Vorsorge für den Pflegefall — und das per Tarif: Zum 1. Juli 2021 startete die neue Pflegezusatzversicherung CareFlex in der Chemieindustrie. Mit ihr geht die IGBCE einmal mehr neue Wege in der Tarifpolitik. Eine solidarische Lösung für ein großes und wichtiger werdendes Thema — alle profitieren.
Wenn Andrea Pichottka, Chefin der IG-BCE-Bonusagentur, die neue Pflegezusatzversicherung erklärt, tut sie das oft anhand eines Beispiels: Gerade 22 Jahre alt war die junge Frau, als sie sich einer ganz gewöhnlichen Zahn-OP unterzog – und aus der Narkose nicht mehr aufwachte. Seither liegt sie im Koma. "Pflegebedürftigkeit ist ein Thema, das nicht nur Ältere betrifft", sagt Pichottka. "Niemand wünscht sich so ein Schicksal, aber es kann passieren."
Der Fall mag extrem sein, aber er gibt zu denken: Was ist, wenn mir etwas passiert? Oder meinen Liebsten in der Familie? Es muss ja nicht gleich der allerschlimmste Fall eintreffen. Aber wenn ich eines Tages auf Hilfe angewiesen bin, vielleicht im Alter – reicht das Geld dann?
Nein, das tut es oft nicht. Es gibt zwar die gesetzliche Pflegeversicherung, aber ihre Leistungen reichen zum Beispiel bei stationärer Pflege üblicherweise nicht aus, um die Kosten zu tragen. Viele Betroffene kennen den Fall: Die Eltern kommen ins Heim, das Häuschen wird verkauft und der Ertrag schmilzt langsam dahin. Und eines Tages wird man vom Pflegefall zum Sozialfall. 40 Prozent aller stationär Pflegebedürftigen in Deutschland sind auf Sozialhilfe angewiesen. Die Statistik zeigt: Im Schnitt liegt die Lücke bei rund der Hälfte der Kosten. Pi mal Daumen kann man sagen: Wer ins Pflegeheim kommt, dem fehlen gut 2000 Euro. Jeden Monat. Da ist das Häuschen schnell weg.
Die Pflege ist damit auch ein großes gesellschaftliches Thema – und dieses Thema wird bedeutender. Die Zahl der Pflegefälle wird steigen, sagen die Prognosen, von derzeit 4,1 Millionen auf sechs Millionen im Jahr 2050. "Dieses Problem braucht eine Antwort", sagt Ralf Sikorski, stellvertretender Vorsitzender der IG BCE. "Unsere Antwort heißt CareFlex Chemie."
Ralf Sikorski ist oberster Tarifpolitiker der IG BCE, und gemeinsam mit Gewerkschafts-Aktiven, mit Betriebsräten, mit der Tarifkommission und mit der Arbeitgeberseite in der Chemieindustrie hat er eine Lösung ausgetüftelt, die nun ab 1. Juli startet. Alle Tarifbeschäftigten erhalten ab dann die neue Pflegezusatzversicherung CareFlex Chemie – als Tarifleistung, bezahlt von den Arbeitgebern. "Ich bin wirklich stolz auf das, was wir hier geschaffen haben", sagt Sikorski. CareFlex, das ist ihm wichtig, "ist eine solidarische Lösung". Alle Tarifbeschäftigten profitieren, "und zugleich stellen wir uns einem gesellschaftlichen Problem mit den Mitteln der Tarifpolitik".
Wie jede Versicherung muss man sich CareFlex als einen großen Topf vorstellen. In diesen Topf zahlen die Firmen für Beschäftigte pro Kopf 33,65 Euro im Monat. Wenn der Leistungsfall eintritt, wie es im Versicherungsdeutsch heißt, wenn also die Versicherten zum Pflegefall werden, erhalten sie in den Pflegegraden 2 bis 4 pro Monat 300 Euro bei ambulanter Pflege und 1000 Euro bei stationärer Pflege in den Pflegegraden 2 bis 5 – zusätzlich zur gesetzlichen Pflegeversicherung.
CareFlex Chemie bietet Möglichkeit, die Leistungen aufzustocken
Damit wäre schon mal rund die Hälfte der Lücke geschlossen. Damit man die andere Hälfte auch noch schließen kann, bietet CareFlex Chemie die Möglichkeit, die Leistungen aufzustocken. Versicherte zahlen einen unterschiedlich hohen Beitrag je nach Alter, die Versicherungshöhe können sie selbst bestimmen. Und: Sie können ihre Familienangehörigen mitversichern.
Bis es so weit sein konnte, war es für die Verantwortlichen in der IG BCE ein hartes Stück Arbeit. Einige Hürden mussten genommen werden, erläutert Christian Jungvogel, Leiter der Abteilung Tarifpolitik beim Hauptvorstand der IG BCE in Hannover. "Wir mussten Tarifrecht und Versicherungsrecht zueinander bringen, das war nicht so einfach", sagt er. Am Ende konnte die IG BCE dank ihrer Bonusagentur mit zwei renommierten Versicherungen einen Rahmenvertrag schließen.
