Kunststoffverarbeitende Industrie

Von Haushalt bis Hightech

Für die Kunststoffverarbeiter war 2020 ein schwieriges Jahr. Nicht genug, dass die Corona-Pandemie vor allem zu Beginn des Jahres zur Unterbrechung von Lieferketten und Produktionsprozessen führte und parallel dazu die Lockdown-Phasen etliche Abnahme-Märkte einbrechen ließen. Im Verlauf des Jahres hatten die Kunststoffverarbeiter auch noch unter der Verknappung von einigen wichtigen Rohstoffen zu leiden.

Steckdose für elektrische Autos.

Steckdose für elektrische Autos.

Foto: © iStockphoto / RuslanDashinsky

Mit über 280.000 Beschäftigten ist die von kleinen und mittleren Unternehmen geprägte kunststoffverarbeitende Industrie eine bedeutende Branche des Verarbeitenden Gewerbes in Deutschland. In den mehr als 1.700 Unternehmen (ab 50 Beschäftigte) wurde 2020 unter Corona-Bedingungen ein Umsatz von 54,8 Milliarden Euro erwirtschaftet. Der relativ junge Industriezweig ist nach wie vor eine Wachstumsbranche, sowohl was die Produktions-, die Umsatz- wie auch die Beschäftigungsentwicklung der letzten Jahrzehnte betrifft.

Die Corona-Pandemie hat ihre Spuren in der kunststoffverarbeitenden Industrie hinterlassen. Auf Grund der Unterbrechung der Lieferketten während des ersten Lockdowns ist im Jahr 2020 die Wirtschaft gegenüber dem Vorjahr eingebrochen und hat sich mit diesem Trend auch negativ auf die Unternehmen in den Segmenten der kunststoffverarbeitenden Industrie unterschiedlich ausgewirkt.

Nach einem starken Rückgang in der ersten Jahreshälfte hat sich die Kunststoffbranche in der zweiten Jahreshälfte wieder zunehmend gefangen. Eine ähnliche Entwicklung hat es bei der Beschäftigung gegeben. Hier sank die Anzahl der Beschäftigten um 4,2 Prozent. Das ist der stärkste Rückgang seit 2015. Der Rückgang der Anzahl der Beschäftigten ist einhergehend mit Betriebs- und Betriebsteilschließungen sowie Personalabbau und dem Rückgang des tatsächlichen Arbeitsvolumens.
Ein wichtiger Indikator für Beschäftigung ist das Arbeitsvolumen. Dieses ist 2020 gegenüber dem Vorjahr um 7,8 Prozent zurückgegangen. Wesentliche Gründe sind der Personalabbau und die verstärkte Inanspruchnahme von Kurzarbeit sowie tarifliche und betriebliche Arbeitszeitinstrumente.

Zum ausgeglichenen Segment zählt die Herstellung von Kunststoffverpackung. Insgesamt stabilisierte sich nach dem tiefen Einbruch im II. Quartal 2020 infolge der Corona-Krise die Lage der Kunststoffverpackungsindustrie. Positiv ausgewirkt hat sich die Einstufung von Produkten aus Kunststoffverpackungen als „systemrelevant“, insbesondere für medizinisch und pharmazeutische sowie Verpackungen für die Lebensmittelindustrie. Die steigende Industrieproduktion in Deutschland lässt die von der Krise stark betroffenen Hersteller von industriell genutzten Kunststoffverpackungen weiter hoffen. Für Kunststoffverpackungen im Gaststätten- und Veranstaltungsbereich dagegen bleibt die Lage nach wie vor sehr ernst.

Die Hersteller von Bauartikeln aus Kunststoffen sind insgesamt zufriedenstellend durch das Jahr 2020 gekommen. Das Segment der Baubedarfsartikel ist von allen Segmenten der kunststoffverarbeitenden Industrie weiter auf Wachstumskurs und lag deutlich über dem Niveau der Vorjahre (2018 und 2019). Die Trendlinie zeigt für 2021 weiter stark nach oben. 

