Das Bundesarbeitsgericht hat ein Grundsatzurteil zum Thema Urlaub und Kurzarbeit gefällt: Der Urlaubsanspruch von Beschäftigten kann unter bestimmten Umständen wegen Kurzarbeit gekürzt werden.
Millionen Beschäftigte waren während der Corona-Krise in Kurzarbeit, aktuell sind es immer noch hunderttausende Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Lange war juristisch ungeklärt, was mit ihrem Urlaubsanspruch passiert. Jetzt hat das Bundesarbeitsgericht ein Grundsatzurteil in dieser Frage gefällt: Der Urlaubsanspruch kann bei der sogenannten Kurzarbeit Null anteilig gekürzt werden. DGB-Vorstandsmitglied Anja Piel sprach nach dem Urteil von einem „bitteren Tag für viele Beschäftigte“.
Hintergrund für die Entscheidung war die Klage einer Verkäuferin aus Nordrhein-Westfalen, die gegen die Kürzung ihres Urlaubsanspruchs vorging: Die 49-Jährige arbeitete regulär drei Tage wöchentlich als Verkaufshilfe mit Backtätigkeit bei der beklagten Firma. Daraus ergibt sich ein gesetzlicher Urlaubsanspruch von 14 Arbeitstagen pro Jahr. Im April, Mai und Oktober 2020 allerdings war sie „vollständig“ von der Arbeitspflicht befreit und arbeitete angesichts von Lockdown und Corona-Beschränkungen gar nicht – die sogenannte Kurzarbeit Null. Im November und Dezember 2020 arbeitete sie insgesamt an fünf Tagen.
Der Arbeitgeber nahm eine Neuberechnung des Urlaubs vor und kürzte den Anspruch für 2020 von 14 auf 11,5 Arbeitstage. Dagegen wehrte sich die Klägerin: Kurzarbeitsbedingt ausgefallene Arbeitstage müssten urlaubsrechtlich wie Arbeitstage gewertet werden, ihr stünden weitere 2,5 Urlaubstage zu, argumentierte sie, unterstützt vom DGB-Rechtsschutz, der das Verfahren von Gewerkschaftsseite begleitete.
Das Bundesarbeitsgericht wies die Klage zurück und schloss sich damit den Vorinstanzen an. „Fallen aufgrund von Kurzarbeit einzelne Arbeitstage vollständig aus, ist dies bei der Berechnung des Jahresurlaubs zu berücksichtigen“, heißt es in der Pressemitteilung des Bundesarbeitsgerichts zur Entscheidung des 9. Senats „Der kurzarbeitsbedingte Ausfall ganzer Arbeitstage rechtfertigte eine unterjährige Neuberechnung des Urlaubsanspruchs.“
IGBCE-Justiziar Peter Voigt sagte dazu: „Wir haben als IGBCE immer eine andere Rechtsauffassung vertreten.“ Auch DGB-Vorstandsmitglied Anja Piel kritisierte das Urteil: Aus Sicht der Gewerkschaften sei es eine ebenso „unverständliche wie enttäuschende Entscheidung, da sie die Lasten der Pandemie auf die Beschäftigten abwälzt.“ Wer während der Pandemie in Kurzarbeit gewesen sei, hätte sich täglich dafür bereit halten müssen, wieder zur Arbeit bestellt zu werden. „Pandemiebedingte Kurzarbeit ist also keine planbare Auszeit, die wie Erholung wirkt. Diese Besonderheit hat das Bundesarbeitsgericht bei seinem Urteil nicht berücksichtigt.“
Es sei nun wichtig, „die Betriebsräte dahingehend zu sensibilisieren, dass in Betriebsvereinbarungen zur Kurzarbeit – wenn möglich – die Kürzung des Urlaubsanspruchs ausdrücklich auszuschließen ist“, empfiehlt Isabel Eder, die für Mitbestimmungsfragen zuständige Abteilungsleiterin der IGBCE.