Zukunftskommission Digitale Agenda

Die digitale Arbeitswelt mitbestimmen

Die Digitalisierung macht’s möglich: Arbeiten von zuhause, Lebensmittel-Lieferungen per App und die Vorauswahl bei Personalentscheidungen treffen immer seltener Menschen, sondern Algorithmen. Das stellt Betriebsräte und Gewerkschafter vor völlig neue Probleme: Wie kann man Arbeitnehmer überhaupt erreichen, wenn es keinen festen Arbeitsort gibt? Und wie lässt sich in einem solchen Betrieb Mitbestimmung organisieren?

Digitalisierung
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Damit die Mitbestimmung bei all diesen Entwicklungen nicht auf der Strecke bleibt, hat die IG BCE gemeinsam mit Vertretern aus Unternehmen, Politik und Wissenschaft in der Zukunftskommission Digitale Agenda viele Fragen sowie mögliche Antworten und Strategien diskutiert. Zentrale Themenbereiche waren dabei unter anderem die Digitalisierung in der Wirtschaft und der Arbeitswelt, Mitbestimmung sowie Bildung und Weiterbildung - damit Arbeitnehmer, Betriebsräte, Vertrauensleute und Gewerkschafter diesen Prozess in Zukunft stärker mitgestalten und mitbestimmen können. Die Ergebnisse dieses Prozesses wurden in einem 15-seitigen Abschlussbericht dokumentiert sowie in den Bildungszentren Bad Münder und Haltern im kleinen Kreis vorgestellt. Die IG BCE wird weiterhin an dem Thema dranbleiben - dementsprechend spielte das Thema auch auf der diesjährigen Betriebsräte-Jahrestagung in Hannover eine große Rolle.

Die Digitalisierung auf einen europäischen Weg bringen

Ein wichtiges Ergebnis dieses Diskussions-Prozesses ist die Forderung, dass die Bundesregierung und die Europäische Union eine eigene Digital-Strategie entwickeln sollten. Die Abhängigkeit von den USA und China sei momentan groß, heißt es im Abschlussbericht. Durch die Silicon Valley-Konzerne gebe es einerseits eine Monopolbildung, während China andererseits eine autoritäre Prägung der Digitalisierung verfolge. Beides sei mit europäischen Werten nicht vereinbar. Es brauche daher einen dritten, europäischen Weg der Digitalisierung, folgert die Zukunftskommission. Grundsätzlich notwendig sei außerdem eine europäische Lösung für eine stärkere steuerliche Beteiligung der großen Technologie-Konzerne. Dies sei wichtig für eine gerechtere Gesellschaft und könne zur Finanzierung der digitalen Transformation anderer Industrie-Branchen helfen. Wichtig sei darüber hinaus der Ausbau der digitalen Infrastruktur und die Etablierung von Daten-Genossenschaften, um Daten-Monopole aufzubrechen und eigene Standards setzen zu können.

Mitbestimmung erweitern

„Die digitale Zukunft ist auch eine gewerkschaftliche Zukunft“, bekräftigte der IG-BCE-Vorsitzende Michael Vassiliadis bei der Vorstellung der Ergebnisse der Zukunftskommission. Die Gewerkschaften müssten sich dabei noch stärker einbringen als bisher. Denn durch die Corona-Krise arbeiten inzwischen deutlich mehr Menschen von zu Hause aus. Betriebsräte können oft nur eingeschränkt in die Betriebe – oder auch gar nicht. Vor diesem Hintergrund fordert die Kommission, dass Betriebsräte ein digitales Zutrittsrecht zu den Betrieben erhalten, um die Beschäftigten überhaupt erreichen zu können. Zudem sei es notwendig, Tarifverträge branchenübergreifend einzuführen, um einheitliche Arbeitsbedingungen entlang der gesamten Wertschöpfungskette sicherzustellen.

Sowohl Vassiliadis wie auch Karin Erhard, Mitglied des geschäftsführenden Hauptvorstands, forderten auf der Betriebsräte-Jahrestagung, dass das Betriebsverfassungsgesetz modernisiert werden müsse. Auch bei Betriebsratsgründungen, die Arbeitgeber sabotieren wollen, müsse in Zukunft mehr passieren, forderte Erhard. Francesco Grioli, ebenfalls Mitglied des geschäftsführenden Hauptvorstands betonte, dass es sehr wichtig sei, prekär Beschäftigten, Selbstständigen und neu entstandenen Beschäftigungsformen wie zum Beispiel Crowdworkern gewerkschaftliche Angebote zu machen. Zu beachten sei in diesem Zusammenhang auch, dass die soziale Sicherung der Beschäftigten unabhängig von der Art der Beschäftigung gewährleistet ist.

Mit Blick auf den radikalen Sparkurs des Automobil-Zulieferers Continental, der sogar profitable Werke wie das Reifenwerk in Aachen schließen will, erklärte Vassiliadis auf der Betriebsräte-Jahrestagung der IG BCE, dass „das doppelte Stimmrecht von Aufsichtsratsvorsitzenden fallen“ müsse. An Stelle der zusätzlichen Stimme des Aufsichtsratsvorsitzes könnte eine neutrale Person installiert werden; diese solle im Konfliktfall moderieren oder schlichten.

Weiterbildung stärker in den Betrieben etablieren

Obwohl „lebenslanges Lernen“ schon längst kein neues Schlagwort mehr ist, konnte es sich noch nicht umfassend in den Betrieben durchsetzen. Durch die Digitalisierung werden Qualifizierung und Weiterbildung jedoch immer wichtiger. Die Kommission fordert daher in ihrem Abschlussbericht eine digitale Weiterbildungs-Offensive für die Beschäftigten, durch die sie zum Beispiel im Umgang mit sozialen Medien oder auch zur Datensicherheit geschult werden können – damit sie für die veränderten Anforderungen in der Arbeitswelt in Zukunft noch besser gerüstet sind. Und: „Wir wollen Weiterbildungs-Mentoren-Programme, um alle Beschäftigten beim digitalen Wandel mitzunehmen“, sagte Grioli, der damit ein Ergebnis der Kommission auf der Jahrestagung noch einmal aufnahm. Diese Weiterbildungs-Mentoren sollen die Beschäftigten zu den Bildungs-Angeboten informieren und beraten können. Außerdem sollen paritätisch besetzte Ausschüsse in den Betrieben den Weiterbildungsbedarf analysieren und Empfehlungen für den Betrieb erarbeiten sowie bei der Umsetzung mitwirken können. Darüber hinaus fordert die Kommission ein digitales Grundbildungsjahr für Ausbildungsberufe, das unabhängig vom erlernten Beruf digitale Kompetenzen vermittelt.

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