IGBCE unterstützt Klage gegen den TÜV Süd

Gerechtigkeit für Opfer des Brumadinho-Unglücks

Dem Dammbruch im brasilianischen Brumadinho folgte die Katastrophe: hunderte tote Bergleute, eine Mondlandschaft und unzählige Hinterbliebene, die bis heute Entschädigung fordern. Auch in Deutschland. Denn es war eine Tochter des TÜV Süd, die den Damm noch kurz zuvor als sicher zertifiziert hatte. Für die IGBCE endet die Verantwortung deutscher Konzerne nicht an den Landesgrenzen. Deshalb ermöglicht sie den Betroffenen, den Prüfkonzern zu verklagen - am Firmensitz in München. 

Brumadinho-Unglück

Bei der Staudamm-Katastrophe ergoss sich giftiger Schlamm über das Werksgelände. 272 Menschen starben.

Foto: © picture alliance/dpa | Rodney Costa

Vor drei Jahren, am 25. Januar 2019, brach ein Staudamm am Rückhaltebecken des Eisenerzbergwerks im brasilianischen Brumadinho. Zwölf Millionen Kubikmeter giftigen Schlamms ergossen sich mit einer Geschwindigkeit von mehr als hundert Stundenkilometern über das Werksgelände und begruben Kantine, Fuhrpark und Verwaltungsgebäude. 272 Menschen starben. 240 waren Beschäftigte des Bergbaukonzerns Vale oder Leiharbeiter, andere Bewohner der benachbarten Siedlungen.

Die Angehörigen der toten Bergleute sind noch immer traumatisiert. Sie sprechen von einer „Lawine aus Schlamm, Schmerz und Blut“ und ihrer Hoffnung auf eine jedenfalls finanzielle Wiedergutmachung. Dabei will ihnen die IGBCE helfen. Ende Januar hat die Gewerkschaft in einer gemeinsamen Videokonferenz mit der Friedrich-Ebert-Stiftung in Brasilien mit Opfern und ihren Vertretern gesprochen. Wie offen die Wunden noch sind, bezeugen deren Aussagen: „Es wurden 1300 Körperteile von 272 Menschen gefunden“, berichtete die 40-jährige Ingenieurin Josiana de Oliveira Melo, die 15 Jahre lang bei Vale gearbeitet hat. „Viele konnten nur einen Daumen oder einen Arm beerdigen“.

Sie selbst verlor bei dem Dammbruch ihre zwei Jahre ältere Schwester – und eine ungeborene Nichte, mit der diese schwanger war. „Frauen wissen, was Verlust bedeutet, wenn sie ihre Angehörigen nicht einmal beerdigen können“, erklärte Lucineide Varjão, internationale Sekretärin der brasilianischen Chemiegewerkschaft CNQ-CUT, die die Gemeinden vor Ort besucht hatte. Die Menschen lebten in Ungewissheit. „Wir sind jeden Tag, wenn wir aufwachen, in einem Albtraum gefangen“, klagt Andresa Rodrigues, die ihren einzigen Sohn Bruno, Verfahrenstechniker bei Vale, durch den Dammbruch verlor. Er wurde 26 Jahre alt. Seine Mutter, Vizepräsidentin der Opfervereinigung Avabrum in Brumadinho, kämpft für ein Denkmal mit den Namen der Opfer – und für Entschädigung.

Das will die IGBCE unterstützen: Sie hat eine hohe Bürgschaft beim Landgericht München hinterlegt, damit die Angehörigen der Opfer den TÜV Süd in München verklagen können. Denn dessen brasilianische Tochtergesellschaft hatte den Damm noch kurz vor dem Unglück als sicher zertifiziert. In den Augen mancher Angehörigen der Opfer ist das Mord. Sie wollen Schmerzensgeld und Hilfe für den Aufbau neuer Lebensgrundlagen nach dem Schließen der Mine. Deren Betreiber haftet nach brasilianischem Recht und hat Entschädigungszahlungen an den Bundesstaat und die Gemeinde geleistet. Auf die Verwendung hatten die Opfer keinen Einfluss. Zudem sei bisher nur Geld für die Familien von Festangestellten vorgesehen, kritisierte Kemal Özkan, stellvertretender Generalsekretär des internationalen Industriegewerkschaftsverbands IndustriAll Global Union: „Zeitarbeiter haben nichts bekommen. Das ist eine Schande.“ Es gehe um Gerechtigkeit für die Betroffenen.

Haftung in internationalen Lieferketten

Für die Gewerkschaften ist der Fall auch ein wichtiges Beispiel für die Frage der Haftung in internationalen Lieferketten. „Der TÜV Süd ist das Mutterunternehmen der brasilianischen Gesellschaft, die wider besseres Wissen dem Damm in Brumadinho eine Unbedenklichkeitsbescheinigung ausgestellt hat“, erklärte der IGBCE-Vorsitzende Michale Vassiliadis bei der Videokonferenz. „Deshalb ist es moralisch, aber auch rechtlich richtig, dass auch die Zentrale zur Verantwortung gezogen wird, zumal sie über den Vorgang Bescheid wusste und ihren Segen zu der unrichtigen Entscheidung gab.“ Die IGBCE mache sich seit Jahren für die Verantwortung deutscher multinationaler Konzerne in der Lieferkette stark, so Vassiliadis, sowohl was Vorprodukte als auch Dienstleistungen anbelange. Der Fall zeige, dass das Lieferkettengesetz, das 2023 in Kraft trete, überfällig sei. „Wir haben von den Anwälten erfahren, dass der TÜV Süd sehr hohe Hürden versucht aufzubauen, um es den betroffenen Familien unmöglich zu machen, in Deutschland zu klagen“, sagte der IGBCE-Vorsitzende.

Es gehe nicht nur um Entschädigung, sondern um „systematische Ergebnisse“, bestätigte der brasilianische Rechtsanwalt Maximiliano Nagl Garcez: “Wir wollen verhindern, dass es weitere Opfer gibt. Ohne die Unterstützung der IGBCE könnten wir in Deutschland nichts ausrichten.“

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