Tag der Arbeit

"Viele Menschen kämpfen mit Überlastung"

Fast 300.000 Menschen haben am 1. Mai auf gut 400 Veranstaltungen bundesweit ein Zeichen für mehr Gerechtigkeit und Solidarität in Arbeitswelt und Gesellschaft gesetzt. Der IGBCE-Vorsitzende Michael Vassiliadis zählte die Arbeitgeber an. Sie hätten sich aufs Mosern und Mäkeln verlegt, statt die Transformation des Industriestandorts voranzutreiben und die Zeitenwende am Arbeitsmarkt anzuerkennen. Alles zum Tag der Arbeit findest du hier.  

Image

Zum Tag der Arbeit hat der IGBCE-Vorsitzende Michael Vassiliadis von Industrie und Arbeitgebern mehr Engagement und Verantwortungsbewusstsein in der Transformation eingefordert. Zwar müsse der Staat die Rahmenbedingungen für den klimagerechten Umbau der Industrie noch massiv verbessern – gleichzeitig müssten aber auch die Unternehmen ihrer sozialen Verantwortung stärker gerecht werden.  „Wer über Jahrzehnte gutes Geld in Deutschland verdient hat, von dem erwarte ich auch, dass er jetzt mit uns gemeinsam durch diese Krise geht“, sagte Vassiliadis bei einem Besuch der Maikundgebung des DGB in Bremerhaven.

Die durch den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine ausgelöste Energiekrise hat die Rahmenbedingungen für die besonders energieintensiven Branchen der IGBCE massiv verschlechtert. Der Staat müsse daher mit umfangreichen Investitionsanreizen und einem international wettbewerbsfähigen Industriestrompreis gegensteuern. „Im Gegenzug erwarten wir von den Unternehmen intelligente Transformationskonzepte und Garantien für Standorte und Beschäftigung“, so Vassiliadis. „Wir werden nicht akzeptieren, wenn die Industrie die aktuelle Lage zur Verlagerung von Produktion nutzen will.“

Ohnehin hätten sich die Arbeitgeber zuletzt immer mehr aufs Mosern und Mäkeln konzentriert, statt selbstbewusst Herausforderungen anzupacken. „Es sollte uns stutzig machen, wenn sie ständig über Fachkräftemangel jammern, aber gleichzeitig die Reallöhne sinken, Millionen Menschen arbeitslos sind, die Beschäftigungspotenziale bei Frauen und Ungelernten ungenutzt bleiben“, sagte der Vorsitzende der zweitgrößten deutschen Industriegewerkschaft.

Statt diese Herausforderung als ihre eigene anzunehmen, hielten sich die Arbeitgeber lieber an die Beschäftigten und forderten „mehr Bock auf Arbeit“ – also de facto längeres Arbeiten. „Vielleicht ahnt man das im Manager-Turm nicht: Viele Menschen kämpfen schon heute mit Überlastung“, macht Vassiliadis deutlich. „Sie haben sehr wohl Bock auf Arbeit – aber auf Gute, partnerschaftliche, mitbestimmte, tariflich abgesicherte Arbeit. Sie haben keinen Bock auf Arbeitgeber, die – wissentlich oder nicht – Ausbeutung und Selbstausbeutung befördern.“ Offenbar seien einige Arbeitgeber im Gestern gefangen: „Dass auch auf dem Arbeitsmarkt längst eine Zeitenwende stattfindet, ist ihnen wohl entgangen.“

Auch beim Thema Streikrecht befänden sich die Arbeitgeber derzeit auf Geisterfahrt, machte der Gewerkschafter deutlich. Ihre Rufe nach einer Einschränkung dieses Grundrechts „sind nicht nur eine Unverschämtheit, sondern auch mit dem Freiheitsrecht des Grundgesetzes nicht vereinbar“, sagte Vassiliadis. Tarifverträge auf Augenhöhe setzten den Arbeitskampf voraus. „Streiken ist unser gutes Recht! Und wenn es sein muss, dann nutzen wir es auch!“

„Ungebrochen solidarisch“ – unter diesem Motto fanden am 1. Mai 2023 fast 400 Kundgebungen und Aktionen statt, zu denen der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) im ganzen Land aufgerufen hatte. IGBCE-Top-Render*innen waren neben Vassiliadis der stellvertretende Vorsitzende Ralf Sikorski in Wilhelmshaven und Vorstandsmitglied Birgit Biermann, die unter anderem in Recklinghausen auftrat. Dort wurden mit dem Kulturvolksfest auf dem Hügel die traditionsreichen Ruhrfestspiele eröffnet.

Die zentrale Mai-Veranstaltung des DGBs mit der Vorsitzenden Yasmin Fahimi fand in diesem Jahr in Köln statt - auf dem Heumarkt mit Kundgebung amfangreichem Programm mit vielen Bands. Unter anderem dabei waren Sarah Lesch, Mätropolis, Culcha Candela, Buntes Herz und Brings. Brings traten auch auf dem IGBCE-Kongress 2021 mit "Unser Zuhaus' auf – einem Song, den sie extra für die IGBCE geschrieben haben. Für alle, die nicht dabei sein konnten, gibt es hier den Livestream des DGB auch nochmal auf Abruf.

Eindrücke vom Tag der Arbeit

Weitere Informationen

Mai-Aufruf 2023- „Ungebrochen solidarisch“
Tag der Arbeit
1. Mai 2023: UNGEBROCHEN SOLIDARISCH

Der DGB und seine Mitgliedsgewerkschaften rufen im Jahr 2023 wieder zu vielen bunten Aktionen und Kundgebungen auf der Straße auf. Wir tragen die drängenden Forderungen für eine gerechte und soziale Zukunft in der (Arbeits-)Welt auf die Straße. Hier findest du alle Infos zu den DGB-Veranstaltungsorten.

Michael Vassiliadis
Foto: © IGBCE/Stefan Koch
Tag der Arbeit
Ungebrochen solidarisch den Krisen trotzen

Die Welt steckt in einem dauerhaften Krisenmodus. Der IGBCE-Vorsitzende Michael Vassiliadis verrät, wie uns das diesjährige Motto zum Tag der Arbeit "Ungebrochen solidarisch" dabei helfen kann, die anspruchsvollen Zukunftsherausforderungen zu bewältigen.

BASF-JAV in Ludwigshafen
Foto: © Marius Maasewerd
Hintergrundstory
Der neue Machtfaktor

Der Arbeitsmarkt hat sich radikal gewandelt. Immer öfter können sich junge Beschäftigte den Arbeitgeber aussuchen – und nicht umgekehrt. Die neue Generation nutzt ihre Macht, um auf die Einhaltung klassisch gewerkschaftlicher Positionen zu bestehen. Zum Beispiel, dass Arbeit Sinn stiften muss – und dass Feierabend auch wirklich Feierabend bedeutet.