Festakt 25 Jahre

"Deutschland braucht die IGBCE"

Mit rund 250 Gästen aus Gewerkschaften, Politik, Unternehmen, Verbänden und Wissenschaft beging die IGBCE einen Festakt zu ihrem 25. Geburtstag. Unter anderem kam Bundeskanzler Olaf Scholz zum Gratulieren vorbei, ebenso wie DGB-Chefin Yasmin Fahimi und Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil. Dabei ging es natürlich viel um das Jubiläum – aber vor allem um die Kraft der Sozialpartnerschaft und die angespannte Weltlage.

Festakt 25 Jahre IGBCE
Foto: © Kai-Uwe Knoth

Einen kleinen Scherz auf Kosten seiner SPD kann sich Olaf Scholz dann doch nicht verkneifen. Es sei ja ein wirklich eindrucksvoller Beweis für Stabilität, dass die IGBCE in den 25 Jahren ihres Bestehens erst von zwei Vorsitzenden – Hubertus Schmoldt und seinem Nachfolger Michael Vassiliadis - angeführt worden sei, so Scholz. „Das kann ich Dir jetzt leider nicht ersparen, lieber Lars“, sagt er mit leichtem Grinsen in Richtung des aktuellen SPD-Chefs Lars Klingbeil, der in der ersten Reihe sitzt. „Wir haben in dieser Zeit 16 Vorsitzende gehabt.“ Das war es dann aber auch mit humorigen Einlagen des SPD-Bundeskanzlers beim Festakt zum 25. Jubiläum der IGBCE in der Hauptverwaltung in Hannover – zu ernst ist angesichts von Ukraine-Krieg, Gaspreis-Explosion, Versorgungskrise und Inflation die Weltlage.  

Dennoch, so erklärt Ralf Sikorski, Vize-Vorsitzender der IGBCE, bei der Begrüßung der rund 250 Gäste aus Gewerkschaften, Politik, Unternehmen, Verbänden und Wissenschaft: „25 Jahre IGBCE – das ist ein Grund zu feiern. Auch wenn die Zeiten schwierig sind.“ Aktuell gehe es nicht um weniger als die Zukunft Europas und Deutschlands. „Was Deutschland jetzt braucht, ist Stabilität in der Führung und Solidarität in der Gesellschaft.“ Die IGBCE werde ihren Teil dazu beitragen und dabei zum einen das Wohl Deutschlands im Blick haben, zum anderen aber auch die Interessen ihrer Mitglieder vertreten.

Zusammenfassung des Festakts 25 Jahre IGBCE

Genau das sei es, was die IGBCE so besonders mache, sagt dann auch Olaf Scholz an diesem herbstlichen Freitag Nachmittag „Die IGBCE macht sich nicht nur verdient um ihre Mitglieder, sondern immer wieder auch um das Land insgesamt.“ Die Organisation sei ein „Brückenbauer zwischen gestern und morgen“, im wahrsten Wortsinne eine Transformationsgewerkschaft, die den Übergang zum Neuen immer wieder ganz praktisch meistere. Schon bei ihrer Gründung vor 25 Jahren – der Fusion von IG Bergbau, IG Chemie und der Gewerkschaft Leder zur IGBCE – habe sie die Kräfte der verschiedenen Organisationen gebündelt und sich nicht an das bestehende geklammert, sondern den Stier bei den Hörnern gepackt und „nach vorne geschaut“. Gleiches gelte beim aktuellen Umbau der Industrie: Keine andere Industriegewerkschaft im Land sei so verbunden eng mit fossilen Energieträgern. „Und trotzdem treibt die IGBCE den Transformationsprozess zu einer klimaneutralen Industrie voran.“ Dieser Spagat, dieser Blick in die Zukunft sei „kompliziert, aber genau damit kennt ihr euch aus wie nur wenige“, so der Kanzler. „Deutschland braucht eine Transformationsgewerkschaft. Deutschland braucht die IGBCE.“

Auch auf den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine sowie die angespannte Lage mit Inflation und Energieengpässen ging Scholz in seiner Rede ein. „Wir werden durch diesen Winter kommen“, versichert er er. Gleichwohl sei nun die zentrale Aufgabe, dass die Gaspreise in Deutschland wieder sinken. Dazu werde die unter anderem von IGBCE-Chef Vassiliadis geleitete Expert*innenkommission „effiziente Ergebnisse" vorlegen.

