Durch die Neuregelung fallen die unterschiedlichen Vergütungen in Ost- und Westdeutschland, die Differenzierung zwischen Hand- und Kopfarbeit sowie die Unterschiede zwischen den einzelnen Regionen, Unternehmen und Industriezweigen weg. Stattdessen gilt für alle Beschäftigten eine bundesweit einheitliche Entgelttabelle. Und für die allermeisten der 23.000 Beschäftigten der Branche bringt der neue Entgeltrahmentarifvertrag monatlich mehr Geld ins Portemonnaie.
„Mehr als 30 Jahre lang haben IGBCE und Arbeitgeber versucht, sich auf einen Entgeltrahmentarifvertrag zu verständigen. Jetzt ist uns diese historische Einigung endlich gelungen“, freut sich IGBCE-Verhandlungsführerin Sabine Duckstein und betont: „Damit gelten endlich zeitgemäße und gerechte Vergütungsstrukturen in der feinkeramischen Industrie.“ Es sei schön, dass die Feinkeramik-Sozialpartner, die IGBCE und die Arbeitgeber, einen gemeinsamen Weg gefunden hätten, von dem nun die Beschäftigten profitierten.
Zuvor gab es bundesweit insgesamt 18 verschiedene Lohn- und Gehaltstabellen, die sich teils massiv unterschieden. Die verschiedenen Tabellen galten teilweise für bestimmte Regionen, teilweise für einzelne Unternehmen und teilweise für bestimmte Industriezweige, wie beispielsweise für die Fliesen oder für die technische Keramik. Ein Beschäftigter in der Sanitär-Keramik in Bayern konnte bei gleicher Tätigkeit einen deutlich anderen Betrag verdienen als ein Beschäftigter in einem Schleifmittel-Unternehmen in Norddeutschland. „Das ist nicht mehr so. Diese Ungerechtigkeit gehört nun endlich der Geschichte an“, unterstreicht Duckstein.
Bereits mit dem Tarifabschluss 2022 hatten sich IGBCE und Arbeitgeberseite darauf geeinigt, den Bundesentgeltrahmentarifvertrag neu zu verhandeln. Mitte April stimmten schließlich die Tarifkommissionen der Arbeitgeber und die der IGBCE zu, jetzt ist das Tarifwerk unterschrieben.
Am 1. Januar 2025 tritt die Tabelle des Entgeltrahmentarifvertrags in Kraft. Vom 1. Januar 2025 bis zum 1. Juli (oder je nach Tarifgebiet 1. August 2025/ 1. September) wird allerdings zunächst eine Zwischenstufe wirksam und erst im Sommer 2025 werden die Beschäftigten dann in ihre korrekte Entgeltstufe eingruppiert und danach bezahlt. Weil ihre Vergütungen in den allermeisten Fällen dadurch um 2,5 bis 3 Prozent steigen, wurde die Laufzeit des aktuell laufenden Entgelttarifvertrags um ein halbes Jahr verlängert. Er läuft nun bis zum Jahresende 2025. Die nächste Tarifrunde startet dementsprechend im Herbst 2025.
Mit dem Inkrafttreten des Entgeltrahmentarifvertrags wird nicht mehr zwischen Löhnen (für Arbeiter*innen) und Gehältern (für Angestellte) unterschieden, sondern für alle Beschäftigten gelten die gleichen Bedingungen. Außerdem werden die Entgelte bundesweit angeglichen: Anstatt mehrerer regionale Entgelttabellen gibt es künftig nur noch eine. Das heißt auch, dass künftig für alle Beschäftigten in der feinkeramischen Industrie gemeinsam verhandelt wird und nicht mehr zwischen Ost und West unterschieden wird.
Bezahlt wird künftig nach einem Entgeltgruppenkatalog mit acht Entgeltgruppen. Jede der acht Entgeltgruppen besteht wiederum aus acht Stufen, vier für Zeit und vier für Leistung. Der Aufstieg in die Entgeltstufen 1, 2, 3 und 4 erfolgt als Zeitaufstieg. Nach jeweils zwei Tätigkeitsjahren erreicht der*die Beschäftigte die nächsthöhere Stufe. Für die Entgeltstufen 5 bis 8 gelten andere Kriterien, zum Beispiel werden die Beschäftigten nach persönlichen Leistungsfaktoren (wie Qualitätskennzahlen, Stücklohn, Zielerreichung) oder nach Flexibilität (Bereitschaftsdienste, Einsatz von Springertätigkeiten oder ähnliches) eine Stufe höher eingruppiert.
Fragen und Antworten zur Einigung
Was ist ein Bundesentgeltrahmentarifvertrag (BERTV)?
Der Bundesentgeltrahmentarifvertrag legt bundesweit einheitliche Entgelte für die Beschäftigten in der feinkeramischen Industrie fest. Er löst damit die jahrzehntealte Unterscheidung zwischen Löhnen (für gewerbliche Tätigkeit) und Gehältern (für Angestelltentätigkeit) ab und stellt sicher, dass Beschäftigte bei gleicher Tätigkeit deutschlandweit das gleiche verdienen, egal in welchem Betrieb und Industriezweig sie arbeiten.
