Fragen und Antworten zur Tarifrunde

Die IGBCE hat die Erhöhung der Entgelte und Ausbildungsvergütungen in den Mittelpunkt ihrer Forderungen für die Chemie-Tarifrunde 2022 gestellt. Sie will eine nachhaltige Steigerung der Kaufkraft durchsetzen. Die Nachtzuschläge sollen außerdem auf einheitlich 25 Prozent erhöht werden. Die Gewerkschaft fordert Zukunftschancen für junge Menschen zu sichern sowie ein ausbalanciertes Konzept für gute mobile Arbeit und Schutz für IGBCE-Mitglieder in der Transformation.

Die Inflation steigt aktuell von Monat zu Monat: Für das laufende Jahr prognostizieren die namenhaften Institute einen Preisanstieg zwischen 3,3 und 4 Prozent. Damit korrigieren sie ihre Prognose aus dem Herbst spürbar nach oben. Und ob es noch weiter nach oben geht, kann zu diesem Zeitpunkt noch niemand sagen. Wegen dieser derzeitig nicht kalkulierbaren Lage hat die IGBCE darauf verzichtet, ein Preisschild an die Forderung zu hängen und keine konkrete Zahl genannt. Wichtiger als eine konkrete Zahl sei eine klar definierte Ziellinie, so IGBCE-Verhandlungsführer Ralf Sikorski. Und die steht: „Ich erwarte einen Lohnzuwachs oberhalb der Inflationsrate,“, sagt er und betont: „Denn unsere Mitglieder sind an der Zapfsäule und im Supermarkt der Teuerungswelle aktuell überproportional ausgeliefert.“

Die Kaufkraft ist der Maßstab für den Wert des Geldes. Sie gibt an, welche Gütermenge mit einer Geldeinheit oder einem bestimmten Geldbetrag gekauft werden kann. Wenn die Verbraucherpreise stärker steigen als die Einkommen, erleben die Beschäftigten also einen Verlust ihres Reallohns und die Lohnerhöhungen werden von der Inflation „gefressen“.
Die Preise werden dauerhaft steigen. Deshalb will die IGBCE ein Bollwerk gegen die Inflation errichten und die Kaufkraft für die Beschäftigten in der Chemie- und Pharmaindustrie nachhaltig steigern.

So hoch wie seit knapp 30 Jahren ist die Inflationsrate ist in Deutschland. Die Prognosen für das laufende Jahr liegen zwischen 3,3 und 4 Prozent. Und das wahre Ausmaß dieser Teuerungswelle ist noch gar nicht bei den Menschen angekommen. Viele Steigerungen stecken noch in der Lieferkette und treffen den Endverbraucher erst mit mehreren Monaten Verzögerung. Um das zu bewerkstelligen, um die rasant wachsenden Kosten für Gas, Strom, Mieten oder Lebensmittel stemmen, brauchen die Beschäftigten in der Chemieindustrie ein deutliches Plus im Portemonnaie. Für diesen Ausgleich bei ihren Mitgliedern zu sorgen, das ist Aufgabe der IGBCE. Und das ist das Ziel der Tarifrunde: Am Ende muss ein Entgeltplus oberhalb der Teuerungsrate stehen.

 Einige Ökonomen warnen jetzt vor einer Lohn-Preisspirale, also einer Kettenreaktion zwischen Lohnerhöhungen auf der einen und Preiserhöhungen auf der anderen Seite, die sich gegenseitig in die Höhe treiben. Der Anteil der Lohnkosten an den Gesamtkosten in der chemisch-pharmazeutischen Industrie ist aber gering, er liegt bei weniger als 14 Prozent.  Ralf Sikorski, der die Chemie-Tarifverhandlungen für die IGBCE führt, betont deshalb: „Was der Branche wirklich Kopfschmerzen bereitet, sind die Energie- und Rohstoffkosten – nicht die Entgelte ihrer Beschäftigten. Nie haben sie einen geringeren Anteil an den Gesamtkosten gehabt als heute. Im Übrigen ist auch die Binnennachfrage ein Treiber für die wirtschaftliche Entwicklung – gerade in Krisenzeiten.“ Wenn überhaupt, gebe es eine Preis-Lohn-Spirale. Die hohen Rohstoff- und Energiepreise würden letztlich zu Preissteigerungen führen, die dann wiederum Lohnanpassungen nötig machen würden.

