1941–1950

Neuanfang, Stunde null

Der Zweite Weltkrieg ist zu Ende – seine schreckliche Bilanz: Allein in Europa hat es 36 Millionen Tote gegeben, 6 Millionen Juden sind ermordet, 30 Millionen Flüchtlinge haben ihre Heimat verloren. Deutschland liegt in Schutt und Asche. Vor Ort startet der Wiederaufbau der Gewerkschaften.

Das Parlament der Arbeit beschließt die Gründung des DGB.

Das Parlament der Arbeit beschließt die Gründung des Deutschen Gewerkschaftsbundes

Foto: © IG BCE Archiv

Die Stunde null – Deutschland nach dem Ende des Weltkriegs 1945: Wohnungen, Häuser und Werkanlagen sind zerstört. Lebensmittel sind knapp und teuer, Brennstoffe zum Heizen Mangelware. Wie prekär die Situation im Nachkriegsdeutschland ist, machen Streiks und Hungermärsche deutlich: Etwa neun Millionen Menschen nehmen daran teil. Vor Ort stehen Betriebsräte und Gewerkschafter ihren Kolleginnen und Kollegen zur Seite. Sie helfen bei der Wohnungs- und Arbeitssuche, versuchen die Lebensmittelversorgung für die Arbeiterinnen und Arbeiter zu verbessern und wenden sich energisch gegen Demontagen, die den Wiederaufbau der deutschen Wirtschaft verhindern.

Weltanschaulich ungebunden

Der Kontrollrat der Alliierten erlässt in den Westzonen ein Betriebsrätegesetz, das über die Regelungen von 1920 und selbst über die von 1970 hinausgeht. Doch die Siegermächte dämpfen anfangs den politischen Willen zum Aufbau starker Gewerkschaften. Sie stehen zentralen Organisationen wie den Gewerkschaften noch skeptisch gegenüber. Davon lassen sich erfahrene Gewerkschaftler aber nicht bremsen. Sie treffen sich, zum Teil an den Kontrollbehörden vorbei, um wieder richtige Gewerkschaften zu gründen, und ziehen dabei ihre Konsequenzen aus den Erfahrungen der Weimarer Republik: Statt politisch oder konfessionell geprägter Gewerkschaften soll es jetzt eine weltanschaulich ungebundene Einheitsgewerkschaft geben: Miteinander statt gegeneinander lautet die politische Devise, als es um den Wiederaufbau geht.

Die Zeit verlangt einen anderen Namen

Am 8. Dezember 1946 treffen sich in Herne 324 Delegierte als Vertreter von 320.000 Bergleuten aus Westfalen, Nordrhein und Niedersachsen, um den Industrieverband Bergbau für die britische Zone zu gründen. Am 17. Dezember versammeln sich in Harburg dann 105 Delegierte der 110.000 Arbeitnehmer aus der chemischen, papiererzeugenden und keramischen Industrie, um den Industrieverband Chemie, Papier, Keramik zu schaffen. Dabei geht es auch um Neues, Wegweisendes: Otto Adler, der erste Nachkriegsvorsitzende der IG Chemie, wendet sich bewusst gegen den Vorschlag, die Gewerkschaft wieder „Verband der Fabrikarbeiter“ zu nennen. Er sieht, „dass die neue Zeit etwas anderes verlangt“. Sein Hauptargument: „Wir wollen unserer Organisation den Namen ‚Industrieverband Chemie, Papier, Keramik‘ geben und bringen damit zum Ausdruck, dass die Angestellten und Arbeiter einer Industrie in diesen Verband gehören.“

Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB)

Zur Jahresmitte 1946 treffen sich Gewerkschafter der vier Besatzungszonen in Frankfurt, um über eine gemeinsame gewerkschaftliche Dachorganisation, also eine Einheitsgewerkschaft, zu beraten. Doch von Monat zu Monat wächst die ideologische Distanz zwischen den gewerkschaftlichen Vertretern der drei Westzonen und denen der sowjetischen Besatzungszone. Eine Einheitsgewerkschaft kommt nicht zustande. Drei Jahre später werden die Bundesrepublik Deutschland und die DDR gegründet. Im selben Jahr, 1949, kommen am 13. Oktober in München 487 Delegierte aus 16 Gewerkschaften zusammen. Das „Parlament der Arbeit“ vertritt fünf Millionen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und hebt den Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) aus der Taufe. Der erste Vorsitzende der neuen Einheitsgewerkschaft DGB wird Hans Böckler.

1951–1960: Mitbestimmung im Wirtschaftswunderland