In welchen Betrieben gilt der Bundesentgeltrahmentarifvertrag Feinkeramik?
Der Entgeltrahmentarifvertrag ist bundesweit für alle Betriebe bindend, die unter den Flächentarifvertrag der feinkeramischen Industrie fallen. In diesen Betrieben arbeiten in Deutschland rund 23.000 Beschäftigte. Die Bandbreite der Branche reicht von hoch technologisierten Weltmarktführern bis hin zu kleineren Betrieben, in denen stark handwerklich gearbeitet wird. Die feinkeramische Industrie umfasst die Sparten Porzellan, Sanitärkeramik und technische Keramik. Technische Keramik findet zum Beispiel in der Medizintechnik oder im Automobilbau Anwendung.
Welche Vorteile hat der BERTV Feinkeramik gegenüber den bisher gültigen Lohn- und Gehaltsverträgen?
Bislang herrschte in weiten Teilen der feinkeramischen Industrie eine Zwei-Klassen-Gesellschaft, und zwar im doppelten Sinn: Es gab bundesweit insgesamt 18 verschiedene Lohn- und Gehaltstabellen, die sich teilweise massiv unterschieden. Die verschiedenen Tabellen galten teilweise für bestimmte Regionen, teilweise für einzelne Unternehmen und teilweise für bestimmte Industriezweige, wie beispielsweise für die Fliesen oder für die technische Keramik. Gleichzeitig unterschieden die vorhandenen Entlohnungsstrukturen nach Löhnen und Gehältern, also nach Angestellten und Arbeiter*innen. Dadurch war die Verteilung der Entgelte ungerecht. Denn bisher erhielten Industriekeramiker*innen beispielsweise nach dem Abschluss ihrer dreijährigen gewerbliche Ausbildung einen Lohn, der gleichblieb. Im Gegensatz dazu stieg das Gehalt einer Kauffrau/eines Kaufmanns für Bürokommunikation nach der Ausbildung mit wachsender Erfahrung an. Das alles ändert sich mit der Einführung des BERTVs Feinkeramik. Der einheitliche Entgeltrahmentarifvertrag macht keinen Unterschied mehr zwischen gewerblicher und kaufmännischer Tätigkeit oder zwischen einzelnen Unternehmen oder Regionen. Es gibt nur noch eine Entgelttabelle für alle Beschäftigten.
Was ist eine Entgeltgruppe?
Eine Entgeltgruppe ist eine Gruppe, in der ein bestimmtes Entgelt gezahlt wird. Jeder Entgeltgruppe sind eine spezielle Ausbildung, Qualifikation, Berufsbild und Erfahrung zugeordnet. Im BERTV Feinkeramik gibt es acht Entgeltgruppen, die wiederum jeweils aus acht Entgeltstufen bestehen.
Wie unterscheiden sich die Entgeltgruppen und wie werden sie unterteilt?
In jeder Entgeltgruppe gibt es bestimmte Anforderungen, die an die jeweilige Tätigkeit gestellt werden. Anhand dieser werden die betrieblichen Tätigkeiten den einzelnen Entgeltgruppen zugeordnet.
Der Entgeltgruppenkatalog beginnt mit in der Entgeltgruppe 1 mit „Tätigkeiten, für die aufgabenspezifische Fertigkeiten oder Geschicklichkeiten erforderlich sind, die in der Regel eine Anlernzeit von bis zu vier Wochen erfordern. Dazu zählen beispielsweise Hilfs- oder Aushilfstätigkeiten. In der Entgeltgruppe 1 verdienen Beschäftigte auf der Stufe 8 2813 Euro.
In die Entgeltgruppe 6 werden zum Beispiel ausgelernte Industriekeramikerinnen oder Industriekaufmänner eingruppierte. In dieser Entgeltgruppe führen die Beschäftigten Fachtätigkeiten durch, die durch eine abgeschlossene, in der Regel mindestens dreijährige nach Berufsbildungsgesetz anerkannte Berufsausbildung erworben werden. Diese Kenntnisse und Fertigkeiten können auch durch entsprechende mehrjährige Berufserfahrung erworben werden. Der Entgelt auf der Stufe 6 liegt bei 3135 Euro.
Um in die Entgeltgruppe 12 zu kommen, wird in der Regel ein Masterabschluss vorausgesetzt. Die Tätigkeiten setzen umfangreiches Fachwissen voraus. Nach sechs Jahren auf dieser Stufe steigt das Entgelt auf 4569 Euro. Auf diesen Positionen arbeiten beispielsweise Ingenieur*innen oder Gruppenleitungen.
Wie werden die Beschäftigten in den BERTV eingruppiert?