 In der chemisch-pharmazeutischen Industrie läuft es gut, die Gewinne in der Branche sprudeln: „Den allermeisten Chemie- und Pharmaunternehmen geht es blendend. Sie haben die Pandemie gut überstanden und teilweise sogar von ihr profitiert“, sagt IGBCE-Verhandlungsführer Ralf Sikorski. Die Konzerne der Branche fahren hohe Gewinne ein und verteilen teilweise Rekord-Dividenden an ihre Aktionäre. Das schlägt sich auch in den Bilanzen für das vergangene Jahr nieder.
Die offiziellen Jahreszahlen für 2021 des Statistische Bundesamts zeigen, dass die Produktion in der chemisch-pharmazeutischen Industrie im Vergleich zum Vorjahr um 5,2 Prozent gewachsen ist. Der Umsatz legte dank kräftig gestiegener Erzeugerpreise (+ 9,3 Prozent) um 18,4 Prozent auf rund 217 Milliarden Euro zu. Das Gros der Unternehmen profitiert von einer erhöhten Nachfrage nach chemisch-pharmazeutischen Produkten und konnte die gestiegenen Rohstoff- und Energiekosten schlicht an ihre Kunden weiterreichen. Auch für 2022 wird eine positive Entwicklung erwartet.

 Die Arbeitgeber sind der Meinung, dass es wegen den gestiegenen Energiepreisen und der notwendigen Investitionen in die Transformation nichts an die Beschäftigten zu verteilen gäbe. 
IGBCE-Tarifvorstand Ralf Sikorski entgegnet: „Auch wir wollen investieren – in Kaufkraft, in Fachkräftesicherung und vor allem in unsere Mitglieder.“ Denn die Geschäfte in der chemisch-pharmazeutischen Industrie brummen, die Aktionärinnen und Aktionäre werden reichlich bedacht und die Beschäftigten haben es verdient, an den Gewinnen beteiligt zu werden. Die Argumentation des Arbeitgeberverbands wirkt vor diesem Hintergrund konstruiert.

 Es ist viel über Wertschätzung gesprochen worden in der Corona-Krise – aber fast nie über die 26 Prozent Schichtarbeiterinnen und Schichtarbeiter in der Chemie- und Pharmaindustrie. Und das, obwohl sie auch im schärfsten Lockdown Tag und Nacht ihre Frau und ihren Mann stehen mussten, um die Versorgung sicherzustellen.  Um die Arbeit der Schichtarbeitnehmerinnen und Schichtarbeitnehmer mehr wertzuschätzen, fordert die IGBCE in der Chemie-Tarifrunde 2022, ihre Nachtzuschläge auf einheitlich 25 Prozent erhöhen. Diese Erhöhung ist steuerfrei und somit voll nettowirksam.

 Die IGBCE hat in ihrer Forderung beschlossen, dass der Tarifvertrag „Zukunft durch Ausbildung und Berufseinstieg“ (TV ZAuBer) weiterentwickelt werden soll, um die Zukunftschancen für junge Menschen zu sichern. Gemeint sind damit vor allem Investitionen in den Fachkräftenachwuchs.
In der Corona-Krise haben viele Unternehmen ihre Ausbildungsanstrengungen drastisch zurückgefahren, im vergangenen Jahr gab es einen Negativ-Rekord an Ausbildungsplätzen. 2021 haben die Unternehmen insgesamt 8575 Stellen angeboten – und damit fast 1000 weniger als im Vor-Corona-Jahr 2019. Das sei nicht nur ein falsches Signal an die junge Generation, sondern auch betriebswirtschaftlicher Unsinn, machte der Verhandlungsführer der IGBCE, Ralf Sikorski, deutlich.
Der bereits bestehende Tarifvertrags TV ZAuBer hat das Ziel, das Ausbildungsplatzangebot zu erhöhen sowie das Image der chemischen Industrie als Zukunftsbranche und die duale Berufsausbildung als attraktiven Karriereweg zu fördern. Diese Vereinbarungen und Anstrengungen sollten nach Meinung der IGBCE vertieft und verbessert werden. (IGBCE-Mitglieder finden den TV ZAuBer hier: Link Mitgliederbereich).

