IG BCE Landesbezirk Nordost

Virtuelles Zutrittsrecht

Wir haben den Anspruch, auch in Zeiten von Corona, wenn persönliche Treffen nicht realisierbar sind, bestmöglich den Kontakt zu unseren Mitgliedern und den Beschäftigten aufrechtzuerhalten. Welche Möglichkeiten in Anbetracht der rechtlichen Aspekte rund um das virtuelle Zugangsrecht möglich sind, erklärt Roland Gratzer, Gewerkschaftssekretär und Syndikusanwalt, IG BCE Halle-Magdeburg.

Justitia
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Eine vermutlich zu selten genutzte Idee liegt dem Urteil des Bundesarbeitsgerichts (BAG) vom 20. Januar 2009, 1 AZR 515/08, zugrunde. In dem Fall hatte das BAG zu entscheiden, ob einer tarifzuständigen Gewerkschaft das Recht zusteht, mit den Beschäftigten eines Unternehmens in Kontakt zu treten und hierzu ein vom Arbeitgeber bereitgestelltes E-Mail-System zu nutzen – auch unter Berücksichtigung des Umstandes, dass die Kontaktaufnahme zu Werbezwecken eingesetzt wird. Es ging in der Entscheidung also um ein virtuelles Zugangsrecht zum Betrieb.

Das BAG hatte sich bislang nur mit dem Recht der Gewerkschaften auf körperlichen Zugang zum Betrieb befasst und grundsätzlich den Anspruch bejaht (28. Februar 2006 – 1 AZR 460/04 – BAGE 117, 137). Dies wird auch für das virtuelle Zugangsrecht grundsätzlich in der hier angesprochenen Entscheidung aus dem Jahr 2009 insbesondere unter dem Gesichtspunkt der Mitgliederwerbung bejaht.
Die in Artikel 9 Absatz 3 GG geregelte Koalitionsfreiheit gewährleistet »jedermann« das Recht, zur Wahrung und Förderung von Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen Vereinigungen wie die IG BCE zu bilden. Diesem Recht müsse – so die Entscheidung aus 2009 – neben dem körperlichen Zutritt zum Betrieb auch hinsichtlich der modernen Kommunikationsmittel Rechnung getragen werden.

Die Entscheidung ist sachgerecht und betont den Verfassungsrang unserer Aufgabenstellung. Berechtigt ist die Entscheidung auch deshalb, weil ein virtueller Zugang zum Betrieb in der Regel nicht zu betrieblichen Ablaufstörungen führt. Eine adäquate Alternative des Zugangs zum Betrieb per E-Mail stellt auch ein virtuelles schwarzes Brett im betrieblichen Intranet dar. Hier könnte beispielsweise über die gewerkschaftliche Arbeit berichtet und geworben werden oder in Absprache mit den Arbeitgebern ein digitales schwarzes Brett direkt bedient werden, ein starkes Betätigungsfeld auch für Vertrauensleute.
Mit den Arbeitgebern werden wir an konkreten Beispielen Absprachen zur Umsetzung dieses Zugangsrechts treffen. Im Zweifel bliebe die Erwirkung im gerichtlichen Beschlussverfahren.