So eine Kundgebung hat Schwedt seit Jahrzehnten nicht erlebt: Am Mittwoch, den 29. Juni, versammelten sich rund 3000 Menschen im Zentrum der Stadt und demonstrierten lautstark für den Weiterbetrieb der PCK-Raffinerie und die Zukunft ihrer Region. Die IGBCE hatte als Teil des Zukunftsbündnis Schwedt mit dazu aufgerufen. Am Ende gab es auf der Bühne eine Zusage mit Handschlag vom Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck.
Bereits im Vorfeld der Demonstration hatte Rolf Erler, Bezirksleiter der IGBCE in Berlin-Mark Brandenburg, deutlich gemacht: „Unsere Kolleginnen und Kollegen der PCK, die Beschäftigten in den Dienstleistungsbetrieben und sehr viele Menschen in der Uckermark machen sich existentielle Sorgen angesichts der Entscheidung der Bundesregierung, die Einfuhr von Rohöl aus Russland über die Druschba-Pipeline Ende des Jahres zu stoppen.“
Diese Sorge prägte die Stimmung auf der Kundgebung – und das bekam vor allem Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck zu spüren, der angereist war, um die aktuellen Maßnahmen der Bundesregierung für den Erhalt der PCK zu erläutern. Die Raffinerie in Schwedt hängt bislang vollständig von der Rohöl-Lieferung aus Russland ab und befindet sich zudem mehrheitlich in der Hand des russischen Mineralölunternehmens Rosneft. Mit 1200 Arbeits- und Ausbildungsplätzen im Flächentarifvertrag Chemie ist die PCK nicht nur der größte Arbeitgeber in der Uckermark. Von dem Unternehmen hängen weitere rund 2000 Arbeitsplätze in Dienstleistungsbetrieben ab. Bezirksleiter Rolf Erler: „Die PCK ist das industrielle Herz und wirtschaftliche Rückgrat für die Region“.
Nach einem Beschluss der Bundesregierung soll Ende dieses Jahres im Zuge der Sanktionen gegen Russland aufgrund seines brutalen Angriffskriegs gegen die Ukraine die Zufuhr von Pipeline-Rohöl aus Russland gestoppt werden. Ein Beschluss, der über die seitens der EU beschlossenen Sanktionen hinausgeht, die auf Druck von Ungarn eigentlich eine Ausnahme für Pipeline-Öl machen.
Betriebsrat der PCK, seit 1980 im Unternehmen
"Die kurzfristige Kappung der Ölleitung aus Russland Ende 2022 lässt uns als Belegschaft überhaupt keine Möglichkeit, das gestalterisch umzusetzen. Es sind hochtechnologische Prozesse, die verändert werden müssen. Wir haben an den Bundeswirtschaftsminister die Erwartung, dass er uns schriftlich gibt, was er uns bei der Belegschaftsversammlung im Mai zugesagt hat: dass die Bundesregierung Geld für den Umbau bereitstellt. Für uns ist wichtig, dass wir keinen entlassen müssen und im Chemietarif bleiben."
Der Stichtag im Dezember 2022 ist denn auch genau das Datum, das die Menschen in Schwedt auf die Straße treibt. Unmöglich, um in dieser Zeit einen Transformationsprozess wirtschaftlich tragfähig auf den Weg zu bringen. Simona Schadow ist Betriebsratsvorsitzende der PCK: „Die Belegschaft der PCK ist bereit, sich den Herausforderungen zu stellen und den Umbau der Raffinerie mit voller Kraft einzuleiten. Wir sind eine der modernsten Raffinerien Europas. Unsere Ingenieure, Techniker und Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bringen alle Voraussetzungen dafür mit. Doch klar ist, dass wir die groß angelegte Unterstützung der Bundesregierung brauchen, ansonsten sehen wir unsere Arbeits- und Ausbildungsplätze in großer Gefahr. Deshalb fordern wir gemeinsam mit der IGBCE schriftliche Garantien!“
Auch die Landesregierung von Brandenburg sieht die Bundesregierung in der Pflicht, massiv in die Infrastruktur der Region zu investieren – und das auch schriftlich zu bestätigen. Ministerpräsident Dr. Dietmar Woidke rief von der Bühne: „Es darf hier zu keinem Strukturbruch wie in den 90er Jahren kommen. Die PCK muss vollumfänglich erhalten bleiben. Wir als Landesregierung werden alles tun und in alle Richtungen unterstützen, um möglichst schnell die Unsicherheit von der Region zu nehmen.“
Dietmar Woidke entwarf zugleich Szenarien für die Zukunft, indem er den hohen Ausbau der Erneuerbaren Energien in der Uckermark ansprach und sagte: „Diese Region kann und muss zu einer Modellregion für den klimaneutralen Umbau werden.“ Die Forderung der IGBCE, das PCK mittelfristig zu einer ‚grünen Raffinerie‘ hin zu entwickeln, unterstreicht die Bedeutung von Garantien für den Erhalt des Standorts.
Bundeswirtschaftsminister stellt sich der Stimmung in Schwedt
Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck bekräftigte zu Beginn seines Auftritts, der immer wieder von emotionalen Zwischenrufen unterbrochen wurde, die Sinnhaftigkeit des beschlossenen Embargos: „Diese Sanktionen treffen Russland hart.“ Er verwies zudem auf die Bedeutung, sich schnell unabhängig von russischem Öl zu machen – schließlich müsse immer damit gerechnet werden, dass Putin die Pipeline seinerseits blockieren könne. Mit Hochdruck würde die Bundesregierung an einer Ertüchtigung der Leitung nach Rostock arbeiten. Im Mai floss von dort zum ersten Mal Rohöl nach Schwedt. 22 Maßnahmen seien identifiziert, um den Durchlauf zu erhöhen. Die sollen nun noch einmal geprüft und dann mit oberster Priorität umgesetzt werden. „Diese und weitere Maßnahmen sind der Schlüssel, um den Standort für eine Raffinierung von Öl unabhängig von russischem Öl fit zu machen“, so Robert Habeck.
Der Bundeswirtschaftsminister sicherte den Menschen in Schwedt zu, dass auch in den kommenden Jahren Öl in Schwedt raffiniert wird, die Arbeitsplätze sicher seien und mit Investitionen in die Zukunft ein nachhaltiger Transformationsprozess in Gang gesetzt wird. Die Initiatorin der Demonstration und Moderatorin Konstanze Fischer reagiert prompt: „Diese Zusagen brauchen wir schriftlich“, um dann nach der öffentlichen Zusage, nachzulegen: „Herr Habeck, das hätte ich gerne auf die Hand!“ Hinter der Bühne bestätigte der Bundeswirtschaftsminister gegenüber der PCK-Betriebsratsvorsitzenden Simona Schadow die schriftliche Garantie für den Weiterbetrieb der Raffinerie auch nach Ende der russischen Öllieferungen und die Freigabe von Geldern für die Transformationsprojekte.
Ein „Daumen hoch“ gab es im Anschluss noch von Michael Kellner, Parlamentarischer Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium und Leiter der Taskforce zur Zukunft der PCK-Raffinerie. Die Taskforce trifft sich am 4. Juli zum zweiten Mal in Schwedt – Michael Kellner sagte zu, in einem Bürgergespräch im Anschluss über die Gespräche zu informieren. Die IGBCE wird am 4. Juli in Schwedt vertreten sein.