rbb-Bürgertalk

Gefühlslage in Schwedt spitzt sich zu

Der rbb-Bürgertalk „Wir müssen reden“ hat am Dienstag, den 30. August, die aufs äußerste angespannte Gefühlslage in der Stadt Schwedt offen zu Tage treten lassen. Von Seiten der IGBCE machte Bezirksleiter Rolf Erler die gewerkschaftlichen Forderungen für die Zukunft der PCK-Raffinerie deutlich. Und auch der stellvertretende JAV-Vorsitzende der PCK, Daniel Dost, hatte einen beeindruckenden Auftritt.

Brandenburg aktuell - Bürgertalk
Foto: © Susanne Schneider-Kettelför

Der Bürgertalk des Rundfunk Berlin-Brandenburg (rbb) direkt aus dem Zentrum der Stadt Schwedt startete hochturbulent mit vielen Zwischenrufen und emotionalen Äußerungen aus dem Publikum. Das lag wohl mit an der umstrittenen Ausgangsfrage, unter die der rbb seine Live-Sendung gestellt hatte: „Russland-Sanktionen wichtiger als Arbeitsplätze?“

Arbeitsplätze und Sanktionen nicht gegeneinander ausspielen

Diese Frage ließ der brandenburgische Wirtschaftsminister Jörg Steinbach als einer der Gäste auf dem Podium nicht unkommentiert stehen, als er betonte: „Wir dürfen Arbeitsplätze und Sanktionen nicht gegeneinander ausspielen. Ich komme aus der Wissenschaft, und in der Wissenschaft gibt es logische Verknüpfungen. Die wertvollste dieser Verknüpfungen ist das ‚und‘. Es geht also darum, dass wir solidarisch innerhalb von Europa handeln und gleichzeitig dafür sorgen, dass die Arbeitsplätze nicht verloren gehen.“

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Jörg Steinbach, brandenburgischer Wirtschaftsminister: Arbeitsplätze und Sanktionen nicht gegeneinander ausspielen.

Foto: © Susanne Schneider-Kettelför

Wirtschaftsminister Steinbach wehrte zugleich den Vorwurf ab, Deutschland hätte im Alleingang ein Embargo gegen russisches Pipeline-Öl beschlossen: „Die Europäische Gemeinschaft sichert uns allen eine Ordnung, die uns lieb und teuer geworden ist. Der Krieg Russlands gegen die Ukraine ist auch ein Angriff auf diese Ordnung. Deshalb müssen wir in der Gemeinschaft reagieren – und genau das hat die Bundesregierung getan. Ich persönlich hätte es als einen moralischen und ethischen Kotau angesehen, wenn sich Bundeskanzler Olaf Scholz angesichts der Embargo-Entscheidung in Brüssel in eine gemeinsame Opposition mit dem ungarischen Regierungschef Viktor Orban gestellt hätte.“

Die Bundespolitik muss jetzt Lösungen für Schwedt präsentieren!

Die Sorge der Bürgerinnen und Bürger vor dem näher rückenden Öl-Embargo war beim Bürgertalk greifbar. Viele Schwedter befürchten mit der Kappung der Druschba-Pipeline zum Ende dieses Jahres massive Auswirkungen auf den Weiterbetrieb der PCK-Raffinerie. Schriftliche Garantien der Bundesregierung für den Erhalt der Arbeitsplätze, wie sie auch die Gewerkschaft IGBCE seit Monaten einfordert, liegen weiterhin nicht vor.

Rolf Erler, Bezirksleiter der IGBCE, bekam von allen Seiten Zustimmung, als er diese Garantien unmissverständlich einforderte: „Es müssen jetzt zeitnah Wege aufgezeigt und verbindlich festgelegt werden, wie es hier ab dem 1. Januar 2023 weitergeht. Die Menschen müssen jetzt die Gewissheit bekommen: Es wird für uns hier in Schwedt gesorgt. Keiner darf auf der Strecke bleiben – weder die Beschäftigten im Unternehmen PCK noch die Menschen in der Region!“ 

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Rolf Erler, Bezirksleiter der IGBCE: Die Politik muss jetzt Lösungen für die Menschen in Schwedt präsentieren!

