverfassungsgesetz festgeschriebenen Vorrang von Tarifverträgen gegenüber Betriebsvereinbarungen. Wer versucht, Betriebsräte und Gewerkschaften gegeneinander auszuspielen, redet einer verhängnisvollen Entwicklung das Wort. Mit der IG BCE jedenfalls ist eine Atomisierung des Flächentarifsystems nicht zu machen. Es geht hier nicht etwa um Nebensächliches, hier geht es um die Substanz.

In Hochglanzbroschüren und millionenschweren PR-Kampagnen fordern die Arbeitgeber den flexiblen und mitdenkenden Arbeitnehmer. Wenn dies ernst gemeint ist, dann gehört dazu selbstverständlich auch eine Vertretung der Beschäftigten, die funktions- und arbeitsfähig ist. Daraus folgt zweierlei. Einmal muss das Freistellungsverfahren für Betriebsräte vereinfacht und verbessert werden. Mehr Aufgaben können nicht in kürzerer Zeit erledigt werden. Zweitens muss es Betriebsräten künftig leichter möglich sein, in bestimmten Bereichen die Initiative zu ergreifen. Das gilt zum Beispiel für die Qualifizierung und den Umweltschutz. Eine Ausweitung der Informations- und Initiativrechte der Betriebsräte ist daher auch im Interesse der Arbeitgeber dringend geboten.«