JAV-Wahlen 2022

Einflussnahme ist wichtiger denn je

Die Gegenwart ist herausfordernd und Sicherheiten sind ins Wanken geraten. Umso wichtiger sind alle jene Bereiche, in denen wir gestalten können, in denen wir Einfluss nehmen und etwas bewirken können. Die Mitbestimmungsmöglichkeiten im Betrieb spielen hierbei eine große Rolle, so wie die der Jugend- und Auszubildendenvertretungen (JAV): Sie bieten die Möglichkeit, Einfluss zu nehmen auf die eigenen Ausbildungs- und Studienbedingungen, auf die Qualität von Ausbildung und damit auf die persönliche Zufriedenheit - im beruflichen wie im Privaten.

JAV-Wahl 2022: Alina Muth

Alina Muth, 21, Vivawest Wohnen, Gelsenkirchen

Foto: © privat

Im Oktober und November finden die Wahlen zu den Jugend- und Auszubildendenvertretungen statt. Hier dürfen alle zur Berufsausbildung Beschäftigten wie Auszubildende und dual Studierende, sowie alle Beschäftigten unter 18 Jahren ihre Interessenvertretung wählen. Alle die wählen dürfen, und zusätzlich alle im Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer*innen unter 25 Jahren können sich als Kandidat*in aufstellen lassen und damit einen Unterschied machen. Dinge zu verändern, den Fokus auf die Themen von Auszubildenden und dual Studierenden zu lenken, auch wenn die wirtschaftlichen Prognosen für das Unternehmen schwierig sind, und die (meist) jungen Menschen im Blick zu halten, bietet viele Gestaltungsmöglichkeiten. In den acht Landesbezirken der IGBCE haben sich viele junge Menschen auch in diesem Jahr wieder zur Wahl aufstellen lassen.

Eine von ihnen ist Marie Schaber. Sie ist 22 Jahre alt, absolviert eine Ausbildung zur Kauffrau im Gesundheitswesen im zweiten Lehrjahr bei B. Braun in Hinter und kommt aus dem Landesbezirk Nord. Sie ist seit einem Jahr Mitglied der Jugend- und Auszubildendenvertretung und kandidiert auch in diesem Jahr wieder. In ihrem Betrieb ist sie die einzige von zehn Auszubildenden, die in der JAV ist. Wenn sie wiedergewählt wird, möchte sie dafür sorgen, dass die Geschäftsführung ihres Unternehmens einen Beitrag für Schulmaterialien wie Bücher und Kopien zahlt. „Ich habe mit der Zeit mitbekommen, dass es für einige viel Geld ist“, erzählt sie. Deshalb hat sie das Thema in die Betriebsratssitzungen eingebracht - und jetzt verhandeln Betriebsrat und Geschäftsführung darüber.

Sebastian Pellny ist 22 Jahre alt, arbeitet bei der Arlanxeo Deutschland GmbH in Dormagen und kommt aus dem Landesbezirk Nordrhein. Es waren häufige Ungerechtigkeiten in seiner Ausbildung und veraltete Strukturen, die ihn dazu bewogen haben, für die JAV zu kandidieren. „Ich bin zutiefst davon überzeugt, dass die Jugend jemand aus den eigenen Reihen braucht, der ein offenes Ohr für ihre Sorgen und Probleme hat“, begründet er gleichzeitig, warum es ganz speziell eine Vertretung der Auszubildenden und dual Studierenden durch junge Kolleg*innen braucht. Aber auch grundsätzlich hält er Interessenvertretung für wichtig: „Ich bin der Überzeugung, dass man durch Solidarität mehr für jeden einzelnen erreichen kann und alle mehr rausbekommen, als sie reinstecken müssen, wenn sie sich organisieren.“ Und dafür brauche es Leute, die motiviert seien und auch mal über den Tellerrand hinausschauten. Wenn er gewählt wird, möchte er genau das tun: Die Jugendlichen und Auszubildenden in seinem Betrieb mehr auf die Agenda bringen, damit sie von innerbetrieblichen Vereinbarungen mehr profitieren. Und er möchte die Ausbildung verbessern, was Ausstattung und Vergütung betrifft, vor allem aber auch was die Pädagogik und die Inhalte betrifft.