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Rolf Erler betonte, dass gleichzeitig mit der Lösung der aktuellen Krise die mittel- und langfristige Zukunft der PCK-Raffinerie im Blick sein müsse.

Appell an die jungen Menschen: Bleiben Sie da!

Daniel Dost, stellvertretender Vorsitzender der Jugend- und Auszubildenden-Vertretung bei der PCK, vertrat im rbb-Bürgertalk die jungen Menschen in der Region.

Porträtfoto Daniel Dost

Daniel Dost, PCK-Azubi im dritten Lehrjahr: Die PCK-Raffinerie ist für die Region eine große Chance. Ich kann mir die Uckermark gar nicht ohne das Unternehmen vorstellen.

Foto: © Susanne Schneider-Kettelför

Er ist selbst Auszubildender im 3. Lehrjahr im Beruf Chemikant. Man hätte eine Stecknadel auf dem großen Platz der Live-Sendung fallen hören können, so leise war es, als er konzentriert und eindrucksvoll seine Frage an die anwesenden Politiker vortrug: „Zum 1. September beginnen 25 junge Menschen ihre Ausbildung in verschiedenen Berufen in der PCK. Was geben Sie diesen jungen Leuten mit? Was versprechen Sie Ihnen?“

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Daniel Dost, stellv. JAV-Vorsitzender bei der PCK: Was sagen Sie als Politiker, die Entscheidungen treffen, zu den jungen Menschen in Schwedt?

Foto: © Susanne Schneider-Kettelför

Es war eine Frage, auf die umgehend der Vertreter der Bundesregierung, Michael Kellner, reagierte. Der Parlamentarische Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium und Leiter der Bund-Länder-Projektgruppe (Taskforce) Schwedt richtete sich an Daniel Dost und seine Kolleginnen und Kollegen: „Meine Bitte ist: Bleiben Sie da! Wir brauchen in Schwedt, in der Uckermark, gut ausgebildete Fachkräfte. Wir haben die Chance, auf dem Gelände der Raffinerie neue Geschäftsfelder zu erschließen – gerade mit den jungen Leute, mit neuen Ideen. Ich bin mir sicher, dass die Azubis, die jetzt anfangen, hier in drei Jahren gut bezahlte Jobs haben werden, wenn sie es wollen.“

Michael Kellner sicherte in der Sendung mehrfach den Erhalt der PCK-Raffinerie zu: "Es wird auch im nächsten Jahr hier Rohöl verarbeitet werden. Es wird kein russisches Rohöl sein, aber es wird Rohöl verarbeitet."

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Michael Kellner, Parlamentarischer Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium: Es wird auch im nächsten Jahr in Schwedt Rohöl verarbeitet werden.

Foto: © Susanne Schneider Kettelför

An der PCK entscheidet sich die Solidarität mit der Ukraine

In die Sorge vieler Menschen im Publikum um die eigene Existenz mischten sich im rbb-Bürgertalk immer wieder lautstarke Aggressionen gegen die politisch Handelnden.

Anis Ben-Rhouma, Gewerkschaftssekretär im Bezirk Berlin-Mark Brandenburg, hat erst vor kurzem gemeinsam mit Bezirksleiter Rolf Erler in einer ausführlichen Abhandlung die Positionen der IGBCE für die anstehenden Veränderungen in Schwedt dargelegt. Der Artikel „Doppelte Zeitenwende in der Uckermark“ wurde auf dem Online-Portal der Zeitung „Der Freitag“ veröffentlicht.

Eine der Thesen im Artikel: Auch mit der Zukunft für die PCK entscheidet sich, ob die langfristige Solidarität der deutschen Bevölkerung mit der Ukraine aufrechterhalten werden kann.

Raffinerie in Schwedt: Doppelte Zeitenwende in der Uckermark, von Anis Ben-Rhouma und Rolf Erler

rbb-Bürgertalk "Wir müssen reden" am 30. August 2022 in Schwedt 


Artikel zum rbb-Bürgertalk: Susanne Schneider-Kettelför