Ein wichtiger Aspekt zur Bewältigung der aktuellen Krise sei neben dem forcierten Ausbau der Erneuerbaren und der Bekämpfung des Fachkräftemangels sei Zusammenhalt und Solidarität. „Nur gemeinsam sind wir stark.“ Eine starke Mitbestimmung und Sozialpartnerschaft, wie sie die IGBCE immer wieder vorlebe, „gehören zu den kostbarsten Gütern dieses Landes“, so Scholz. „Sozialpartnerschaft – das ist organisierter Respekt.“  Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil wiederum lobt, die IGBCE sei in den vergangenen 25 Jahren trotz aller Herausforderungen auf ihrem Weg „einer der wichtigsten Kräfte dieses Landes geworden“.  Die Gewerkschaft sei überall anerkannt als Musterbeispiel „gelebter Sozialpartnerschaft“. „Unser Staat, unsere Gesellschaft brauchen Euch.“

IGBCE-Chef Michael Vassiliadis selbst spricht bei diesem Jubiläum weniger über die vergangenen Leistungen seiner Organisation, sondern vielmehr über die aktuell angespannte Lage und die Herausforderungen der Zukunft. „Die energieintensiven Industrien – und damit die industrielle Wertschöpfungskette des Exportweltmeisters Deutschland – sind unter akutem Druck.“ Die Menschen im Land müssten finanzielle Lasten tragen, die ein Großteil der Bevölkerung überfordern würden. „Gerade in Krisenzeiten ist es notwendig, gemeinsam das Beste für Beschäftigte und Betriebe erreichen zu wollen“, so Vassiliadis. Es sei jetzt zwingend, dass die Sozialpartner intelligente Wege zur finanziellen Entlastung der Menschen fänden und gleichzeitig Industriearbeit in Deutschland und Europa sichern und weiterentwickeln. Dass die Bundesregierung in dieser Krise auf die „Kompetenz und Kraft der Kooperation von Staat und Sozialpartnern setze“, wisse die IGBCE sehr zu schätzen. „Das ist die einzigartige und belegte Stärke des Modell Deutschland, wie wir es verstehen.“, betont er. Einen kleinen Rückblick auf 25 Jahre IGBCE erlaubt der Gewerkschaftschef sich dennoch: Die Branchen der IGBCE hätten– bereits vor und dann auch seit der Gründung - stets unter Druck gestanden. Ein Beispiel: Die Gewerkschaft habe das Ende der Steinkohleförderung begleitet und dabei soziale Standards gesetzt. Der Strukturwandel habe über die Jahrzehnte insgesamt 600.000 Jobs gekostet. „Aber niemand ist ins Bergfreie gefallen.“ Auch das Auslaufen der Kohleverstromung habe man aktiv mitgestaltet und eine umfassende Absicherung für Beschäftigte und Reviere herausgeholt. Seine Botschaft: „Auf unsere IGBCE war und ist immer Verlass.“ Die IGBCE sei dabei auch und vor allem „Motor des sozialen Fortschritts“. 

