Die Uhr im Hintergrund zeigt fünf vor Zwölf. Ein eindeutiges Signal: Es wird Zeit! Wofür, das verrät unser stellvertretender IG-BCE-Vorsitzender und Tarifvorstand Ralf Sikorski beim Live-Event in Hannover, Mit diesem haben wir für die bevorstehende Tarifrunde 2019 das erste Ausrufezeichen setzt.
Verhandlungsführer Ralf Sikorski
Im Studio sitzen sie dicht gedrängt, andere verfolgen an den Computern oder per Smartphone die Live-Übertragung des Events. Diesmal hat die IG BCE ein besonders innovatives Paket geschnürt. Ein Forderungspaket, das wesentliche Zukunftshemen der Arbeitswelt adressiert und mit tragfähigen Lösungsvorschlägen versieht: „Wir gehen in dieser Tarifrunde die großen Herausforderungen moderner Industriegesellschaften an: Arbeitsbelastung, Digitalisierung, Demografie“, verspricht Ralf Sikorski. Es sind Themen, die vielen Beschäftigten in der chemisch-pharmazeutischen Industrie auf den Nägeln brennen. Denn der mit Arbeitsverdichtung und neuen Herausforderungen einhergehende technologische und demografische Wandel haben über Jahre dazu geführt, dass die Belastung für das Gros der Beschäftigten stetig gestiegen ist, mitunter bis zum Anschlag.
Diese Herausforderungen wollen wir für die 580.000 Beschäftigten in der chemisch-pharmazeutischen Industrie mit Nachdruck angehen. Entlastung, Sicherheit im Alter, Qualifizierung, dazu spürbare Lohnsteigerungen – das sind die Kernelemente eines umfangreichen Zukunftspakets, das wir in der kommenden Tarifrunde durchsetzen wollen. Es umfasst die Einrichtung eines individuellen Zukunftskontos, eine Weiterbildungsoffensive zur Begleitung des digitalen Wandels und - gewerkschafts- und branchenübergreifend ein Novum - die bundesweit erste tarifliche Pflegezusatzversicherung. Die entsprechende Forderungsempfehlung für die Tarifrunde 2019 hat der Hauptvorstand der IG BCE einstimmig beschlossen und unter das Motto "Es wird Zeit!" gestellt.
Dass es Zeit wird, davon spricht während des Events nicht nur Tarifvorstand Ralf Sikorski, sondern auch eine vielstimmige Videocollage, in der sich Beschäftigte zu Wort melden. Es sind Menschen in verschiedenen Berufs- und Lebensphasen, mit unterschiedlichen Wünschen und Anforderungen – doch eine zentrale Forderung verbindet alle Statements wie ein roter Faden: Die Beschäftigten der chemisch-pharmazeutischen Industrie wünschen sich mehr Zeit. Zeit, über die sie freier verfügen können als bisher. Zeitsouveränität eben.
Darunter etwa die ältere Kollegin, die Arbeit und die Pflege ihrer Eltern unter einen Hut bringen will. Die junge Mutter, die sowohl im Job als auch in der Familie ihre Frau stehen will. Der jüngere Kollege, der die Meisterausbildung anpeilt, dem die Schichtarbeit aber kaum Raum dazu lässt. Ob Karriereplanung, Familienzeit, die Pflege von Angehörigen, das erste Enkelkind, der mit zunehmenden Berufsjahren intensiver werdende Wunsch, kürzer zu treten oder der Übergang ins Rentenalter: Alles hat seine Zeit – und jede Zeit ihre Herausforderungen. Weil jeder, je nach aktueller Lebensphase, Arbeit und Leben ganz individuell ausbalancieren muss, braucht es intelligente Instrumente, die den Beschäftigten Entlastung und den Freiraum bringen, freier über die eigene Lebens- und Arbeitszeit zu verfügen.
Instrumente und Prozente: So lässt sich das Maßnahmenpaket zur anstehenden Chemie-Tarifrunde treffend beschreiben. Denn neben einer angemessenen Lohnerhöhung (O-Ton Sikorski: „Nach sieben Rekordjahren in der Chemie ist ein leichter Abschwung noch längst keine Krise!“), soll das Paket vor allem einen Beitrag dazu leisten, langfristige – und sich absehbar noch verschärfende -Entwicklungen in Arbeitswelt (Digitalisierung, Arbeitsverdichtung, Fachkräftemangel) und Gesellschaft (Demografie, steigende Lebenserwartung und erhöhter Pflegebedarf) frühzeitig abzufedern. Damit Raum und Zeit bleiben: für die wirklich wichtigen Dinge im Leben.
Im Einzelnen sieht die Forderungsempfehlung vor:
Die Laufzeit ist abhängig vom Gesamtpaket.
Die Forderungsempfehlung des Hauptvorstands bildet den Beginn der Tarifbewegung in der Chemieindustrie und die Grundlage für die nun folgenden Diskussionen in den Vertrauensleutegremien und Tarifkommissionen der IG BCE. Am 19. September beschließt die Bundestarifkommission die endgültigen Forderungen, am 30. September starten die Gespräche zwischen IG BCE und Arbeitgebern in den regionalen Tarifbereichen. Am 21. Oktober wechseln beide Seiten zu zentralen Verhandlungen auf die Bundesebene.
In der zurückliegenden Tarifrunde hatten sich IG BCE und Arbeitgeberverband BAVC darauf verständigt, Fragen rund um Arbeitszeitsouveränität und Qualifizierung in einer "Roadmap Arbeit 4.0" zu sondieren. Mit der Forderungsempfehlung formuliert die IG BCE nun konkrete Maßnahmen für ihre Umsetzung.