Chemie und Pharma

Stärkster Standort in Europa

Deutschland bleibt weiterhin einer der wichtigsten Chemiestandorte der Welt und der mit Abstand größte in Europa. Fast 330.000 Menschen arbeiten hierzulande in über 1.000 Betrieben in der Chemieindustrie. In der deutschen Pharmaindustrie, dank ihrer Innovationskraft und Wertschöpfung ebenfalls ein zentrales Standbein der deutschen Wirtschaft, sind mehr als 110.000 Menschen beschäftigt. 

Abfüllstation

Mitarbeiter in der Abfüllstation im Supply Center von Bayer HealthCare in Bergkamen.

Foto: © Bayer HealthCare AG

Im Jahr 2019 verzeichneten die Unternehmen der chemisch-pharmazeutischen Industrie einen Umsatz von fast 200 Milliarden Euro. Damit erwirtschaftet Deutschlands drittgrößte Industriebranche einen nennenswerten Anteil der Wertschöpfung des Verarbeitenden Gewerbes und zahlt überdurchschnittlich gute Gehälter. Die Betriebe und Beschäftigten tragen somit maßgeblich zum Steueraufkommen bei und sind somit eine der tragenden Säulen für Wachstum und Wohlstand unserer Wirtschaft. Eine weitere erhebliche Anzahl von Arbeitsplätzen wird bei den inländischen Zulieferern durch die Nachfrage der Chemieunternehmen geschaffen. Darüber hinaus entsteht entlang der Wertschöpfungskette weitere Beschäftigung.

Wichtige Bedeutung in der Corona-Krise

Die chemische Industrie hilft mit aller Kraft bei der Pandemiebekämpfung. Zu Beginn der Pandemie hat sie die Notversorgung mit Desinfektionsmitteln bundesweit sichergestellt. Vom Mund-Nasenschutz bis zu den Kunststoffscheiben in Behörden und Geschäften sind die Beiträge aus Chemie für uns alle sichtbar. Die Pharmabranche wiederum war und ist während der Corona-Krise zentral bei der Entwicklung und Produktion von Impfstoffen sowie der Versorgung mit Arzneimitteln. Sie leistet damit einen großen Beitrag für die Gesundheitsversorgung der Bevölkerung.

Entwicklung der chemischen Industrie

Der weltweite Chemiemarkt ist groß und wächst weiterhin dynamisch. Die strukturellen Verschiebungen der vergangenen Jahre halten weiter an. Die Wachstumszentren liegen schon länger nicht mehr in den Industrienationen, sondern in den aufstrebenden Schwellenländern. Grund für die neuen Wachstumszentren sind insbesondere geringere Energie- und Rohstoffkosten. 

In Europa profitieren wir über den Außenhandel von den Wachstumsmärkten. Seit der Wirtschaftskrise 2009 gewinnt Asien im internationalen Chemiegeschäft stetig an Bedeutung. Die asiatischen Länder gewinnen weiter Weltmarktanteile und es entstehen neue Wettbewerber für unsere Unternehmen. In Amerika stieg aufgrund des Shalegas-Booms insbesondere die Wettbewerbsfähigkeit der Grundstoffchemie deutlich. 

Die Chemie in Europa leidet insgesamt unter der globalen Wachstumsschwäche, besitzt jedoch weiterhin Stärke im Handel und bei den Innovationen und profitiert vom Wachstum anderer Regionen. Insbesondere die deutschen Chemieunternehmen profitieren von der steigenden globalen Chemienachfrage. Die deutschen Chemieunternehmen gelten seither als Global Player und investieren weltweit. Der Druck aus dem Ausland und der Wettbewerbsdruck nehmen jedoch beharrlich zu. 

Der Weg zur Treibhausgasneutralität  

Die Weltbevölkerung steht vor noch größeren Herausforderungen. Fast alle Regierungen der Welt haben sich im Pariser Vertrag deshalb auf eine Begrenzung der Erderwärmung möglichst bei 1,5°C verpflichtet. Die Europäische Kommission hat im Dezember ihr Konzept für einen „Green Deal“ veröffentlicht. 

Ziel des klima- und umweltpolitischen Programms ist es, die EU bis zum Jahre 2050 zu einem treibhausgasneutralen Staatenverbund umzubauen, die Schadstoffemissionen stark zu verringern und die Kreislaufwirtschaft voranzubringen. 

