1890-1945

Von den Gründungen bis zum Zweiten Weltkrieg

Im Januar 1920 zogen mehr als 100000 Beschäftigte vor den Reichstag

Im Januar 1920 zogen mehr als 100000 Beschäftigte vor den Reichstag. 

Foto: © imago images / United Archives International

Die industrielle Revolution im Deutschland des 19. Jahrhunderts bewirkte grundlegende Umbrüche, das Land entwickelt sich vom Agrar- zum Industriestaat. Arbeiter und ihre Familien gehören zu den Verlierern: Überlange Arbeitszeiten, schlechte Löhne, schlechte Wohnverhältnisse, oft auch Hunger bestimmen den Alltag. Das preußische Dreiklassenwahlrecht schloss sie nahezu von politischer Beteiligung aus. Frauen durften grundsätzlich nicht wählen. Eine ungerechte Klassengesellschaft.  

Besonders krass waren die Umwälzungen für den Bergmannsstand. Bislang durch staatliche Privilegien geschützt und von besonderem Berufsstolz geprägt, wurden die stolzen Knappen per Gesetz von heute auf morgen zu rechtlosen Industriearbeitern. Facharbeiter anderer Branchen betrachteten die Beschäftigten in der gerade entstehenden chemischen Industrie mit Argwohn bis Ablehnung, weil sie „nur angelernt“ waren. Eine Mitgliedschaft in einer der damaligen Gewerkschaften blieb ihnen verwehrt. 

Es ging um menschenwürdiges Leben, die Anerkennung ihrer harten Arbeit in den Betrieben und die die bislang diskriminierte Stellung in der Gesellschaft. Die Antwort darauf:  Solidarität, Zusammenhalt, gemeinsame Aktionen. Moderne Gewerkschaften entstehen: In den 60er und 70er Jahren die Vorläufer der Gewerkschaft Leder, 1890 auf reichsweiter Ebene der „Alte Verband“ der Bergleute sowie der „Fabrikarbeiterverband“ in der chemischen Industrie. Er nahm - äußerst ungewöhnlich für die damalige Zeit – den Begriff Frauen in seinem Namen auf, und war 1927 die erste Gewerkschaft mit einem eigenen Frauenreferat. 

Trotzdem: Es dauerte noch Jahrzehnte, bis sich die soziale Lage grundlegend verbesserte. Die Unternehmen – gerade im Bergbau und der Chemieindustrie - weigerten sich, überhaupt mit den Gewerkschaften zu sprechen. Erst die katastrophale Lage im Ersten Weltkrieg sorgte dafür, dass sich die Unternehmer mit den Gewerkschaften an einen Tisch setzen mussten. Alles andere als freiwillig. Sozialpartnerschaft? Das kannte man nicht. 

Mit der Niederlage im Ersten Weltkrieg änderte sich das politische System. Aus einer Monarchie sollte eine Demokratie nach westlichem Vorbild entstehen.  Radikale von links und rechts bekämpften sie, oft mit brutaler Gewalt.  Die politische Arbeiterbewegung spaltete sich in Sozialdemokraten und Kommunisten. Die ideologischen Unterschiede waren zu groß. Eine andere Trennlinie: Im Bergbau bestanden drei Gewerkschaften: der „freie“ Alte Verband, eine christliche und anfangs noch eine polnische Gewerkschaft. Nichts mit „Einigkeit macht stark“. Und immer noch besaßen Arbeiter und Angestellte unterschiedliche Organisationen. 

Die ersten Nachkriegsregierungen unter sozialdemokratischer Beteiligung stärkten die gerade entstandenen Betriebsräte und schufen die ersten Formen der Unternehmensmitbestimmung. Doch die für manche angeblich so „Goldenen Zwanziger“ endeten in Weltwirtschaftskrise, Massenarbeitslosigkeit und persönlicher Armut. Das und die Uneinigkeit in Politik und Gesellschaft trugen wesentlich zur Machtübernahme 1933 durch die Nazis bei. Die Gewerkschaften wurden verboten, Funktionäre ins KZ gesperrt, einige gar ermordet. Am Ende stand der Zweite Weltkrieg.