Das war die 25-Jahr-Feier der IGBCE

Die DGB-Vorsitzende Yasmin Fahimi fordert in ihrer Rede eine epochale Trendwende für Tariflöhne und mehr Mitbestimmung in Betrieben und Unternehmen: „Mit jedem Tarifvertrag, jeder Standortsicherung, jeder praktischen Umsetzung durch Betriebsvereinbarungen übernehmen wir Eigenverantwortung – und entlasten dadurch die Politik.“ Mit Blick auf die anstehenden Herausforderungen erklärt die DGB-Chefin (und selbst IGBCE-Mitglied): „Wir befinden uns mitten in einem epochalen Paradigmenwechsel. Und deswegen ist es Zeit für einen demokratischen Aufbruch.“ Sie wolle einladen zu einer „gesellschaftlichen Debatte um eine Verfassung der Arbeitswelt, für einen mutigen Aufschlag für ein Grundgesetz der Arbeit“. Sie appelliert: „Wir müssen neue, belastbare Grundlagen schaffen für eine demokratische und gerechte Transformation, die ihren Namen verdient.“

Bei der abschließenden Podiumsdiskussion waren sich IGBCE-Vorstandsmitglied Francesco Grioli, Claudia Bogedan, Geschäftsführerin der Hans-Böckler-Stiftung, und Kai Beckmann, Mitglied der Geschäftsführung bei Merck und zugleich Präsident des Chemie-Arbeitgeberverbandes BAVC, einig, dass das deutsche Modell der Sozialpartnerschaft ein zentrales und wichtiges Instrument zur Bewältigung der gegenwärtigen Krise ist. Es sei immer gut, wenn man vorbereitet sei auf alle möglichen Szenarien und vorausschauend agiere, sagt Beckmann: „Als die Corona-Pandemie kam, waren alle ganz überrascht und überlegten, wie sie das mit dem Mobilen Arbeiten hinkriegen. Wir hatten das Thema schon tarifvertraglich vor Corona geregelt.“ Ein Kompromiss, so der Merck-Manager, sei härtere Arbeit als ein Konflikt.

Claudia Bodegan verweist auf den Wert von Mitbestimmung und Tarifbindung. Aus eigener Forschung wisse man bei der Hans-Böckler-Stiftung, dass die Arbeitsbedingungen und Bezahlung in tarifgebundenen Unternehmen im Schnitt besser seien. Allerdings sei nur noch die Minderheit der Betriebe in Tarifbindung. „Die Politik muss dieses Modell weiter stützen und stärken“, fordert sie. 
Auch IGBCE-Vorstandsmitglied Grioli hebt den Wert der Mitbestimmung und lebendigen Sozialpartnerschaft hervor: „Wir schauen als Organisation auf eine lange Tradition der Sozialpartnerschaft zurück. Auch wenn es manchmal steinig war, halten wir daran fest.“ Denn: „Das macht Sozialpartnerschaft aus. Sie muss auch Konflikt aushalten.“ Für die anstehenden Herausforderungen sei die Aufgabe klar:  „Wir müssen in diesem Transformationsprozess vermitteln: Keiner bleibt zurück. Das machen wir seit 25 Jahren so und das muss so bleiben.“

Musikalisch untermalt an diesem Tag die Berlin Show Band von Schauspieler, Regisseur und Musiker Lenn Kudrjawizki die Veranstaltung. In kleiner Besetzung mit vier Bandmitgliedern spielen sie erst das Solidaritätslied von Berthold Brecht und dann das eigentliche Geburtstagsständchen für die Jubliarin: Den IGBCE-Song der Kölner Band Brings, der beim Kongress im vergangenen Herbst erstmals vorgestellt wurde.  

Statements zum Festakt

Die Aufzeichnung des Festakts

Weitere Informationen

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Foto: © Elephantlogic
25 Jahre IGBCE

Im Herbst diesen Jahres feiert die IGBCE ihr 25-jähriges Bestehen. 25 Jahre, in denen wir gemeinsam mit dir und all unseren Mitgliedern vieles erreichen und mitgestalten konnten.

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Viel bewegt, viel erreicht

Im Herbst feiert die IGBCE ihr 25-jähriges Bestehen. 25 Jahre, in denen die Gewerkschaft viel bewegt hat, mit ihrem Einfluss viel für Rechte der Mitglieder erreicht und in vielen politischen Prozessen entscheidende Spielerin war. Im zweiten Teil der Serie zum Geburtstag blickt kompakt auf einige Beispiele für Errungenschaften der vergangenen 25 Jahre.