Sich für die Belange der Azubis einsetzen möchte auch Sebastian Frank. Der 24-Jährige arbeitet bei der Essity Operations GmbH in Mannheim und kommt aus dem Landesbezirk Baden-Württemberg. Die Ausbildungssicherung ist ihm wichtig. Dass die Azubis im Zuge der Transformation der Industrie jemanden an ihrer Seite haben, der sich für sie einsetzt, der sie berät und unterstützt. Aber gerade auch gemeinsame Aktivitäten und Aktionen, wie ein gemeinsames Sportfest, hält er für wichtig. Sich als Jugend- und Auszubildendenvertreter  und für andere zu engagieren, hält er für essentiell: „Ohne Ehrenamt keine Demokratie. Ehrenamt bereichert unsere Gesellschaft ungemein“, bringt er es auf den Punkt.

Alina Muth arbeitet bei der Vivawest Wohnen GmbH in Gelsenkirchen und kommt aus dem Landesbezirk Westfalen. Die 21-jährige hat bereits ehrenamtliche Erfahrung bei der IGBCE. Sie möchte sie in ihre Tätigkeit als JAVi auf jeden Fall einbringen. Wie Sebastian Pellny hält sie es für unabdingbar, dass Auszubildende und dual Studierende sich für einander einsetzen. „Niemand kennt unsere Anliegen besser als wir selber, deshalb sollten wir auch für uns eintreten“, sagt sie. Das habe dann auch den angenehmen Nebeneffekt, dass man „Gleichaltrige mit ähnlichen Interessen kennenlernt und mit denen man sich austauschen kann.“ Austausch ist ihr generell wichtig: „Ich möchte durch eine Plattform die Vernetzung der Azubis zur JAV verbessern und transparent die Themen ansprechen, um die sich die JAV gerade kümmert“, erzählt sie, was sie jetzt, nachdem sie gewählt ist, in ihrem Betrieb anstoßen möchte. Neben der Vernetzung ist es die Ausbildungsvielfalt und -qualität, die sie erhalten bzw. durch Mitgestaltung verbessern und individuell gestalten möchte. „Wir sollten weiterhin genug ausbilden und auch nach der Ausbildung eine Übernahme garantieren und ein vernünftiges Weiterbildungsprogramm anbieten“, sagt Alina Muth. „Jeder Mensch benötigt eine gesicherte Zukunft und auch das Unternehmen benötigt immer mehr qualifizierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.“ Dabei geht es ihr jedoch nicht nur um Sicherheit, sondern auch um Wohlbefinden: „Circa ein Drittel unseres Tages besteht aus Arbeit. Daher finde ich es wichtig, ein positives Gefühl zu haben und gerne zur Arbeit zu gehen.“

Linda Schneider kandidiert bereits zum dritten Mal für die JAV. Die 22-Jährige aus dem Landesbezirk Hessen-Thüringen, die bei Sanofi in Frankfurt-Höchst arbeitet, ist seit zwei Jahren zudem JAV-Vorsitzende und hat „zum Glück eine starke Besetzung in der JAV“, wie sie sagt. „Leute, die sich darum kümmern, dass auch etwas passiert.“ Als sie mit ihrer Ausbildung begann, hätten viele in ihrer Gruppe gesagt, sie würden ja doch nicht übernommen, und haben sich dann auch nicht engagiert. Sie aber hätte sich vorgenommen, etwas zu ändern - und sei jetzt mit der Personalabteilung intensiv an dem Thema dran. „Allerdings ist die Situation immer noch unbefriedigend“, berichtet sie. Und hat sich vorgenommen: „Da müssen wir noch mehr erreichen.“

Auch für Celina Mayer ist ehrenamtliches Engagement nicht neu. Seit ihrer frühen Jugend war die 24-Jährige bei sich im Dorf aktiv, hat Freizeitgruppen betreut, sich in die Schüler*innenvertretung eingebracht. „Zusätzlich war ich seit meinem 16. Lebensjahr nebenbei berufstätig und habe vor der Einführung des Mindestlohngesetzes angefangen zu arbeiten,“ erzählt sie. „Daher schätzte ich umso mehr zu Ausbildungsbeginn, dass ich mich ins ‚gemachte Nest‘ setzen konnte. Als ich aktiv von meiner damaligen JAVi angesprochen wurde, ob ich nicht Lust hätte, mich auch aufstellen zu lassen, musste ich nicht lange überlegen.“ Celina Mayer fühlt sich bei ihrer Arbeitgeberin, Boehringer Ingelheim Pharma, mehrfach privilegiert. „Was nicht zuletzt an der super Arbeit unseres Betriebsrats liegt und auch an der engen Zusammenarbeit zwischen JAV, Betriebsrat und IGBCE“, begründet sie. „Daher sind die Themen, die mir wichtig sind, eher tiefer liegend, Themen, für die es in gewisser Art Aufklärung bedarf. Mir fällt immer mehr auf, dass jüngere Generationen Mühe damit haben, betriebliche und überbetriebliche Mitbestimmung zu verstehen. Deshalb ist es mir wichtig, dass die Auszubildenden und dual Studierenden verstehen, wofür wir als JAV, aber auch als Betriebsrat und IGBCE da sind, und dass all unsere tollen Arbeitsbedingungen das Ergebnis eines harten Kampfes unserer Vorgänger*innen waren.“ 