Gerade die deutsche Mineralöl- und Chemieindustrie verfügt zusammen mit dem Maschinen- und Anlagenbau über gute Voraussetzungen, diese Transformation hin zu einer zirkulären und nachhaltigen Wirtschaftsweise zu bewerkstelligen

Erfolgsfaktor Sozialpartnerschaft 

Die Arbeitskräfte in Deutschland sind - immer noch - die mit am besten qualifizierten in Europa. Davon profitiert in hohem Maße auch die hiesige chemische Industrie. Das duale System der Berufsausbildung und das hohe Niveau an den Fachhochschulen und Universitäten bieten Gewähr dafür, dass die Unternehmen über hervorragend qualifizierte Arbeitskräfte verfügen können.

Die eingeleiteten Reformen im beruflichen und universitären Bildungsbereich werden auch in Zukunft dafür sorgen, dass die benötigten Fachkräfte bereit stehen.

In der chemischen Industrie in Deutschland sind - mit Unterstützung der Arbeitnehmervertretungen - schon früh innovative Arbeitsgestaltungskonzepte eingeführt worden. Damit konnten die technologischen und organisatorischen Umgestaltungen, aber auch neue unternehmerische Strategien entscheidend vorangebracht und umgesetzt werden. Es ist in Deutschland mittlerweile unbestritten, dass die über Jahrzehnte entwickelte Sozialpartnerschaft - sowohl in den Unternehmen zwischen Betriebsräten und Management als auch zwischen dem Arbeitgeberverband (BAVC) und der Chemiegewerkschaft IGBCE - ein Erfolgsfaktor für die chemische Industrie darstellt. 

Entwicklung der pharmazeutischen Industrie

Die zunehmende Internationalisierung und Wettbewerbsintensität innerhalb der Branche und in den Betrieben, aber auch die verschärften gesundheitspolitischen Rahmenbedingungen in Deutschland haben in den letzten Jahren zu einem Bedeutungsverlust der deutschen Pharmaindustrie im internationalen Vergleich geführt. Immer stärker wird der Welt-Pharmamarkt von großen, vor allem anglo-amerikanischen Unternehmen dominiert. Ohne weitere politische und ökonomische Anstrengungen dürfte sich dieser Trend fortsetzen. Deutschland und Europa brauchen aber eine eigene, leistungsfähige Pharma-Industrie, um den damit verbundenen Wohlstand, die Arbeitsplätze und die Innovativität der Branche zu sichern. Gleichzeitig geht es darum, die Abhängigkeit von ausländischer Pharma-Produktion, die sich in vielerlei Hinsicht negativ auswirkt, nicht noch größer werden zu lassen. Dieses Problem trat gerade zu Beginn der Corona-Krise noch einmal besonders deutlich hervor. 

Notwendige politische Rahmenbedingungen

Weiter sind Reformen im deutschen Gesundheitssystem notwendig, die nicht nur auf Einsparpotentiale bei den Patienten und in der pharmazeutischen Industrie setzen. Notwendig ist vielmehr eine grundsätzliche Strukturreform des Gesundheitssystems. Sie muss eine neue Balance finden zwischen den verschiedenen Interessen von Unternehmen, Patienten und Beschäftigten – mit dem Ziel, allen Menschen eine qualitativ hochwertige, solidarisch finanzierte Gesundheitsversorgung zur Verfügung zu stellen. 

Für die Unternehmen der pharmazeutischen Industrie bedeutet das: Sie brauchen größere Planungs- und Innovationssicherheit, damit sie die riskante Investition in neue Wirkstoffe und Technologien wagen und so ihr ganzes Innovationspotenzial entfalten können. 

Dem Ausbau der medizinischen und pharmakologischen Forschung, insbesondere der Spitzenforschung, kommt dabei eine zentrale Rolle zu. Hier sind auch wirksame Anreize erforderlich, um Spitzenforscher und Spitzenforschungen in Deutschland zu halten und oder zurückzuholen.

Wir fordern von der Politik eine weitere Verbesserung der Rahmenbedingungen und verstärkte Forschungsausgaben, analog zur Strategie in den USA und einigen Staaten in Europa. Auch die Grundlagenforschung ist durch die öffentliche Forschungsförderung und die Unternehmen stärker zu unterstützen.

Notwendig ist der weitere Ausbau der Partnerschaften und Netzwerke zwischen Pharmaindustrie, Forschung, Biotech-Unternehmen und öffentlichen Forschungseinrichtungen. 

In Deutschland sind die Rahmenbedingungen von klinischen Studien zu verbessern. Dazu gehört eine noch stärkere Förderung von interdisziplinären Zentren für klinische Forschungen. Langfristig ist der Aufbau einer europäischen Koordinierungsinstitution – analog zum amerikanischen "National Institut for Health (NIH)" – anzustreben. Kurzfristig muss die Koordination der klinischen Forschungen in Europa verbessert werden.