IGBCE Bezirk Berlin-Mark Brandenburg

Unsere Herausforderungen zum Tag der Arbeit

Zum 1. Mai und zur aktuellen politischen Lage hier ein Statement des Bezirks Berlin-Mark Brandenburg

Statement BMB 1. Mai 2022
Foto: © IGBCE

Strukturbrüche und Verwerfungen vermeiden – Beschäftigte absichern

Unsere Herausforderungen zum Tag der Arbeit

Spätestens mit den Aussagen Robert Habecks in Warschau, dass Deutschland „in wenigen Tagen“ auf russisches Öl verzichten könnte, schrillen bei uns im IGBCE-Bezirk Berlin-Mark Brandenburg (Bundesländer Berlin, Mecklenburg-Vorpommern und der größte Teil Brandenburgs) die Alarmglocken. Der lange Zeit diskutierte Stopp bei der Zufuhr russischen Öls nach Deutschland rückt damit wohl immer näher. Die Unsicherheiten sind groß. Auch auf einen Importstopp von russischem Gas – ob durch Deutschland verhängt oder durch Russland beschlossen – müssen wir spätestens mit dem diese Woche auch von Moskau beschlossenen Ende der Lieferungen nach Polen und Bulgarien zumindest vorbereitet sein. Die Sorgen der Beschäftigten, die in den von uns vertretenen Branchen wie den energieintensiven Chemie-, Papier-, Glas/Keramik- und Kunststoffbetrieben arbeiten, sind groß. Zukunfts- und Existenzängste müssen wir bei allem berechtigten Verständnis über politische Entscheidungen Deutschlands sehr ernst nehmen. Klar ist, wir verurteilen den Angriffskrieg Russland auf das Schärfste, wollen alles dafür tun, dass das Leid der Menschen in der Ukraine endlich beendet wird und stehen dabei fest an ihrer Seite. Wir müssen jedoch auch zeitgleich dafür sorgen, dass es nicht zu Strukturbrüchen und Verwerfungen durch den Zusammenbruch ganzer Wertschöpfungsketten und somit zu gewaltigen Verlusten von gut bezahlten und abgesicherten Arbeitsplätzen kommt. Das ist eine der zentralen Aufgaben von Gewerkschaften! Wir stehen also vor dem 1. Mai diesen Jahres, dem für uns zentralen Tag der Arbeit, vor riesigen Herausforderungen. Und diese müssen wir auch ehrlich benennen und konstruktive Antworten finden.

Die Corona-Krise hat einmal mehr gezeigt, wie relevant Gewerkschaften sind

Die Corona-Pandemie und die daraus resultierenden Folgen haben einmal mehr gezeigt, dass Gewerkschaften Krise „können“. Trotz massiver Einbrüche, wichtiger Maßnahmen gegen die Weiterverbreitung des Virus und der Störung ganzer Lieferketten, haben wir es gemeinsam mit Bundes- und Landesregierungen und vor allen Dingen unseren Betriebsräten geschafft, das Schlimmste zu verhindern. Betriebsvereinbarungen zu Corona-Schutzmaßnahmen, das Kurzarbeitergeld und entsprechende tarifliche Zuschläge, die zahlreichen Gespräche mit politischen Entscheidungsträger*innen zu Hilfspaketen und relevanten gesetzlichen Beschlüssen, aber auch zahlreiche sog. Pandemievereinbarungen mit Arbeitgeberverbänden sind klare Zeichen dafür, wie relevant Gewerkschaften auch heute noch sind. Jetzt kommt es darauf an, diese Erfahrungen auf die jetzigen Herausforderungen zu übertragen. Fünf Punkte zeichnen sich dabei für uns ab:

1. Vorbereitungen treffen

Auf die Corona-Pandemie konnte man sich nicht vorbereiten. Nur ganz wenige haben damit gerechnet und noch weniger wussten, welche Maßnahmen damals gezielt eingeleitet werden mussten. In unserer unterstützenden Arbeit haben wir genau wie Betriebsräte und Arbeitgeber tagtäglich neue Herausforderungen erlebt. Auch das haben wir meistens hinbekommen. Mögliche Szenarien, die jetzt bevorstehen können, werden jedoch seit Wochen diskutiert. Ein Importstopp von russischem Öl wird beispielsweise sofort massive Auswirkungen auf die PCK-Raffinerie in Schwedt haben. 1200 Menschen sind dort beschäftigt. Dazu kommen noch zahlreiche Arbeitsplätze, die hier direkt dranhängen. Sie erwarten alle Antworten auf ihre Sorgen! Auch ein Stopp der Gaslieferungen wird die von uns vertretenen Betriebe unmittelbar treffen. Beispielsweise können dann Rigips-Platten nicht mehr getrocknet werden, künstliche Harze können nicht mehr hergestellt werden und auch auf die Erzeugung von Medikamenten und weiteren chemischen Produkten wird das gravierenden Einfluss haben. Hierauf müssen wir vorbereitet sein. Betriebliche Akteure wie Geschäftsführungen und Betriebsräte, Politik und auch wir als Gewerkschaften müssen uns damit vorausschauend auseinandersetzen. Es geht dabei nicht um Panikmache, sondern um kluge und strategische Vorbereitungen, die uns vielleicht vor dem Schlimmsten bewahren können.