Das Modell ist komplex, wie das bei Versicherungen nun mal so ist – es gibt unzählige Möglichkeiten, Leistungen für die Familienangehörigen aufzustocken. Deshalb rät die IG BCE allen Versicherten, eine kostenlose individuelle Beratung in Anspruch zu nehmen.
"Wir haben hunderte von Beraterinnen und Beratern am Start", erklärt Andrea Pichottka, "und sind auf alle Fragen vorbereitet".
Der Startschuss ist gefallen, schon Ende Juli fließt das erste Geld in den neuen Topf. Auf einen Schlag werden 435 000 Tarifbeschäftige in der Chemie gegen das Pflegerisiko zusatzversichert. Außerdem können die rund 145 000 außertariflichen Beschäftigten und leitenden Angestellten ebenso von CareFlex profitieren. Unternehmen können sie jeweils kollektiv anmelden – eine deutliche Mehrheit der Unternehmen hat das bereits getan.
"CareFlex Chemie ist ein echter Schritt nach vorne in der Tarifpolitik", sagt Sikorski. Das Modell, da ist er sich sicher, findet Nachahmer. "Wir gehen hier einen völlig neuen Weg. Andere werden folgen."
SO BERECHNEN SICH DIE BEISPIELE
Auf dieser Seite rechnen wir dir anhand von drei Beispielen vor, wie Chemie- und Pharma-Beschäftigte CareFlex nutzen können. Grundlage der Berechnungen sind die durchschnittlichen Pflegekosten je Bundesland. Die Berechnungen sind Durchschnittswerte und dienen lediglich als Orientierung. Den tat-sächlichen Bedarf ermittelst du in der Beratung.
Du kannst deine Absicherung flexibel wählen — entweder die volle Absicherung ambulant und stationär oder nur eine von beiden. Die Leistung im stationären Bereich kannst du in 100-Euro-Schritten wählen. Neben dem Alter ist auch eine Gesundheitsprüfung relevant.
Für deine eigene Aufstockung ist das nur eine Mini-Gesundheitsprüfung (bis Vollendung des 65. Lebensjahres, für aktive Mitarbeiter*innen der chemischen Industrie): Dafür musst du nur drei kurze Fragen beantworten — etwa zu Behinderungen, Operationen oder Vorerkrankungen (Schlaganfall etc.). Für Kinder und Partner gilt eine verkürzte Gesundheitsprüfung (bis Vollendung des 75. Lebensjahres), in der ausführlichere Fragen nach Behinderungen, OPs und mehr Vorerkrankungen anfallen. Für Eltern, Schwiegereltern und Enkel ist eine normale Gesundheitsprüfung (ohne Altersbeschränkung) notwendig, die die üblichen Fragen zu Vorerkrankungen umfasst.
Marita ist 30 Jahre alt und alleinerziehend. Sie hat einen fünfjährigen Sohn. Sie möchte ihre Pflegelücke verringern, sichert 1 000 Euro zusätzlich für die stationäre Pflege ab und verdoppelt das staatliche Pflegegeld für die ambulante Pflege. Dafür zahlt sie einen monatlichen Beitrag in Höhe von 19,19 Euro.
Ihr Sohn ist ihr wichtig, und sie sichert ihn mit der Schließung der gesamten Pflegelücke ab. Für ihren Sohn zahlt sie einen Beitrag in Höhe von 17,34 Euro pro Monat.
Jörg, 60 Jahre alt, wohnt in Schleswig-Holstein und möchte ebenfalls das ambulante Pflegegeld verdoppeln und die Pflegelücke im stationären Bereich schließen.
Nach Abzug der tariflichen Leistung zahlt er für die Aufstockung der ambulanten Pflege monatlich 26,60 Euro und die der stationären Pflege 32,72 Euro. Macht zusammen 59,32 Euro pro Monat. Für seine Enkelin, 14 Jahre alt, zahlt er 21,83 Euro monatlich dazu.
Frau M. lebt in Leverkusen, ist 40 Jahre alt und verheiratet. Ihr Ehepartner ist 45 Jahre alt. Sie haben zwei Kinder im Alter von sechs und zehn Jahren. Frau M. möchte die Pflegelücke komplett schließen.
Frau M. erhält aus dem Tarifvertrag 300 Euro für die ambulante Pflege in den Pflegegraden 2 bis 4 und 1 000 für die stationäre Pflege in den Pflegegraden 2 bis 5. Um die verbleibende Pflegelücke im stationären Bereich zu schließen, stockt Frau M. die stationäre Pflege in den Pflegegraden 2 bis 4 um weitere 1 300 Euro auf. Dafür zahlt sie einen monatlichen Beitrag von 22,10 Euro. Für die Verdoppelung des ambulanten Pflegegeldes (Pflegegrad 1 bis 4) zahlt sie 11,30 Euro im Monat. Macht zusammen 33,40 Euro.
Ihr Ehemann zahlt für die Schließung der stationären Pflegelücke monatlich 47,61 Euro und für die Verdoppelung des Pflegegeldes ambulant 32,50 Euro; gesamt 80,11 Euro. Für das Kind im Alter von sechs Jahren kostet diese Absicherung insgesamt 19,46 Euro im Monat. Für das zehnjährige Kind sind es 21,33 Euro.