If.E-Strategiekonferenz Wasserstoff

„Wir wollen Vernunft in der Energiewende“

Das Innovationsforum Energiewende (If.E) engagiert sich für die Energiewende. Mit seiner Strategiekonferenz Wasserstoff am 31. August 2021 in Berlin gab der Verein kurz vor der Bundestagswahl wichtige Impulse für eine Zukunftsvision: Klimaneutralität erreichen durch eine industriepolitisch kluge und zugleich sozial gerechte Transformation. Wasserstoff kann darin eine Schlüsselrolle einnehmen. Wenn die Rahmenbedingungen stimmen.

Nachrichtenbild Strategiekonferenz Wasserstoff

Die Strategiekonferenz Wasserstoff war trotz Corona-Beschränkungen rege besucht.

Foto: © Merlin Nadj-Torma

Die If.E fördert den Dialog zwischen Gewerkschaften, Unternehmen, Betriebsräten, Politik und Wissenschaft aus gutem Grund. In Deutschland ist der Kohleausstieg bis spätestens 2038 terminiert; die Europäische Union will ab 2050 klimaneutral sein. Wasserstoff gilt als ein Energieträger der Zukunft. Er könnte die Alternative vor allem für energieintensive Industriezweige sein. „Wasserstoff hat eine große Symbolwirkung; er ist Hoffnung und Lösung zugleich“, betonte Michael Vassiliadis, Vorsitzender der IG BCE sowie der If.E, bei der Strategiekonferenz Wasserstoff.

Die Dekarbonisierung der Wirtschaft, also die Abkehr vom CO2, ist eine gewaltige Herausforderung. Wind- und Solarenergie reichen als Energieträger nicht aus. Mit Sorge sieht Vassiliadis, dass die Entwicklung des deutschen Energiemixes keineswegs klar ist. Und das angesichts eines wachsenden Strombedarfs. Zum Beispiel die Chemieindustrie: Einer Studie zufolge dürfte ihr Strombedarf um das Elffache anwachsen, wenn die Industriebranche bis 2050 einen Dekarbonisierungsprozess durchläuft. Und diese Energie müsste CO2-frei erzeugt werden. Ohne Wasserstoff wird das nicht gehen.

Transformation als Mammutaufgabe

Eines sei klar, betont Vassiliadis: „Wir wollen wissen, wie wir Strom zu vernünftigen Preisen von A nach B bringen.“ Das geht, zumindest in der Anlaufphase hin zu einer intensiven Wasserstoffproduktion, nicht allein mit dem sogenannten grünen Wasserstoff. Klimaneutral, also grün, ist die Wasserstoffproduktion nur, wenn die dabei eingesetzte Energie komplett aus erneuerbaren Energien erzeugt wird. Das Verfahren selbst ist simpel: Durch Elektrolyse wird Wasser in Sauerstoff und Wasserstoff gespalten. Die Chemiebranche in Deutschland nutzt heute bereits eine Million Tonnen Wasserstoff pro Jahr, aber dieser Bedarf beläuft sich nach Schätzungen bis 2050 auf das Siebenfache. Dafür sind neue Anlagen für die Elektrolyse nötig; Deutschland muss in Leitungsnetze und Speicherkapazitäten investieren. Und das so zügig, dass zumindest in der Aufbauphase grüner Wasserstoff allein nicht ausreicht. Konventionelle Produktionsmethoden – beispielsweise durch Verwendung von Biomethan, wobei CO2 abgeschieden und nicht in die Atmosphäre entlassen wird – müssten aus Sicht der IG BCE zumindest übergangsweise ebenfalls eine Rolle spielen.

Mehrere Strategien müssen zusammengeführt werden: Deutschland wird nicht um den Export von grünem Wasserstoff herumkommen, muss aber berücksichtigen, dass auch andere Staaten Bedarf haben. Staatlich gesetzte Rahmenbedingungen sollten mit der Schaffung eines Wasserstoffmarkts – über die komplette Wertschöpfungskette hinweg – einhergehen. „Dafür brauchen wir ein Anreizsystem finanzieller und regulativer Art“, sagte Vassiliadis. Zudem dürften erwartbare Kosten nicht zu Lasten der Menschen gehen; sei es bei der Versorgung von Haushalten oder in der Mobilität.

Initiativen für Wasserstoffmarkt

Klaus Schäfer, beim Chemieunternehmen Covestro für neue Technologien verantwortlich, prognostizierte einen sprunghaften Anstieg des Wasserstoffbedarfs in der Industrie für die 2030er Jahre. „Dafür brauchen wir eine enorme Infrastruktur.“ Heutige Erdgasnetze könnten dafür Vorbild sein. Die Fraunhofer-Einrichtung für Energieinfrastrukturen und Geothermie (IEG) beispielsweise erforscht in den kommenden vier Jahren neue Transportlösungen für Wasserstoff. Das Institut denkt sowohl über neue Technologien nach und prüft auch bestehende Gasnetze auf eine mögliche Umstellung.

Sopna Sury berichtete über Vorhaben bei RWE Generation, wo sie seit Februar dieses Jahres das neue Vorstandsressort für Wasserstoff leitet. Rund 30 Wasserstoffprojekte hat das Energieunternehmen initiiert. Eines davon ist eine Kooperation mit der BASF in Ludwigshafen. Ein neuer Offshor-Windpark mit einer Kapazität von zwei Gigawatt soll der BASF ab 2030 grünen Strom für CO2-freie Produktionsverfahren liefern. Auch grüner Wasserstoff soll in Ludwigshafen produziert werden. RWE hat mit einem Engpass zu tun: „Da geht es um die Verfügbarkeit von Offshore-Flächen“, sagte Sury. Zudem dauerten Genehmigungsverfahren sehr lange; auch das erschwere einen raschen Ausbau von Windkraftanlagen auf See. Dennoch wolle RWE bis 2040 klimaneutral sein, betonte Sury.

Unbedingt verhindert werden müsse eine Entwicklung, wie sie etwa bei der Nutzung von Solarenergie geschah, sagte Vassiliadis. Deutschland zählte seinerzeit zwar zu den Innovationstreibern, betonte der IG-BCE-Vorsitzende. Aber China habe längst die Nase vorn. Eine industriepolitisch kluge und sozial verträgliche Umstellung auf Wasserstoff sei auch wichtig für die Beschäftigten hierzulande. Vassiliadis: „Wir wollen Vernunft in die Energiewende bringen.“

If.E-Strategiekonferenz Wasserstoff in Berlin