Tarifkommission Feinkeramik West legt Forderungskatalog fest

Mit der Forderung nach 5,5 Prozent mehr Lohn und Gehalt sowie einer überproportionalen Erhöhung der Auszubildendenvergütungen geht unsere Bundestarifkommission für die Feinkeramische Industrie West in die Tarifrunde 2019. Darüber verständigten sich die 22 Kommissionsmitglieder am 20. Mai in Fulda. Außerdem einigten sie sich auf ein Urlaubsgeld von 40 Euro je Urlaubstag.

Keramikproduktion
Foto: © Oliver Dietze

Seit der Umstellung von D-Mark auf Euro in 2002 ist das Urlaubsgeld nicht mehr erhöht worden. Ebenfalls zum Forderungskatalog gehören die Einführung eines Entgeltvertrags sowie eine Besserstellung der Gewerkschaftsmitglieder.

Wie immer wird eine besondere Herausforderung sein, höchst unterschiedliche Branchen mit ihren jeweils spezifischen Strukturen zusammenzuhalten. Anders als etwa in der Chemieindustrie liegen in der Feinkeramik teilweise Welten zwischen den einzelnen Sparten. So muss unsere Tarifkommission die Interessen der Beschäftigten von Weltmarktführern ebenso im Auge behalten wie die der Kollegen in der thüringischen Porzellanindustrie, die stark handwerklich arbeiten.

Von einem superguten Jahr spricht Monika Träger, Betriebsratsvorsitzende bei CeramTec am Standort Marktredwitz: „CeramTec hat 2018 600 Millionen Euro Umsatz gemacht. Die Medizintechnik boomt.“ In Marktredwitz und Plochingen produziert das Unternehmen neben Hüftgelenken auch Elektronikteile für Autos und Flugzeuge sowie hochwertige Schneidewerkzeuge für die Automobilindustrie. „An die Anteilseigner wurde eine Bombendividende von fast 20 Prozent ausgezahlt“, sagt Jürgen Klemenz, stellvertretender Vorsitzender des IG-BCE-Bezirksvorstands Stuttgart. „Nun müssen die Beschäftigten ihren gerechten Anteil bekommen.“

Auch bei der Sanitärsparte von Villeroy & Boch in Mettlach ging es die vergangenen Jahre stetig aufwärts, berichtet Betriebsrat Thomas Scherer. Er sieht deshalb gute Chancen, einen Großteil der IG-BCE-Forderungen durchzusetzen. Dringende Verbesserungen erwartet er beim Urlaubsgeld und bei den Azubi-Vergütungen. 

Unser Verhandlungsführer Hans-Joachim Gerloff schätzt die Rahmenbedingungen zumindest als besser ein als noch bei der vergangenen Tarifrunde: „Die Entwicklungen in den einzelnen Branchen klaffen nicht mehr so extrem auseinander wie 2017. Gleichwohl werden die Verhandlungen auch dieses Mal nicht einfach sein. Wichtig ist, dass die Beschäftigten in der Feinkeramischen Industrie nicht von der allgemeinen Lohnentwicklung abgekoppelt werden.“ Dies gilt nicht zuletzt für die Bereiche Fliesen und Porzellan. Deren Unternehmen stehen besonders unter Druck durch ausländische Konkurrenz, aber auch geänderte Lebensstile. „Wer von den jungen Leuten kauft sich heute noch ein 36-teiliges Service?“, bringt es Christa Kropf von Seltmann Weiden auf den Punkt. Nach drei Jahren Sozialplan, Öffnungsklausel im Tarifvertrag und „ehrenamtlich“ geleisteten Arbeitsstunden erwartet sie ökonomische Verbesserungen. Holger Pallotta-Kahlhofer von der Deutsche Steinzeug Cremer und Breuer AG sieht Licht am Ende des Tunnels. Er hofft, dass vor allem der Export weiter anzieht.

Auf die Licht- und Schattenseiten der Feinkeramischen Industrie ging auch Jürgen Mehnert von der Abteilung Industriegruppen und Branchen in der IG-BCE-Hauptverwaltung in seinem Referat ein. Er unterzog die einzelnen Segmente einer genauen Analyse. Danach erreicht die Zahl der Beschäftigten fast 20 500. Rückläufige Tendenzen verzeichnen Fliesen und Porzellan. Der Umsatz der Branche ist in den vergangenen Jahren stetig auf inzwischen 2,9 Milliarden Euro gestiegen, ebenso der Anteil der Exporte (auf mittlerweile fast 50 Prozent). Diese Tendenzen setzten sich 2019 fort. Die Lohnquote blieb dabei weitgehend konstant, während der Umsatz je Beschäftigtem zunahm.

Eine anhaltende Debatte entzündete sich an der von der Basis verlangten Besserstellung der Gewerkschaftsmitglieder, weil erhebliche Meinungsunterschiede darüber bestanden, wie die Forderung konkret aussehen sollte: Mehr Freizeit, oder mehr Geld? Am Ende fand auch dieses Ansinnen seinen Weg in den Forderungskanon – ohne jedoch, dass zuvor ein Konsens über die konkrete Ausgestaltung hergestellt werden konnte.