Pflegemodelle, Langzeitkonten und Digitalisierung: Generationsübergreifendes Denken besonders wichtig
Birgit Grunow (Foto), Fachsekretärin Gute Arbeit und Demografie im Landesbezirk Nordost, erklärt, wie wichtig es ist, dass sich alle Kolleg*innen mit diesen Fragen beschäftigen, um ein zukunftsfähiges Gesamtpaket erzielen zu können
Lange hat sich die Demografiefrage vor allem auf die älteren Beschäftigten konzentriert. Heute gilt es, die Unterschiedlichkeiten und Gemeinsamkeiten generationsübergreifend zu denken. Was genau ins Zentrum der Betrachtung gerückt werden und welche Aktivitäten diskutiert werden müssen, ist auf Basis einer fairen Sozialpartnerschaft zu realisieren.
Der demografische Wandel wirkt sich auf nahezu alle Bereiche in Wirtschaft und Gesellschaft aus. Wie bringt sich die Gewerkschaft aktiv in die Demografiefrage ein?
Birgit Grunow: Sie bringt sich bereits seit Jahren in diese Frage ein. Mit dem wegweisenden Demografie-Tarifvertrag in der Chemie 2008 haben wir ein Markenzeichen in der Tariflandschaft gesetzt, das auch von anderen Gewerkschaften und in anderen Branchen aufgenommen wurde. Lebensphasenorientierte Arbeitszeiten
und Langzeitkonten können für Beschäftigte aller Altersgruppen wichtig sein, egal ob für Qualifizierungsinteressen, Kinderbetreuung, Angehörigenpflege oder
ein Sabbatical zum Verwirklichen von Lebensträumen. Wir schaffen als Gewerkschaft tarifliche Spielräume, die dann bedarfsgemäß und passgenau von den Betriebsparteien für ihre Beschäftigten ausgestaltet werden können.
Bisher hat sich die Demografiefrage vor allem auf die älteren Beschäftigten konzentriert. Welche Themen werden uns in Zukunft wichtig sein?
Birgit Grunow: Es ist ja meistens so, dass einem ein Thema erst so richtig bewusst wird, wenn man direkt davon betroffen ist. Aber es ist so wichtig, bereits jüngere Kolleg*innen dafür zu sensibilisieren, gesund durchs Arbeitsleben zu kommen. Die demografische Situation führt dazu, dass schon heute Fachkräfte in den Unternehmen
fehlen. Arbeitsdruck und Arbeitsverdichtung werden dadurch immer größer. Sonderschichten und Mehrarbeit sind an der Tagesordnung und die psychische Belastung am Arbeitsplatz nimmt zu. Und nicht erst durch Corona ist deutlich geworden, wie wichtig es ist, Qualifizierung tariflich zu fördern, um für die Herausforderungen und Veränderungen durch die Digitalisierung gewappnet zu sein.
Welche Rolle spielen dabei Haustarifverträge? Und wie erreichten Euch die Botschaften der Beschäftigten?
Birgit Grunow: Die Botschaften erreichen uns vorwiegend über die Betriebsräte und Funktionäre. Das Thema Demografie in alle Köpfe, wirklich in alle: In die der Beschäftigten – es geht um ihre Zukunft. In die der Arbeitgeber – es geht um ihre Wirtschaftlichkeit, denn Personalbindung kann nur durch zunehmende Attraktivität der Arbeitsplätze gesichert werden kann. Große Flächentarife wie Chemie und Papier machen ja vor, wie es funktionieren kann. Aber wir haben in unserem Landesbezirk auch zahlreiche Betriebe mit Haustarifverträgen. Und wenigstens eine betriebliche Altersvorsorge, die ja auch noch staatlich gefördert wird, sollte für die Beschäftigten aller Unternehmen, auch der kleineren, Standard sein. Denkbar sind auch betriebliche Ergänzungen zur Krankenversicherung oder zur Pflegeversicherung. Der Spruch
»heute schon an morgen denken « ist zeitlos. Das, was heute zukunftsgerecht tariflich verhandelt werden kann, werden unsere Mitglieder morgen dankbar nutzen können.
Interview: Karin Aigner