IG BCE Landesbezirk Nordost

Änderungen zur Betriebsratswahl Wahlrecht 2022

Betriebsratswahlen 2022 und Änderungen im Wahlrecht durch das Betriebsrätemodernisierungsgesetz.

Roland Gratzer
Foto: © Archiv

Seit Juni 2021 ist das Betriebsrätemodernisierungsgesetz in Kraft getreten und daraus resultieren einige wichtige Details. Gleichwohl ist die Wahlordnung für die Betriebsratswahlen bisher noch nicht angepasst,
warten wir hier also erst einmal die Entscheidungen über den Verordnungsentwurf aus dem Bundesministerium ab.
Ein kleiner Überblick zu den Änderungen nach dem Betriebsrätemodernisierungsgesetz.

1. Wahlalter
Ab sofort können Beschäftigte mit Vollendung des 16. Lebensjahrs mitwählen. Wer sich allerdings als Betriebsratsmitglied wählen lassen will, muss immer noch das 18. Lebensjahr vollendet haben (§§ 7, 8
BetrVG).

2. Erweiterung des vereinfachten Wahlverfahrens (§ 14a BetrVG)
Das vereinfachte Wahlverfahren, das sich durch kürzere Fristen und weniger Formalien auszeichnet, soll in mehr Betrieben Anwendung finden. Wo es also nur bis zu 100 Beschäftigte gibt, muss das vereinfachte Verfahren angewandt werden. In Betrieben ab 101 bis 200 Beschäftigte können Wahlvorstand und Arbeitgeber das vereinfachte Wahlverfahren vereinbaren – als Alternative zum normalen Wahlverfahren.

3. Stützunterschriften (§ 14 Abs. 4 BetrVG)
Bei der Sammlung von Stützunterschriften für die Kandidaten gibt es jetzt Vereinfachungen:
– Bis 20 Beschäftigte sind Stützunterschriften nicht mehr notwendig.
– Zwischen 20 und 100 Wahlberechtigten erfolgt eine pauschale Absenkung auf mindestens zwei Stützunterschriften.
– In Betrieben mit 21 bis 100 Wahlberechtigten ist für Vorschläge, die erst auf der Wahlversammlung gemacht werden, keine Schriftform mehr erforderlich. Die erforderliche Unterstützung eines Wahlvorschlags kann in diesem Fall per Handzeichen erfolgen.

4. Anfechtungsrecht der Betriebsratswahl (§ 19 Abs. 3 BetrVG)
Die Rechtssicherheit soll für Betriebsratswahlen erhöht werden, daher ist eine einschränkende Anfechtungsmöglichkeit geregelt worden, die eine Anfechtung in folgenden Fällen nicht mehr ermöglicht:
– Beschäftigte können nicht anfechten, wenn die Anfechtung auf der Unrichtigkeit der Wählerliste beruht und kein Einspruch gegen die Richtigkeit der Wählerliste eingelegt wurde, es sei denn der oder die Wahlberechtigte ist verhindert (beispielsweise wegen Krankheit).
– Der Arbeitgeber kann nicht mehr wegen Unrichtigkeit der Wählerliste anfechten, wenn diese auf seinen  eigenen Angaben beruht.

5. Kündigungsschutz (§ 15 Abs. 3a KSchG)
Durch die Änderung des Kündigungsschutzgesetzes erhalten die Initiatoren einer Betriebsratswahl bereits im Vorfeld erstmals einen speziellen befristeten Kündigungsschutz vor personen- und verhaltensbedingten ordentlichen Kündigungen, wenn sie eine öffentlich beglaubigte Erklärung abgegeben haben, dass sie einen Betriebsrat gründen möchten und auch entsprechende Vorbereitungshandlungen dafür unternommen haben.
An der Einführung dieser Regel hat sich die IG BCE, insbesondere der Bezirk Halle-Magdeburg, beteiligt bzw. im Vorfeld der gesetzlichen Änderung seine praktischen Erfahrungen und speziellen Kenntnisse eingebracht. Gerade das zarte Pflänzchen der Gründung eines Betriebsrates im Vorfeld ist bis zur gesetzlichen Änderung völlig ungeschützt gewesen. In § 1 BetrVG ist das gesetzliche Selbstverständnis zum Ausdruck gebracht, dass in Betrieben mit in der Regel mindestens fünf ständigen wahlberechtigten Arbeitnehmern, von denen drei wählbar sind, Betriebsräte gewählt werden. Folglich sind diejenigen zu schützen, die sich aus „der Deckung begeben“ und bereit sind, offen für die Interessen der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ihres Betriebes einzutreten. Das, was an sich als rechtliche Selbstverständlichkeit erscheint, ist nicht selten bei feindlich eingestellten Arbeitgebern ein Wagnis. Folglich ist es auch nur richtig, wenn mit unserer Unterstützung rechtliche Grundlagen geschaffen werden können, die eine Gefahr des Scheiterns einer Betriebsratswahl und insbesondere die Gefahr für Initiatoren einer solchen Wahl minimiert werden.
Gleichwohl waren unsere Vorschläge zum Schutz von Initiatoren und Wahlbewerbern weitergehender, sodass das Betriebsrätemodernisierungsgesetz auch an dieser Stelle noch Luft gehabt hätte. Den noch ist ein guter Schritt in die richtige Richtung erfolgt.