Desksharing

Teilen aus Platzmangel

Langsam wird es eng: Der Übertragungsnetzbetreiber 50Hertz wächst so kräftig, dass das Unternehmen die nötigen Büro-Arbeitsplätze in seiner Zentrale in Berlin gar nicht so schnell schaffen kann. Desksharing, also das Teilen von Arbeitsplätzen, soll helfen.

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Lutz Scherer, Gesamtbetriebsratsvorsitzender beim Übertragungsnetzbetreiber 50 Hertz. 

Foto: © Jesco Denzel

Wir stellen ein, heißt es bei 50Hertz schon seit Jahren. Arbeiteten dort 2016 noch 950 Beschäftigte, sind es heute schon fast 1300. „Alleine in diesem Jahr kommen 185 Neue hinzu“, erzählt Lutz Pscherer, Betriebsratsvorsitzender in der Unternehmenszentrale in Berlin und in Neuenhagen und Gesamtbetriebsratsvorsitzender von 50Hertz. Grund für das Wachstum ist die Energiewende. „Der Gesetzgeber überträgt uns immer neue Aufgaben“, erklärt Lutz, „dafür brauchen wir Leute.“ Das Unternehmen ist unter anderem zuständig für den Bau der wichtigen Strom-Autobahn Südost-Link. Sie soll Wind-Strom von der Ostsee nach Bayern leiten.

Die Neuen müssen irgendwo arbeiten, und in der Zentrale in Berlin mit ihren derzeit rund 800 Beschäftigten mangelt es mittlerweile an Platz. Das Netzquartier, wie die Zentrale unternehmensintern genannt wird, ist erst wenige Jahre alt und wurde bereits als offene Bürolandschaft angelegt. „Wir haben uns die Frage gestellt, wie wir den Platz effektiver ausnützen können“, erklärt Lutz. Ergebnis: Ab Sommer stellt 50Hertz auf Desksharing um. Beschäftigte sitzen dann an unterschiedlichen Büroplätzen, je nachdem wo etwas frei ist. „Jeder hat Anspruch auf einen Arbeitsplatz, aber nicht mehr auf seinen“, sagt Lutz, „das ist der Unterschied.“ Damit das Teilen von Arbeitsplätzen nicht im Chaos endet und vernünftig geregelt ist, hat der Betriebsrat dazu mit dem Unternehmen eine Betriebsvereinbarung abgeschlossen.

Über eine intelligente Buchungssoftware können sich Beschäftige in einen Platz einbuchen. Jede Abteilung hat eine sogenannte Homebase. Wer also zum Beispiel im Rechnungswesen arbeitet, wird in der Homebase des Rechnungswesen in der 3. Etage des Netzquartiers eingebucht. Sollten dort alle Plätze belegt sein, sucht die Software einen Platz möglichst nahe an der Homebase aus. So ist gewährleistet, dass Teams immer zusammensitzen. Geregelt ist auch, dass alle Beschäftigten ein persönliches Schließfach haben und dass sie einen ordentlich aufgeräumten Arbeitsplatz vorfinden. Außerdem sind Ausnahmen geregelt. Beschäftigte, die etwa bestimmte Hilfsmittel brauchen, haben weiterhin einen festen Arbeitsplatz.

In der Betriebsvereinbarung ist auch die Quote von Arbeitsplätzen zu Beschäftigten festgelegt. Bei 50Hertz sind es zu Anfang 75 Büroplätze auf 100 Beschäftigte. Sollte das nicht reichen, wird nachgebessert. „Diese Zahl ist nicht in Stein gemeißelt“, erläutert Lutz, „es kann sein, dass sie sich noch ändert.“ Auch Werkstudierende und Aushilfen werden berücksichtigt. Lutz ist optimistisch, dass der Platz reicht. Schon immer waren viele Beschäftigte von 50Hertz auf Terminen oder im Außendienst unterwegs. Und die Corona-Pandemie hat den Trend zu mobilem Arbeiten noch verstärkt. „Eines ist klar“, sagt der Betriebsrat, „ein Zurück in die Zeit vor Corona wird es nicht geben.“ Mit der Vereinbarung zum Desksharing will der Betriebsrat von 50Hertz auch die Arbeitsformen von morgen gestalten. So ist es zum Beispiel möglich, per Buchungssoftware flexibel Flächen für Projektarbeit zu belegen.

Die Einführung von Desksharing braucht gute Vorbereitung. Der Betriebsrat bei 50Hertz hat in einer Arbeitsgruppe mit der Personalabteilung und Leitenden Angestellten am Konzept gearbeitet, hat die Beschäftigten mit ins Boot geholt, eine Befragung in der Belegschaft durchgeführt, hat Workshops und eine Begehung mit dem Facility Management organisiert. Das Engagement lohnt sich und ist eine gute Werbung für die IG BCE, sagt Lutz. „Seitdem wir uns mit neuen Arbeitsformen beschäftigen, treten doch einige in die IG BCE ein“, sagt er. „Die Leute wollen das; sie wollen mitmachen und ihre Arbeitsplätze gestalten.“ Die IG BCE bietet eine Checkliste und eine Musterbetriebsvereinbarung zum Desksharing an.            Bernd Kupilas