Bayerntag 2023

Bayerntag der IGBCE in München: Großes Mitgliederevent stellt Forderungen zur Landtagswahl

Wie stehen die Parteien zur Tarifbindung? Wie wollen sie Bayern in Zeiten von Transformation und Veränderung fit für die Zukunft machen? Vor der Landtagswahl im Freistaat am 8. Oktober stehen insbesondere auch diese Fragen im Fokus für die IGBCE in Bayern. Gemeinsam mit allen bayerischen IGBCE-Bezirken hat die Zukunftsgewerkschaft ihre aktiven Gewerkschafter*innen am 22. Juli zu einem bayernweiten Treffen eingeladen, um mit dem IGBCE-Vorsitzenden Michael Vassiliadis und Bernhard Stiedl, Vorsitzender des DGB Bayern, politische Themen zu diskutieren und Forderungen an die bayerische Politik zu platzieren. Rund 400 Delegierte aus ganz Bayern sind dafür zum Bayerntag im Löwenbräukeller in München zusammengekommen.

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Foto: © IGBCE

In Zeiten von Transformation und Veränderung sind gewerkschaftlicher Zusammenhalt und gegenseitige Unterstützung in der Gesellschaft wichtig, um die Herausforderungen der Zukunft zu meistern. Das betonte Harald Sikorski zu Beginn des Bayerntags, der auch dem gegenseitigen Austausch diente. Der Landesbezirksleiter der IGBCE in Bayern bekräftigte die Notwendigkeit eines „Faire-Löhne-Gesetzes“, demnach öffentliche Aufträge nur an Firmen gehen dürfen, die auch nach Tarifvertrag bezahlen. Seine Forderung an die künftige Landesregierung: „Mit Steuergeldern darf kein Lohndumping finanziert werden.“

Weiter brauche es endlich auch im Freistaat ein Recht auf Bildungsfreistellung. „Das ist doch lächerlich, dass wir in Bayern nicht in der Lage sind, die bundesweite Benchmark zu erreichen“, so der eindeutige Kommentar Harald Sikorskis. [MK1] Zudem kritisierte er: „Bayern steht als Industrieland vor gewaltigen Herausforderungen, die zum Teil hausgemacht sind. Die Staatsregierung, die sich derzeit für den Ausbau der erneuerbaren Energien rühmt, hat die Energiewende zuvor jahrelang verschlafen und vernachlässigt.“

Mit Blick auf das Gelingen der Transformation in Deutschland, ohne dass dabei am Ende Arbeitsplätze verloren gehen, nahm er auch die Unternehmen in die Pflicht: „Wenn Unternehmen über Jahrzehnte gutes Geld bei uns verdient haben, können wir erwarten, dass sie sich in stürmischen Zeiten zum Standort bekennen und nicht abwandern.“ Seine Botschaft an die anwesenden Gewerkschafter*innen: „Wir sind da und stehen zusammen, insbesondere wenn es eng wird.“

Was die einzelnen Parteien für die Branchen und Arbeitsplätze der IGBCE anzubieten haben, stellten CSU, SPD, FDP und Grüne (angefragt wurden alle demokratischen Parteien im Bayerischen Landtag) in kurzen digitalen Grußworten ins Schaufenster. Einigkeit herrschte über Parteigrenzen hinweg dahingehend, dass es eine bezahlbare, sichere und saubere Energieversorgung nebst vergünstigtem Industriestrompreis brauche. Mit Blick auf eine stärkere Tarifbindung betonte Ministerpräsident und CSU-Spitzenkandidat Markus Söder: „Wir stehen zur bewährten Autonomie der Tarifpartner.“

SPD-Spitzenkandidat Florian von Brunn dagegen forderte, dass Aufträge des Freistaats und der Gemeinden nur noch an Unternehmen vergeben werden dürfen, die nach Tarif bezahlen. Das Statement von FDP-Spitzenkandidat Martin Hagen: „Wir sind überzeugt, dass Arbeitsplätze im produzierenden und verarbeitenden Gewerbe keine Jobs von gestern sind, sondern Zukunft haben.“ Grünen-Spitzenkandidat Ludwig Hartmann unterstrich in seinem Grußwort: „Die Herausforderungen für die energieintensiven Industriebranchen, die für den Wohlstand dringend gebraucht werden, sind gewaltig.“