2. Absicherung der Beschäftigten

Falls es zeitnah zu massiven Einschränkungen der Lieferung von Öl und Gas kommen sollte, ist es von zentraler Bedeutung, dass die Beschäftigten über das bewährte Instrument der Kurzarbeit abgesichert werden. Damit kann sofortiger Arbeitsplatzverlust verhindert werden! Aber klar ist auch, dass es durch die staatlich garantierten 60 %, bzw. 67 % bei mindestens einem Kind im Haushalt oftmals nicht mehr möglich ist, dass die Beschäftigten ihren Lebensunterhalt bestreiten können. Die massiv gestiegenen Preise üben dabei zusätzlich Druck auf die Menschen aus. Wichtig ist, dass es abgesicherte Zuschüsse zum Kurzarbeitergeld gibt, um die Lücken hier auszugleichen. In der chemischen Industrie haben wir diese beispielsweise tariflich abgesichert. Die Beschäftigten bekommen hier 90 % ihres Gehalts. Die 30 % Zuschuss bezahlt das Unternehmen. Falls das aufgrund der unternehmerischen Situation nicht möglich sein sollte, müssen hier Alternativen gefunden werden. Wir haben jedoch auch zahlreiche Betriebe, wo wir hierzu keinerlei Regelung haben. Wir fordern die Betriebsparteien und auch die Arbeitgeberverbände, die derartige tarifliche Verabredungen hierzu noch nicht haben, auf, entsprechende Regelungen jetzt vorsorglich zu treffen.

3. Mitbestimmung stärken

Zentral hierbei sind Betriebsräte, die umso mehr in Verantwortung stehen, sich für ihre Beschäftigten einzusetzen. Zwei Jahre Pandemie haben hier ihre Spuren hinterlassen. Viele sind in dieser Zeit dauerhafter Anspannung und schwierigen Entscheidungen ausgeliefert gewesen – und jetzt wird noch mehr von ihnen abverlangt. Sie gilt es, zu stärken, zu unterstützen und zu beraten. Wir werden uns dieser Aufgabe als IGBCE stellen, erwarten aber auch hierbei politische Unterstützung und die Achtung der Mitbestimmung auf der Arbeitgeberseite. Im größten Teil der von uns betreuten Betriebe passiert das auch. Aber es gibt Ausnahmen und es gibt auch immer noch Betriebe ohne Betriebsrat, bei denen die Beschäftigten alleine dastehen. Spätestens jetzt sollte das geändert werden.

4. Transformation gestalten

Die Transformation der Industrie in die Richtung einer fossilfreien Produktion erweist sich als eine der größten Herausforderungen unserer Zeit. Wir unterstützen diesen Kurs, wissen aber auch, dass alle von uns vertretenen Branchen energieintensiv und somit noch stark abhängig von fossilen Energieträgern sind. Die derzeitige Krise zeigt das wie in einem Brennglas. Wir müssen gemeinsam daran arbeiten, dass dieser Weg jetzt konsequent eingeschlagen wird und Alternativen ohne Strukturbrüche gefunden werden. Wir können es uns einfach nicht erlauben, dass tausende Beschäftigte von heute auf morgen in die Arbeitslosigkeit gehen. Die Verwerfungen und ihre Folgen für sie und ihre Familien wären dramatisch. Daher ist es umso wichtiger, jeden weiteren Schritt genau zu überdenken und die Konsequenzen mit zu beachten. Ostdeutschland hat in den 90er Jahren bereits massive Arbeitsplatzverluste erlebt. Die Folgen sind weiterhin spürbar. Wir wollen gemeinsam mit der Politik und den Arbeitgebern dafür sorgen, dass das nicht noch einmal passiert und die Transformation im Sinne der arbeitenden Menschen gestalten.

5. Bewährte Formate nutzen und Gespräche intensivieren

In der Corona-Pandemie hat sich gezeigt, dass die bewährten Formate wie Sozialpartnerdialoge und die geschaffenen Gesprächsstrukturen mit der Politik gut funktionieren. Beispielhaft sollen hier der Steuerungskreis Industriepolitik (SKIP), angedockt bei der Regierenden Bürgermeisterin Berlins, sowie der Masterplan Industriestadt Berlin (MPI), verantwortlich hier ist die Berliner Senatsverwaltung für Wirtschaft, Energie und Betriebe, genannt werden, in dem wir in den letzten Jahren kooperativ mit Politik und Arbeitgebern die Herausforderungen angegangen sind. Auch in Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg gibt es ähnliche Formate wie Betriebsrätekonferenzen und regelmäßigen strukturierten Austausch. Alle drei Landesregierungen waren und sind immer aufgeschlossen für die Belange von Arbeitnehmerinteressen und das wird in den nächsten Wochen und Monaten noch viel nötiger sein. Wir wollen diese bewährten Formate weiter nutzen und die Gespräche hier intensivieren. 

Keine Panik und Verantwortung wahrnehmen!  

Wir haben als die Vertretung der Interessen der abhängig Beschäftigten grundsätzlich eine hohe Verantwortung. Diese wird jetzt umso höher, da die Arbeitsplätze von zahlreichen Menschen in der nächsten Zeit gefährdet sein könnten. Daraus leitet sich unser Handeln ab und das werden wir auch überall und auf allen Ebenen so vertreten. Ihr könnt Euch sicher sein, dass wir diese Aufgabe annehmen werden. Panik, Resignation und Verzweiflung hat der Arbeiterbewegung noch nie geholfen. Weder am 1. Mai, noch an allen anderen Tagen im Jahr. Die wichtigste Botschaft geht jedoch am Ende an die russische Kriegspartei:

Stoppen Sie endlich diesen Krieg!

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