„Die Zukunft wird der Mix sein,“ das sagt Dieter Keller, Betriebsratsvorsitzender von TotalEnergies. Mit dem ehemaligen Mineralöl- und heutigen Multi-Energie-Konzern startet die IG BCE in Berlin-Mark Brandenburg ihre Reihe zu Wasserstoff als Energieform der Zukunft.
Lieber Dieter, Wasserstoff (H2) ist laut Deinen Worten für drei große Bereiche interessant: in der Mobilität, der chemischen Industrie und als Energiespeicher. In welchen von diesen drei Bereichen treibt TotalEnergies die Entwicklung mit voran?
Wir sind in der Mobilität und in der Chemie dabei. Bei der Energiespeicherung nicht, da die verfügbaren Mengen noch zu klein sind. In der Mobilität sind wir von Anfang an Teil des Verbunds H2 Mobility Deutschland. Wir sind schon sehr früh Kooperationen mit Autoherstellern eingegangen. Die Entwicklung ist in diesem Bereich ein Zusammenspiel von vielen Akteuren.
Und in der Chemie – wie sieht es da aus?
In der Chemie steht unsere Raffinerie in Leuna im Vordergrund. Dort produzieren wir seit langem Wasserstoff. Die Chemie braucht Wasserstoff für viele technische Prozesse, unter anderem für die Herstellung von Salzsäure und Ammoniak. Nun müssen wir aber die Art der Herstellung unterscheiden: Es gibt den sogenannten „grauen Wasserstoff“. Er wird aus Erdgas gewonnen, dabei wird CO2 freigesetzt. Wenn ich das CO2 abscheide und speichere, spricht man von „blauem Wasserstoff“. Der Wasserstoff, der für die Energiewende gebraucht wird, ist „grüner Wasserstoff“. Also Wasserstoff, der mit Strom aus Erneuerbaren Energien erzeugt wird. Man muss dazu wissen, dass die Wasserstoff-Produktion aus Strom sehr energieintensiv ist.
Produziert TotalEnergies auch grünen Wasserstoff?
Bislang vor allem in Pilotprojekten und in Kooperationen mit regionalen Windparks, zum Beispiel bei unserer Multi-Energie-Tankstelle am Flughafen BER.
Stichwort Multi-Energie-Tankstelle in Schönefeld: Dort kann ich Brennstoffzellen-Fahrzeuge mit Wasserstoff betanken. Wie sind Eure Erfahrungen damit?
Mit der Multi-Energie-Tankstelle zeigen wir, dass der Einsatz von Wasserstoff-Fahrzeugen in der Praxis funktioniert. Über die Kooperation mit einem regionalen Windparkbetreiber erzeugen wir am BER durch Elektrolyse grünen Wasserstoff und stellen ihn vor Ort für die Mobilität zur Verfügung. Technisch ist also alles machbar. Die Frage ist, was politisch gewollt ist. Grundsätzlich geht es im PKW-Bereich hin in Richtung Batterie. Anders sieht es im Schwerlastverkehr aus. Hier zeichnet sich auch Wasserstoff als Energieform für die CO2-neutrale Mobilität ab.
Warum dieser Unterschied?
Die Energieeffizienz batteriebetriebener PKW ist viel höher als bei einem Antrieb mit Wasserstoff. Das Bild wandelt sich, wenn ich große Lasten über weite Strecken transportieren muss. Die Batterie, die es dafür bräuchte, wäre viel zu schwer. TotalEnergies ist in Kooperation mit Fahrzeugherstellern dabei, die Wasserstoff-Technologie für den Schwerlastverkehr weiter zu entwickeln. Unter anderem schaffen wir Hochleistungs-Wasserstofftankstellen.
Gibt es Sicherheitsbedenken gegenüber dem Wasserstoff-Antrieb von Fahrzeugen? Es ist immerhin ein hochentzündliches Gas.
Die Technologie, die heute im Einsatz ist, ist ausgereift. Die Sicherheitsanforderungen bei Wasserstoff-Fahrzeugen sind zudem noch höher als bei PKW mit Erdgas-Antrieb. Und die Sicherheit an den Tankstellen ist viel höher als bei normalen Sprit-Zapfsäulen. Was noch offen ist, sind die Standards. Ob man künftig flüssigen oder gasförmigen Wasserstoff tanken wird. Da ist noch unklar, wohin die Reise geht.
Ist die Umstellung auf Wasserstoff als Energieform eine Chance oder eher ein Risiko für die Arbeitsplätze?
Zunächst einmal wird Wasserstoff nie die alleinige Energieform der Zukunft sein – bei TotalEnergies nicht und auch grundsätzlich. Die Zukunft wird der Mix sein. Und ja, ich sehe in dieser Entwicklung eine Chance, viele Arbeitsplätze zu erhalten. Unser Unternehmen ist in der gesamten Wertschöpfungskette drin, von der Produktion über die Logistik bis zum Vertrieb und den Tankstellen. Aber noch einmal: Wichtig sind jetzt belastbare politische Rahmenbedingungen, damit die Unternehmen Planungssicherheit haben und wirklich investieren.
Interview: Susanne Schneider-Kettelför