16. Betriebsrätejahrestagung

Betriebsräte in Zeiten der Transformation

Rund 150 IGBCE-Betriebsratsmitglieder trafen sich in Hannover zu ihrer jährlichen Tagung. Sie erlebten unter anderem eine prominent besetzte Diskussionsrunde mit SPD-Parteichef Lars Klingbeil und der Grünen-Vorsitzenden Riccarda Lang. Und erfuhren, warum es gerade in Zeiten der Transformation spannend und wichtig ist, sich für die Rechte der Beschäftigten einzusetzen.

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Foto: © Kai-Uwe Knoth

Man liebt diesen Begriff oder man hasst ihn, doch um das Phänomen kommt keiner herum. Der SPD-Vorsitzende Lars Klingbeil gehört zu denen, die nicht gerne von „Transformation“ sprechen, wenn sie die Welt von heute beschreiben. Doch egal, wie man es nennt: Im Angesicht von  Klimakrise, Digitalisierung und demografischem Wandel weiterzumachen wie bisher ist keine Option. „Viele Menschen sind veränderungsmüde, aber wir können das niemandem ersparen“, sagte der SPD-Politiker ganz offen bei der 16. Jahrestagung der Betriebsrätinnen und Betriebsräte in der IGBCE-Hauptverwaltung.

„Ich liebe den Begriff Transformation“, erklärte hingegen Dr. Petra Bock. Deswegen hat sie ihn zu ihrer Berufsbezeichnung gemacht. Bock ist Transformationsforscherin und coacht Manager*innen ebenso wie Sportmannschaften. In ihrem Vortrag machte sie den Betriebsratsmitgliedern Mut für die anstehenden Veränderungen. Der deutschen Wirtschaft gehe es derzeit wie einer Mannschaft, die gewohnt ist, oben in der Tabelle zu stehen. „Wir sind die Gejagten“, erklärte sie mit einem Bild aus dem Sport: „Wer nicht merkt, dass die Jüngeren etwas anders machen, der fällt zurück.“

Allerdings gelte in einer globalisierten Welt: „Unser Ziel darf nicht sein, oben zu bleiben, sondern das Spiel und die Liga zu verändern.“ Die Historikerin erläuterte, welche schädlichen Denkmuster sich in Krisenzeiten breit machen und wie man diese durch eine neugierige, mutige und selbstbewusste Haltung durchbricht. Den Betriebsräten komme in dieser Zeit eine Schlüsselfunktion zu: „Es gibt keine spannendere Zeit als heute, um Betriebsrätin oder Betriebsrat zu sein“, zeigte sich Petra Bock überzeugt. Drei wichtige Rollen sieht sie für Betriebsräte in Zeiten des Wandels: Sie sollen kompetente Coaches sein für Menschen unter Veränderungsdruck und zudem selbstbewusste Sparringspartner für das Management. „Sparringspartner schlagen fest zu, aber das Ziel ist, gemeinsam besser zu werden“, erklärte sie. Und die dritte Rolle: „Botschafter und Facilitators einer lebendigen, fairen und erwachsenen Transformationskultur zu sein“.

Francesco Grioli, Mitglied des geschäftsführenden Hauptvorstandes der IGBCE, gab ihr Recht: „Wir sind Fortschrittsorganisationen. Wir geben die Architektur dafür vor, dass die Arbeitgeber in die Menschen investieren.“ Bocks Forderung, nach dem technischen den menschlichen Fortschritt in den Mittelpunkt zu stellen, stimmte er zu - mit einer Einschränkung: „Mir fehlt da noch ein Zwischenschritt.“ Nach dem technischen muss erstmal ein wirtschaftlicher Fortschritt kommen, bevor es einen sozialen Fortschritt geben kann.

Susanne Taraba, Betriebsratsvorsitzende der Städtischen Werke Magdeburg, mahnte in der Diskussion, sich nicht von der Technik treiben zu lassen. Für sie ist es der falsche Ansatz zu fragen: „Wir haben jetzt Künstliche Intelligenz. Was machen wir damit?“ Vielmehr müsse die Frage lauten, welche Ziele Unternehmen eigentlich verfolgen und wie KI dafür ein Mittel sein kann. „Wir müssen Automatisierung und Digitalisierung dafür nutzen, dass es für die Beschäftigten besser wird“, forderte Lars Klingbeil. „Nicht, dass es am Ende heißt: Jetzt müsst ihr nicht mehr so schwer heben, jetzt könnt ihr doppelt so viel schaffen.“

Auch Ricarda Lang, die Bundesvorsitzende der Grünen, und FDP-Bundestagsabgeordnete Anja Schulze waren digital zugeschaltet. Für die CDU war der Europaabgeordnete Dennis Radtke persönlich gekommen. Anders als die Spitze seiner Partei bekannte Radtke sich klar zum Brückenstrompreis. Warum der subventionierte Industriestrompreis nötig ist, brachte Grioli auf eine Formel: „Als deutsche Unternehmen müssen wir so viel besser sein, wie andere billiger sind.“

Eine klare Absage bekam Anja Schulze (FDP) für ihre Überlegungen, Beschäftigte auch über den Renteneintritt hinaus im Arbeitsleben zu halten. „Statt Leute dazu zu bringen, nach 45 Berufsjahren noch länger zu arbeiten, sollte man dafür sorgen, dass sie gesund in Rente gehen können“, entgegnete Susanne Taraba unter dem Beifall des Publikums.

Von dem mussten sich die Politikerinnen  und Politiker teils harsche Kritik gefallen lassen. „Nicht reden, sondern handeln“, brachte es ein Betriebsrat auf den Punkt. „Ja, wir haben für manches zu lange gebraucht“, räumte Klingbeil ein. Allerdings warben die Vertreter*innen der Regierungsparteien dafür, die Erfolge der Ampel nicht zu übersehen: den schnellen Bau der LNG-Terminals und die Entlastungspakete für die Bevölkerung. „Vor einem Jahr hätte ich nicht darauf gewettet, dass wir durch den Winter kommen“, meinte Klingbeil. „Bitte seht das auch als Zeichen von Stärke.“

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16. BR-Jahrestagung
Foto: © IGBCE
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Transformation ist der Begriff der Stunde. Doch der Veränderungsprozess hin zu einer modernen Industrielandschaft gerät angesichts teurer Energie, mangelnder Infrastruktur, Nachfrageschwäche und Sparplänen ins Stocken. Auf der Betriebsräte-Jahrestagung der IGBCE beschäftigten sich rund 150 Belegschaftsvertreterinnen und Vertreter mit dem Thema „Next Generation: Arbeitswelt anders gestalten“ – und warum Betriebsräte gerade in Krisenzeiten mitmischen sollten.