Angesichts jener Herausforderungen forderte Bernhard Stiedl, Vorsitzender des DGB Bayern, die künftige Landesregierung dazu auf, die notwendigen Zukunftsaufgaben zu lösen – angefangen von der Stärkung der Tarifbindung bis zur Gestaltung des sozialen und ökologischen Wandels sowie der Transformation: „Ich hoffe, dass die Politik in Bayern sich endlich den Problemen, Sorgen und Nöten der Menschen annimmt.“ Es brauche eine landesweite Strategie ins nächste Jahrzehnt, damit das Industrieland Bayern mit seinen innovativen Branchen und Betrieben Vorreiter*in einer gelungenen sozialen und ökologischen Transformation werde. „Wir fordern von der künftigen Staatsregierung, für unsere Interessen zu kämpfen und damit für unsere Zukunft. Wir als Gewerkschaften werden uns ebenfalls mit ganzer Kraft dafür einsetzen, dass Menschen mehr Respekt erfahren, mehr Zusammenhalt erleben anstelle von immer mehr Egoismus und Spaltung.“

Mit ihrem Redebeitrag verschaffte sich Christina Wolf, Mitglied im Landesbezirksjugendausschuss, Gehör für ein weiteres Problem, das es (nicht nur) aus Sicht der IGBCE Jugend in Bayern dringend anzugehen gilt: „Mit Blick auf den Fachkräftemangel muss die Ausbildung wieder in den Mittelpunkt von Politik und Gesellschaft, aber auch von Unternehmen gerückt werden.“ Es brauche mehr Wertschätzung, etwa eine bessere Vergütung, zusätzliche Leistungen, wie die Bezahlung eines ÖPNV-Tickets oder bezahlbaren Wohnraum für Auszubildende. Ihre Botschaft: „Ohne Ausbildung gibt es keine Zukunft. Gut ausgebildete Fachkräfte sind das Rückgrat der Wirtschaft.“

Daran anknüpfend spannte Michael Vassiliadis in seiner Rede den Bogen nochmals weiter. Der IGBCE-Vorsitzende unterstrich die Bedeutung der IGBCE-Branchen in Deutschland: „Im globalen Vergleich sind unsere Standorte in vielerlei Hinsicht die nachhaltigsten – egal ob in puncto Umweltschutz, Arbeitsbedingungen oder Mitbestimmungskultur. Zugleich werden die Produkte, die hierzulande produziert werden, dringend gebraucht, damit das Leitbild der Energiewende und der ökologischen Modernisierung erreicht werden kann.“ Weiter betonte Michael Vassiliadis: „Wenn wir neben Gas, Öl oder Wasserstoff auch noch diese Produkte aus anderen Regionen der Welt importieren müssen, geht es ganz schnell nach unten mit dem Wohlstand.“

Von der Politik forderte der IGBCE-Vorsitzende: „Es ergibt deshalb Sinn, sich um unsere Industrien zu kümmern, in diese zu investieren und darauf zu achten, dass das industrielle Netzwerk, das wir in Deutschland haben, erhalten bleibt, als Lösung für die großen Ziele, die sich die Gesellschaft gesetzt hat.“ In Richtung der Delegierten gab Michael Vassiliadis zu bedenken: „Es bringt nichts, wenn wir uns mit allen Mitteln für den Industriestrompreis einsetzen, aber in unseren Branchen niemand mehr arbeitet. Im Kampf gegen den Fachkräftemangel braucht es auch von uns eine klare tarifpolitische Aufstellung.“

Umrahmt wurde der Bayerntag vom Trio ScheinEilig aus Bayerisch-Schwaben, das mit spannenden (Eigen-)Kompositionen im Stil des Oriental-Folk-Funk begeisterte, sowie vom mehrfach ausgezeichneten politischen Kabarettisten Thomas Schreckenberger, der die gespaltene Gesellschaft und die hiesige Politik satirisch in den Blick nahm.