 Corona hat gezeigt, dass es rund um mobile Arbeit noch einiges zu klären gilt. Die Anzahl der betrieblichen Vereinbarungen hat sich in dieser mehr als verdoppelt, jedoch mit sehr unterschiedlichen Schwerpunkten. Die IGBCE fordert deshalb ein ausbalanciertes Konzept für gute mobile Arbeit. Denn es braucht klare tarifliche Leitplanken für betriebliche Vereinbarungen, um für die gesamte Branche zu einheitlichen Qualitätsanforderungen an gute mobile Arbeit zu kommen.
Einen Anfang hat die IGBCE bereits mit dem Tarifvertrag „Moderne Arbeitswelt“ aus dem Jahr 2019 gemacht. Dieser enthält einige wichtige Regelungen zum mobilen Arbeiten. Grundlage ist eine freiwillige Betriebsvereinbarung. (IGBCE-Mitglieder finden den TV Moderne Arbeitswelt hier: Link Mitgliederbereich).

 Sicherheit und Schutz in der Transformation – dafür setzt sich die IGBCE in der Chemie-Tarifrunde ein. Die Transformation wird in den kommenden Jahren die Arbeitswelt massiv verändern. Klar ist: Wer die Menschen im Veränderungsprozess mitnehmen will, muss soziale Sicherheit und gute Arbeit verbindlich mitdenken.
„Die Beschäftigten in den energie- und rohstoffintensiven Industrien stehen im Zentrum der industriellen und digitalen Transformation – und damit vor einer Zeit der Unsicherheit. Die müssen wir ihnen nehmen“, so IGBCE-Verhandlungsführer Ralf Sikorski. Die Bereitschaft und die Möglichkeit der Mitglieder der IGBCE, sich auf den Wandel einzulassen, beginnt mit sozialer Sicherheit, mit einer Perspektive für gute Arbeit und ein gutes Leben.

Seit dem 24. Februar, dem Angriff Russlands auf die Ukraine, ist alles anders: Der Krieg und seine Folgen lasten schwer auf den Tarifverhandlungen in der chemischen Industrie. Die Tarifpartner sind jetzt doppelt in der Verantwortung: Sie müssen eine Lösung finden, die der unsicheren ökonomischen Lage ebenso gerecht wird wie dem berechtigten Wunsch der Menschen nach Kaufkraftsteigerung. Die IGBCE hat deshalb eine Brückenlösung ins Spiel gebracht, um zunächst über die wirtschaftliche Krisenlage in Folge des Ukraine-Kriegs zu kommen.

 Die IGBCE sieht als Brücke eine Kombination aus einer tabellenwirksamen, also dauerhaft geltenden Komponente und einer Einmalzahlung vor. Dies bei einer kurzen Laufzeit, um zunächst über die aktuelle Situation der ökonomischen Unsicherheit zu kommen. Sikorski hebt hervor: „Die Brücke ist kein Verschieben der Tarifrunde. Die Brücke ist kein Aussetzen und keine alleinige Einmalzahlung.“ Es werde eine tabellenwirksame Entgelterhöhung geben müssen. Und die Brücke bedeute kein Beenden der Tarifverhandlungen. Die Verhandlungen würden lediglich unterbrochen, um im Herbst oder Winter – wenn die Lage vorhersehbarer und ruhiger ist – wieder aufgenommen.