Eingruppiert werden die Beschäftigten anhand einer Musterüberführungstabelle. In dieser ist festgelegt, welche neuen Entgeltgruppen welchen bisherigen Lohn- und Gehaltsgruppen entsprechen. Festgelegt ist beispielsweise, dass die ehemalige Lohngruppe 4 nun der Entgeltgruppe 3 entspricht oder die Gehaltsgruppe 3 der Entgeltgruppe 7. Die Eingruppierung findet nach der ausgeübten Tätigkeit sowie nach den bisher bestehenden Eingruppierungen statt.
Was passiert, wenn Unternehmen und Betriebsrat sich nicht auf eine Eingruppierung einigen können?
Können sich Unternehmen und Betriebsrat nicht einigen, können die Tarifvertragsparteien hinzugezogen werden.
Wie werde ich eingruppiert, wenn ich eine Tätigkeit ausübe, für die ich angelernt, aber nicht ausgebildet bin?
Die Beschäftigten werden entsprechend der Tätigkeit in die Entgeltgruppen eingruppiert, die sie ausüben. Für die Eingruppierung ist nicht die berufliche Bezeichnung, sondern allein ihre Tätigkeit maßgebend. Die Eingruppierung richtet sich nach den Tätigkeitsmerkmalen der Entgeltgruppen.
Wie werde ich eingruppiert, wenn ich mehrere Tätigkeiten ausübe, die in verschiedene Entgeltgruppen fallen?
Übt ein*e Beschäftigte*r innerhalb seines*ihres Arbeitsbereiches ständig wiederkehrend mehrere Tätigkeiten, zum Beispiel als Springer*in, aus, auf die verschiedene Entgeltgruppen zutreffen, richtet sich die Eingruppierung nach der überwiegend ausgeübten Tätigkeit.
Wie funktioniert die Zuordnung zu den Entgeltstufen innerhalb der Entgeltgruppen?
Beschäftigte werden in die Entgeltstufe der korrekten Entgeltgruppe eingruppiert, die mindestens ihrem Lohn beziehungsweise Gehalt entspricht (monatliches Grundgehalt), auf das sie am Tag vor dem Stichtag der Überführung, also am 31. Dezember 2024, einen Anspruch hatten. In dem monatlichen Grundgehalt sind keine etwaigen Zuschläge, Zulagen, Leistungs- und Prämienlöhne aus dem Manteltarifvertrag enthalten.
Was passiert, wenn ich durch die neue Eingruppierung weniger Entgelt bekomme als vorher (Besitzstandsregelungen)?
Sollte das bisherige Grundentgelt das Grundentgelt des BERTV übersteigen, wird der Besitzstand gesichert. Kein*e Beschäftigte*r bekommt durch die Einführung des BERTVs weniger Geld. Stattdessen wird die Höhe der Besitzstandszulage errechnet. Das ist der rechnerisch positive Betrag, der sich aus der Differenz des bisherigen tariflichen Grundentgelts abzüglich des tariflichen Grundentgelts nach dem BERTV ergibt. Die so ermittelte Besitzstandszulage wird durch zukünftige Tariferhöhungen jeweils um 50 Prozent der jeweiligen Tariferhöhung so lange abgeschmolzen, bis sie die jeweilige Entgelthöhe des jeweils geltenden BERTV erreicht hat. Das wird jedoch nur einen Bruchteil der 23.000 Beschäftigten betreffen.
Erhalten jetzt alle Feinkeramikbeschäftigten in Deutschland mit gleichem Aufgabenbereich das gleiche Entgelt?
Ja.
Wann tritt der BERTV in Kraft?
Der BERTV Feinkeramik tritt am 1. Januar 2025 in Kraft, die Tabelle je nach Tarifbezirk aber erst am 1. Juli, 1. August oder 1. September. Für den Zeitraum vom 1. Januar bis zum 1. Juli/ 1. August/ 1. September wird eine Zwischenstufe wirksam. In diesem Zeitraum werden die Beschäftigten in diese Zwischenstufe eingruppiert, die dem bisherigen tariflichen Entgelt entspricht. Ab Mitte des Jahres 2025 werden die Beschäftigten dann in ihre korrekte Stufe eingruppiert und auch nach dem BERTV Feinkeramik bezahlt.
Wie geht es jetzt weiter?
Die betriebliche Umsetzung des BERTV Feinkeramik kann jetzt beginnen: In den kommenden Monaten haben Betriebsrät*innen und Unternehmen Zeit, die Beschäftigten in die korrekten Entgeltgruppen und -stufen des Tarifvertrags einzugruppieren.
Wann findet die nächste Entgelttarifverhandlung statt?
Weil die Beschäftigten im Schnitt mit 2,5 bis 3 Prozent mehr Entgelt von der Einführung des BERTV profitieren, haben IGBCE und Arbeitgeber die Laufzeit des laufenden Entgeltrahmentarifvertrags um ein halbes Jahr bis zum 31. Dezember 2025 verlängert. Im Herbst 2025 startet dementsprechend die nächste Tarifrunde. Dank neuem Bundesentgeltrahmentarifvertrag wird es erstmals eine gemeinsame Tarifverhandlung für alle 23.000 Beschäftigten – in Ost und West – geben.