Die besonderen Sorgenkinder der Branche sind die Konsumartikel und die technischen Teile aus Kunststoff. Perspektiven werden für die Hersteller von Konsumgütern gesehen, da durch die Lockerung der Auflagen die Kauflaune wieder in die Geschäfte zurückkehren wird, wenngleich viele Konsumenten durch Einkommensreduzierung, die aus der Folge der Kurzarbeit herrühren, in ihrem Verhalten vorsichtiger sein dürften. Der detaillierte Blick zeigt, dass auch der Absatz von Kunststoffkonsumwaren stark unter dem Lockdown gelitten hat. 

Bleiben noch die Hersteller technischer Teile, die nach einem bereits schwachen Vorjahr besonders gebeutelt wurden. Immerhin gibt es hier vereinzelte Lichtblicke. Nicht nur der DIY-Sektor wurde beflügelt: „Wir bleiben Zuhause" sorgte auch für Impulse bei Hausgeräten. Vor allem Herde und andere Zubereitungsgeräte waren gefragt. Weil man nicht mehr ausgehen konnte, wollten sich offensichtlich viele Menschen eine entsprechende Wohlfühl-Atmosphäre im eigenen Heim schaffen.

Die größten Brocken jedoch müssen die Autozulieferer verdauen. Als ob der Dauerdruck auf die Erträge der Unternehmen nicht schon anstrengend genug wäre, hat sich die bereits seit Mitte 2018 anbahnende Auto-Absatzkrise im Zuge der Corona-Pandemie zur handfesten Rezession entwickelt. Vielmehr wird erwartet, dass die Hersteller von technischen Teilen auch in diesem Jahr gezwungen sein werden, ihre Kapazitäten deutlich anzupassen. Die Vorgaben für Hersteller technischer Teile waren durch den abrupten Stillstand der Automobilindustrie katastrophal.

Trends und Themen der Branche:

  • Um die sich bietenden Chancen und drohenden Risiken abwenden zu können, müssen die deutschen Kunststoffverarbeiter ihre Innovationskraft weiter ausbauen und die Chancen der Digitalisierung und Automatisierung nutzen.
  • Die Forderungen von Endverbrauchern und Politik nach der Verarbeitung von Recyclingmaterialien sowie Produkten von gesundheitlich und ökologisch unbedenklichen Kunststoffprodukten werden immer lauter.
  • Die Kunststoffverarbeitung hilft mit leichten Materialien dabei, die umweltpolitischen Gesamtziele umzusetzen und kann dazu beitragen, CO2 - Emissionen zu senken.
  • Durch die zunehmende Automatisierung und den verstärkten Einsatz von kollaborativen Robotern können unangenehme Aufgaben reduziert, die Arbeitsbedingungen verbessert sowie dem Fachkräftemangel begegnet werden.
  • Um dem steigenden Preis- und Margendruck standzuhalten, sind Produkt- und Prozessinnovation unumgänglich.
  • Der demografische Wandel und der Fachkräftemangel machen sich auch in der Kunststoffverarbeitenden Industrie bemerkbar. Hier gilt es durch eine kluge Personalpolitik der Unternehmen sowie durch Maßnahmen, die die Attraktivität der Branche erhöhen, entgegenzusteuern.
  • Die Wahrnehmung der Branche in der Öffentlichkeit ist eine der größten Herausforderungen für die Kunststoffindustrie. Die Erfolge und vielfältigen Einsatzmöglichkeiten des Werkstoffs Kunststoff sind besser sichtbar zu machen.
  • In der Forschung und Entwicklung gewinnen Effizienzsteigerungen in den Bereichen Energie und Rohstoffe an Bedeutung. Nachhaltigkeit und Ressourcenschonung bleiben ökologische Hauptthemen.

Hinweis:
Die Angaben beziehen sich auf Daten des Statischen Bundesamtes. Hinzu kommen die in der Industriestatistik nicht erfassten Unternehmen mit weniger als 50 Beschäftigten. Laut Umsatzsteuerstatistik gab es 2018 insgesamt 6.610 steuerpflichtige Unternehmen in der Kunststoffverarbeitungsbranche, die einen Gesamtumsatz von 76,4 Mrd. Euro erwirtschafteten.