Tarifrunde #Chemie22

Eine prozentuale Erhöhung wie wir sie in den vergangenen Jahren nicht erlebt haben – IGBCE beschließt Forderung für Tarifrunde #Chemie22

Auf der einen Seite steigen die Gewinne der Chemieunternehmen deutlich. Auf der anderen Seite erhöhen sich die Kosten im Privatleben für Strom, Benzin oder Mieten immer weiter. Die Bundestarifkommission hat in ihrer Forderung für die Tarifrunde 2022 beschlossen, dass die Kaufkraft der Beschäftigten der Branche, rund 15.000 im Bezirk Düsseldorf, durch eine Erhöhung der Entgelte und Ausbildungsvergütungen nachhaltig gesteigert werden muss

Chemie-Tarifrunde 2022: Social Wall

Eins ist schon jetzt - vor Beginn der Verhandlungen - klar: „Wir werden bei der prozentualen Erhöhung in eine Dimension kommen, wie wir sie in den vergangenen Jahren nicht erlebt haben“, sagt Ralf Sikorski. Er führt die Tarifverhandlungen für die 580.000 Beschäftigten in der chemisch-pharmazeutischen Industrie und ist stellvertretender IGBCE-Vorsitzender.

Andere Dimensionen, weil die Inflationsrate sich in den vergangenen Jahren eher zwischen 0,5 und einem Prozent abspielte. Da die Teuerungsrate so steil ansteigt, müssen auch mehr Prozente für die Chemie-Beschäftigten her. „Alles andere wird nicht funktionieren“, betont Sikorski.“ Wie sonst sollten die Beschäftigten die rasant wachsenden Kosten für Gas, Strom, Mieten oder Lebensmittel stemmen, fragt auch der IGBCE-Landesleiter und Verhandlungsführer Nordrhein Frank Löllgen: „Die Inflation hat uns gepackt. Wir spüren sie an der Zapfsäule, bei den Nebenkosten, beim Wocheneinkauf. Zeitgleich brummt es in der chemischen Industrie. Die Auftragsbücher sind voll, die Renditen fließen. Deswegen wird eine spürbare Erhöhung der Entgelte und Ausbildungsvergütungen für uns im Vordergrund stehen.“

Konkret hat die Chemie-Tarifkommission deshalb am 22. Februar die Erhöhung der Entgelte und Ausbildungsvergütungen ins Zentrum ihrer Forderung gestellt. Ziel ist es, die Kaufkraft der Beschäftigten nachhaltig zu steigern. Das hat die 100-köpfige Kommission auf ihrer digitalen Sitzung beschlossen. Damit folgt das Gremium der Empfehlung des Hauptvorstandes und der regionalen Tarifkommissionen.

Zusätzlich fordert die IGBCE eine Erhöhung der Schichtzuschläge für die Beschäftigten in Nachtschichten auf einheitlich 25 Prozent durchsetzen. Außerdem will Gewerkschaft in der industriellen Transformation Sicherheit und Schutz für ihre Mitglieder gewährleisten und gute mobile Arbeit für die Zukunft gestalten. und im Rahmen des Unterstützungsvereins der chemischen Industrie neue Fördermöglichkeiten zur Ausbildung Jugendlicher entstehen. Die Laufzeit des Tarifvertrags soll zwölf Monate betragen. Für Zurückhaltung gibt es laut Sikorski in dieser Tarifrunde keinen Anlass: „Die Gewinne in der Branche sprudeln. Den allermeisten Chemie- und Pharmaunternehmen geht es blendend. Sie haben die Pandemie gut überstanden und teilweise sogar von ihr profitiert.“ Das schlägt sich auch in den Bilanzen für das vergangene Jahr nieder.

Und Frank Löllgen ergänzt: „Wir werden die richtigen Themen adressieren. Die Forderungen aus den Betrieben wurden einstimmig beschlossen und finden enormen Rückhalt in der Belegschaft. Nun müssen die Arbeitgeber liefern. Für uns ist klar: Nicht die Aktionäre erwirtschaften die Gewinne, sondern die Belegschaften. Deshalb fordern wir eine echte Wertschätzung in Form von realen Lohnerhöhungen und Investitionen in die Beschäftigten. Warme Worte reichen nicht.“

Der VCI, der Verband der Chemischen Industrie, verkündete in seiner Bilanz für 2021, dass die Produktion in der chemisch-pharmazeutischen Industrie im Vergleich zum Vorjahr um 4,5 Prozent gewachsen ist, das Statistische Bundesamt weist sogar 5,2 Prozent Wachstum aus. Der Umsatz legte laut VCI dank kräftig gestiegener Erzeugerpreise (+8,5 Prozent) um 15,5, Prozent auf rund 220 Milliarden Euro zu. Denn das Gros der Chemie- und Pharma-Unternehmen hat seine Preissteigerungen schlicht an ihre Kunden weitergereicht. Auch für 2022 erwartet der VCI eine positive Entwicklung.

Die Konzerne der Branche fahren hohe Gewinne ein und verteilen teilweise Rekord-Dividenden an ihre Aktionäre. Der Kupferproduzent Aurubis etwa hat seinen Aktionären ein Dividenden-Plus von 23 Prozent beschert und der Industriegase-Konzern Linde hat seinen Gewinn um 50 Prozent gesteigert. Dies sind nur zwei Beispiele dafür, dass die Geschäfte brummen und die Aktionärinnen und Aktionäre reichlich bedacht werden. Vor dem Hintergrund wirkt die Argumentation des Arbeitgeberverbands, man müsse investieren statt verteilen, konstruiert. Sikorski entgegnet: „Auch wir wollen investieren – in Kaufkraft, in Fachkräftesicherung und vor allem in unsere Mitglieder.

Denn den Fachkräftemangel zu lindern, das zeigt die Betriebsräte-Umfrage zur Tarifrunde, wird eine der zentralen Aufgaben der Zukunft. Zwei Drittel der insgesamt 531 befragten Betriebsräte gaben an, dass der demografische Wandel und der Fachkräftemangel die größten Herausforderungen für ihr Unternehmen werden. Ein weiteres Ergebnis der Umfrage: Auch die Betriebsräte bewerten die Situation in ihren Unternehmen positiv. Drei Viertel von ihnen sind der Ansicht, dass die wirtschaftliche Lage ihres Betriebes in 2021 gut oder sehr gut war. Die aktuelle Kapazitätsauslastung der Anlagen schätzen sie in 80 in Prozent der Betriebe als sehr gut oder gut ein. Ebenfalls in 80 Prozent der Betriebe steigen laut Befragung 2022 voraussichtlich die Gewinne im Vergleich zum Vorjahr oder bleiben in etwa konstant.

„Wir gehen nun geeint und gestärkt in die anstehenden Tarifverhandlungen“, stellt auch Natalie Mühlenfeld, IGBCE-Bezirksleiterin Düsseldorf, klar. „Die Kolleg*innen fordern eine gerechte Anerkennung für ihren Einsatz – und das zurecht. Denn sie haben in den letzten 24 Monate die guten Ergebnisse in ihre Branche unter schwierigsten Bedingungen erarbeitet. Wir starten darum selbstbewusst in die Tarifrunde und sind fest entschlossen, einen guten Abschluss zu erzielen. Fahrplan und Ziel stehen, jetzt geht es los!“