Der Norden steht auf: Hunderte Beschäftigte der norddeutschen Papierindustrie sind in den vergangenen Tagen vor die Werkstore gezogen, um der Arbeitgeberseite für die am Freitag anstehende, dritte Tarifrunde Dampf zu machen und ihrer IGBCE Verhandlungsdelegation den Rücken zu stärken.
"Wir fordern von den Arbeitgebern, endlich ein faires Angebot vorzulegen“, rief Holger Jelinski vor rund 100 Beschäftigten der Papier- und Kartonfabrik Varel (PKV), die sich trotz schlechten Wetters vor dem Werkstor versammelt hatten. Lautstark unterstützten sie die Forderungen ihrer Tarifkommission für die dritte Verhandlungsrunde am Freitag im hessischen Sulzbach. „Wir brauchen eine Erhöhung der Entgelte in Form eines tabellenwirksamen Festbetrags“, so Holger Jelinski, der seine Kolleg*innen in der Bundestarifkommission vertritt. „Nur darüber wird sich die Schere zwischen Gutverdienern und den niedrigeren Lohngruppen verringern.“ Zusätzlich fordert er die Erhöhung des Schichtzuschlags für die Beschäftigten in Vollkonti. „Ihr sollt gesund in die Rente gehen. Nur mit einem guten Lohn sind die Kollegen in der Lage, einen finanziellen Puffer aufbauen, um notfalls auch früher in Rente gehen zu können.“ Ein fairer Lohn sei zudem die einzige Möglichkeit, den Beruf des Schichtarbeiters attraktiv zu halten.
Das sei auch dem Arbeitgeber bewusst, stellte Meike Kempermann fest. „Unsere Geschäftsführung ist an einem guten Abschluss interessiert“, so die Betriebsratsvorsitzende. Die Papierfabrik mit rund 600 Beschäftigten sei gut durch die Corona-Pandemie gekommen. Denn sie stellt Verpackungen her, - und die Nachfrage ist mit dem Boom des Versandhandels enorm angestiegen. Doch für eine Erweiterung der Produktion braucht es Fachkräfte, und die sind rar in Friesland.
Jan Haupt gehört zu den 350 Mitarbeitenden in der Produktion. „Als ich hier vor Jahren anfing, war der Job lukrativ“, berichtet er. „Die Lohnzuwächse waren seitdem nicht groß. Es wird schwerer, eine Familie zu versorgen. Das hat sich mit der Inflation und den hohen Spritpreisen weiter verschärft.“ Wie seine Kollegen in der Schicht sieht er junge Kollegen kommen, und dann wieder gehen. „Sie möchten mehr Freizeit und freie Wochenenden“, hat er beobachtet. Viele wechselten in die Tagschichten anderer Unternehmen außerhalb der Branche. Jan Haupt ist sicher: Die Abwanderung der Schicht-Fachkräfte lässt sich nur durch eine bessere Bezahlung verhindern. „Wenn wir es jetzt verpennen, unsere Löhne an die in anderen Branchen üblichen anzugleichen, ist die Papierindustrie in Deutschland bald tot“, brachte es der Vorsitzende der Vertrauensleute Sascha Büschleb auf den Punkt.