Industriepolitische Konferenz

„Der Umbau muss schneller gehen“

Auf die Branchen der IGBCE kommen stürmische Zeiten zu. „Die Lage ist ernst“, sagt IGBCE-Vorsitzender Michael Vassiliadis. Der russische Angriffsgriff auf die Ukraine erschüttert die Welt – und die deutsche Industrie. Ein Energie-Kollaps droht, Lieferketten wackeln, die Inflation galoppiert, und dann sollen die Betriebe noch die Klimawende stemmen – aber wie sollen sie dies schaffen? Ehrenamtliche Aktive aus den Betrieben der IGBCE schlagen vor: Jetzt erst recht Tempo machen beim Umbau der Industrie. Ein Tagungsbericht.

Industriepolitische Tagung
Foto: © Kai-Uwe Knoth

Sie sind die industriepolitischen ehrenamtlichen Fachleute der IGBCE in Betriebsräten und Vertrauenskörpern, sie wissen, wo Gefahren für die Arbeitsplätze drohen: Rund 120 Aktive aus den unterschiedlichen Industriegruppen der IGBCE haben Mitte Mai in Hannover bei einer industriepolitischen Tagung die Lage in den Betrieben beraten.

Geradezu paradox ist die Lage zum Beispiel beim Chemie-Riesen BASF. Das Unternehmen „verdient sich derzeit dumm und dämlich“, berichtet Konzernbetriebsratsvorsitzender Sinischa Horvat, „und zugleich schwebt dieses Damokles-Schwert über uns“. Wann dreht Putin den Gashahn zu? Zustimmendes Nicken im Plenum: Unsicherheit herrscht überall.

Was also tun? Ökonom Sebastian Dullien vom Institut für Makroökonomie und Konjukturforschung (IMK) der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung, sagt: Die Industrie muss jetzt die Phase hoher Energiepreise überbrücken können. Sonst sind gerade die energieintensiven Unternehmen schnell weg vom Fenster. Und: Beim Netzausbau für die erneuerbaren Energien muss noch mehr Tempo gemacht werden, als ohnehin schon geplant war. Außerdem: Die privaten Haushalte brauchen Entlastung, wegen der horrend hohen Inflation.

Teilnehmerinnen und Teilnehmer zum Thema

Bei der Transformation dürfen die Beschäftigten nicht hinten herunterfallen, betont IGBCE-Energiemarkt-Experte Ralf Bartels. „Wir als IGBCE setzen in diesem Wandel auf ein umfassendes soziales Sicherheitsversprechen“, sagt er, „wie bei der Kohle“. Allerdings mit einem Unterschied, betont er. „Diesmal geht es nicht um das Auslaufen, diesmal geht um Neuanlagen.“ Bis die neue Infrastruktur steht, für eine Wasserstoffwirtschaft, müssen die Beschäftigten sicher sein, damit sie Vertrauen in Transformation haben.

Diese Aufgabe ist gigantisch, betont Ralf Sikorski, stellvertretender Vorsitzender der IGBCE. Er fordert einen Schutzschirm für die Industrie. Die Beschäftigten jedenfalls „werden nicht die Zeche zahlen“. Und er macht eines klar: Nur mit politischem Klein-Klein wird es nicht getan sein. Die Zeitenwende erfordere, dass wir unseren Blick weiten, argumentiert er. „Die Unternehmen haben sich zu abhängig gemacht“, betont Sikorski. Jetzt müsse diese fehlgeleitete Politik geändert werden. „Wir müssen nicht nur über Dekarbonisierung reden; wir müssen auch über eine Deglobalisierung reden.“ Auf deutsch: Nicht nur Klimagase müssen radikal reduziert werden, sondern auch die Abhängigkeiten der deutschen Industrie.

Was bedeutet das für die Betriebe? BASF-Konzernbetriebsratsvorsitzender Sinischa Horvat meint: „Wir müssen auf das Management zugehen und sagen: Die Transformation muss jetzt schneller gehen.“ Tempo machen und die Krise als Chance begreifen – das empfiehlt auch IGBCE-Vorsitzender Michael Vassiliadis. Er nennt das Beispiel Digitalisierung. Die werde natürlich Arbeit wegrationalisieren. Aber sie könne eben auch dabei helfen, dass die Transformation der Industrie schneller geht, und sie könne den Fachkräftemangel lindern. „Wir als Organisation sind jedenfalls bereit und willig, uns für eine gute Zukunft unserer Branchen einzusetzen.“

Die Industriepolitische Konferenz der IGBCE - das Wichtigste im Überblick

Eindrücke von der Konferenz