Tarifrunde #chemie22

Tarifparteien finden Brückenlösung für Chemie-Beschäftigte

1400 Euro Brückenzahlung pro Kopf für Chemie-Beschäftigte: Tarifparteien setzen Verhandlungen im Oktober fort.

Einhellige Zustimmung von den Mitgliedern der Bundestarifkommission zur verhandelten Brückenlösung.

Einhellige Zustimmung von den Mitgliedern der Bundestarifkommission zur verhandelten Brückenlösung.

Foto: © Andreas Reeg

Jede und jeder der 580.000 Tarifbeschäftigten in der chemisch-pharmazeutischen Industrie erhält spätestens im Mai eine Brückenzahlung in Höhe von einmalig 1400 Euro. Das entspricht im Durchschnitt über alle Entgeltgruppen einem Volumen von 5,3 Prozent. Auszubildende erhalten 500 Euro pro Kopf. Auf diese Zwischenlösung für den Zeitraum von sieben Monaten haben sich IGBCE und Arbeitgeber am Dienstag nach zweitägigen Verhandlungen in Wiesbaden geeinigt. In Not leidenden Betrieben kann die Brückenzahlung auf 1000 Euro reduziert werden.

Im Oktober werden beide Seiten die Tarifverhandlungen fortsetzen um zu klären, inwieweit die zunächst kurzfristig gegen die ausufernde Inflation wirkende Entlastung in eine nachhaltige, tabellenwirksame Entgelterhöhung gewandelt werden kann.

„In dieser Zeit großer Unsicherheit für Beschäftigte wie Unternehmen mussten wir eine Lösung finden, die Inflationslinderung mit Beschäftigungssicherung verbindet“, sagte der Vorsitzende der IGBCE, Michael Vassiliadis. „Mit diesem Kompromiss werden die Beschäftigten sofort entlastet und die wirtschaftliche Entwicklung engmaschig bewertet. Unser Ziel bleibt die dauerhafte Steigerung der Entgelte noch in diesem Jahr.“ Von der Brückenzahlung profitierten niedrigere Lohngruppen überdurchschnittlich. „Sie sind es, die besonders unter den aktuellen Preisschüben leiden.“

„Es war ein langer beschwerlicher Weg, die Arbeitgeber mitzunehmen auf unsere Brücke über das Tal der Unsicherheit“, so der Verhandlungsführer und stellvertretende Vorsitzende der IGBCE, Ralf Sikorski. „Diese Zwischenlösung ist alles andere als unsere Wunschvorstellung. Aber sie gibt uns die nötige Atempause, um die geopolitischen und wirtschaftlichen Entwicklungen der kommenden Monate abzuwarten und diese Tarifrunde auf Basis einer dann hoffentlich klareren Datenlage im Herbst fortzusetzen.“

Sikorski hob hervor, dass sich beide Seiten bereits jetzt auf viele Punkte der IGBCE-Forderung einigen konnten. „Unabhängig von Krisen muss die Branche stärker in Wertschätzung und Fachkräftesicherung investieren. Hier haben wir Nachbesserungen durchsetzen können“, sagte der IGBCE-Verhandlungsführer. Im Einzelnen: 

Schichtzulagen: Für die besonders belastenden Nachtschichten werden die Zulagen vom 1. Juli an auf 20 Prozent vereinheitlicht. Das entspricht einem Lohnplus von gut 1,7 Prozent für die in Schichtarbeit Beschäftigten.

Ausbildung: Mit dem Förderprogramm „AusbildungPlus“ soll die Ausbildung in kleinen und mittleren Unternehmen gestärkt und Pandemie-bedingte Defizite der Ausbildungs- und Prüfungsjahrgänge 2022 und 2023 ausgeglichen werden. Auszubildende erhalten bei Bedarf eine zusätzliche Lernunterstützung und Prüfungsvorbereitung. Dafür sollen die Instrumente des Unterstützungsvereins der chemischen Industrie (UCI) ausgeweitet werden. Das Fördervolumen beträgt 3 Millionen Euro. Generelles Ziel ist es, Ausbildungshemmnisse abzubauen.

Mobiles Arbeiten: Die Praxis mobilen Arbeitens in den Unternehmen soll wissenschaftlich evaluiert  werden. Ergebnisse der Studie sollen im Jahr 2023 vorliegen. Ziel ist es, die bisherige Praxis mobiler Arbeit mit Blick auf die Auswirkungen auf Arbeits- und Gesundheitsschutz, Arbeitszeitgestaltung, Mitbestimmung, Produktivität, Arbeitsorganisation und Datensicherheit zu hinterfragen und daraus gegebenenfalls tarifpolitische Maßnahmen und Handlungsperspektiven abzuleiten.

Altersfreizeit in Teilzeit: Strittig zwischen IGBCE und Arbeitgebern war lange, ob Teilzeitbeschäftigte anteilig Anspruch auf Altersfreizeit haben. Nach einer Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts im Sinne der IGBCE haben die Tarifparteien diesen Anspruch nun im Manteltarifvertrag festgeschrieben. Zudem werden weitere Möglichkeiten zur Flexibilisierung der Altersfreizeit geschaffen. Arbeitgeber und Arbeitnehmer können vereinbaren, den Anspruch auf Altersfreizeiten durch eine der folgenden Optionen zu ersetzen: flexibler Übergang in den Ruhestand, Einzahlung in die betriebliche Altersversorgung, Einzahlung in die gesetzliche Rentenversicherung, Einbringung in das Langzeitkonto.

Sozialpartnermodell: Beide Seiten haben sich auf Eckpunkte eines Tarifvertrags zur Einführung des so genannten Sozialpartnermodells verständigt, der bis zur Jahresmitte stehen soll. Das Sozialpartnermodell soll die betriebliche Altersvorsorge attraktiver machen, indem es die Möglichkeit für andere Anlageformen und damit höhere Zinsen eröffnet. Der Arbeitgeber zahlt dabei einen 15-prozentigen Zuschuss zur Entgeltumwandlung des Arbeitnehmers sowie einen 5-prozentigen Sicherungsbetrag als Kompensation für den Wegfall der Arbeitgeberhaftung.

Gleichzeitig senden die Sozialpartner ein klares Signal der Solidarität mit den Menschen aus der Ukraine. Beide Seiten verabredeten eine Spende des Unterstützungsvereins der chemischen Industrie (UCI) in Höhe von einer Million Euro. Damit soll die Initiative von Bundesarbeitsminister Hubertus Heil unterstützt werden, Qualifikationen von Geflüchteten aus der Ukraine schneller anzuerkennen und verstärkt Sprachkurse anzubieten.

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