Was sie tun wird, wenn sie wiedergewählt wird, weiß die 24-Jährige aus dem Landesbezirk Rheinland-Pfalz/Saarland auch schon genau: „Dadurch, dass ich bereits seit 2019 in der JAV bin, möchte ich unsere bisherigen laufenden Projekte weiter voran treiben: möchte weiterhin unsere ganztägige Neuanfänger*innenveranstaltung begleiten und noch mehr in den Präsenzaustausch mit unseren Auszubildenden und dual Studierenden gehen. Ich bin auf dem Dorf groß geworden. Bei uns ist es üblich, dass sich jede*r engagiert, damit Sportvereine trainieren und Freizeitgruppen wegfahren können oder Fastnachtssitzungen zustande kommen. Das Resultat ist ein schönes Freizeitprogramm für alle. Das lässt sich sehr gut auf den betrieblichen und überbetrieblichen Austausch übertragen. Wir leben mehr und mehr in einer Welt, in der zu viele Menschen sich auf den Errungenschaften der Vorgänger*innen ausruhen, sich gegebenenfalls darüber beschweren, dass es keine Verbesserungen gibt, sich aber auf der anderen Seite nicht für Verbesserungen einsetzen. Manchmal muss man aber aktiv werden und Ideen voranbringen beziehungsweise die Ideen anderer unterstützen, damit sich die Bedingungen für uns und auch für die nachfolgenden Generationen verbessern.“

Linda Rudolph arbeitet beim Energiekonzern LEAG im Landesbezirk Nordost und fühlt sich auch persönlich vom Strukturwandel in der Lausitz betroffen. Deshalb hat sich die 23-Jährige auf die Agenda geschrieben, sich als neu gewählte JAVi insbesondere für die davon betroffenen Jugendlichen einzusetzen: „ Ich möchte, dass der bevorstehende Strukturwandel sowohl für die jungen Leute bei uns im Betrieb als auch in der Region bestmöglich gelingen kann und will aktiv daran mitarbeiten, Perspektiven zu schaffen: weiter mit der Politik im Gespräch bleiben, gemeinsam für wirkliche Chancen und Alternativen sorgen, Probleme wie beispielsweise die Landflucht „bekämpfen“. Für die jungen Leute bei uns im Betrieb möchte ich mich dafür einsetzen, dass unser sehr gutes Ausbildungsniveau gehalten wird und daran mitwirken, Ausbildungsplätze zu erhalten und Übernahmemöglichkeiten zu schaffen.“

Was sie tun wird, wenn die Wahlen vorbei sind und sie gewählt ist, weiß Linda Rudolph schon genau: „Ich möchte bei uns im Betrieb als erstes mit anstoßen, dass wir das neue Ausbildungsjahr sichern, also Plätze anbieten und Bewerber*innen gewinnen. Viele Unternehmen haben Schwierigkeiten, die Ausbildungsplätze besetzt zu bekommen. Es sind Fragen zu klären, wie man zum Beispiel Werbung machen kann, wie man Bewerber*innen bindet, mit Goodies etc.“ Sich zu engagieren, findet sie selbstverständlich: „Ich engagiere mich in der JAV, um immer wieder auch die Interessen und Meinungen der jungen Leute zu platzieren. Ich mache das ehrenamtlich und es macht mir Spaß. Ich setze mich gerne mit verschiedenen Themen, die uns junge Leute betrifft, sowohl betrieblich als auch auf regionaler Ebene, auseinander und helfe gerne mit, neue Ideen zu entwickeln und zu gestalten. Es ist mir wichtig, dass wir Azubis, dual Studierende und allgemein junge Mitarbeiter*innen, eine Stimme haben und nicht vergessen werden. Die Chance zum Gestalten ist da und muss genutzt werden.“

Weitere Informationen

Angebote für Jugendliche bei der IG BCE
Foto: © sutthinon sanyakup/ gettyimages
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