Kein verspäteter Aprilscherz: Statt den Beschäftigten ein faires Tarif-Angebot zu unterbreiten, fordert die Geschäftsführung von Haupt Pharma in Gronau unbezahlte Mehrarbeit und eine Kürzung der Jahresleistungsprämie bei Krankheit. Zeitgleich hat sie die Schließung der Sterilproduktion mit rund 200 Arbeitsplätzen zum Jahresende bekanntgegeben.
Um ihrem Ärger lautstark Luft zu machen, haben sich rund hundert Beschäftigte am Donnerstag, den 13.04.2023 mit Rasseln und Trillerpfeifen vor dem Werkstor des Gronauer Arzneimittelherstellers versammelt. Bereits zum 31. Dezember 2022 hatte die Aenova-Tochter den Tarifvertrag gekündigt, und auch nach der zweiten Verhandlungsrunde ist keine Entgelterhöhung in Sicht. „Wir haben in Anlehnung an den Chemie-Tarifvertrag eine Erhöhung um 6,5 Prozent und einen Inflationsausgleich von 3000 Euro gefordert“, bekräftigte Verhandlungsführerin Jeannette Chiarlitti, Bezirksleiterin Südniedersachen. „In diesen schwierigen Zeiten mit stetig steigenden Preisen warten die Kolleginnen und Kollegen seit fast vier Monaten auf ein Plus im Portemonnaie, um ihre Strom- und Heizrechnungen zu bezahlen.“ Dass die Forderungen keineswegs übertrieben sind, zeigten die Abschlüsse an den Haupt Pharma Standorten Marburg, Münster und Regensburg, wo der Chemie-Tarifvertrag vollständig übernommen wurde.
Fragwürdige Geschäftsstrategie
Die Geschäftsführung ging darauf nicht ein. Stattdessen forderte sie, für mehrere Jahre die "unbezahlte 40-Stundenwoche" einzuführen. Das heißt: Die Beschäftigten schieben jede Woche 2,5 Überstunden – unbezahlt. Laut Jeannette Chiarlitti entspricht das einer Kürzung der Einkommen um 6,7 Prozent. Zusätzlich soll die Jahresleistungsprämie auf 25 Prozent abgesenkt oder für jeden Krankheitstag 1/200 der Jahresprämie abgezogen werden. Begründet wurden diese Forderungen mit dem Argument, dass der Standort wirtschaftlich nicht so gut dastehe. „Eine Frechheit“, empört sich Holger Grünwald, Mitglied der Tarifkommission, der die Verantwortung in fragwürdigen Geschäftsstrategien der häufig wechselnden Geschäftsführungen sieht. „Die Auftragsbücher sind voll.“
Standort in Gefahr
„Einen Schlag ins Gesicht“ nennt Betriebsratsvorsitzende Heike Tietz das Vorgehen des Arbeitgebers. Erst während einer Mitarbeiterversammlung Anfang März hatte dieser den rund 430 Beschäftigten mitgeteilt, dass die Sterilproduktion am Standort zum Jahresende eingestellt werde. Noch vor wenigen Jahren hatte die Geschäftsführung angekündigt, in die Fertigung von sterilen Lösungen, Pulver und Suspensionen 20 Millionen Euro zu investieren, was laut Betriebsrat nicht geschehen sei. Nun müsse aufgrund neuer Behördenauflagen grundlegend saniert werden, was sich laut Geschäftsführung für den Standort nicht rechne. Von den Schließungsplänen betroffen sind etwa 200 Beschäftigte, entsprechend aufgebracht ist die Stimmung im Unternehmen. „Die Kolleginnen und Kollegen sind frustriert und wütend – und „bereit, es der Geschäftsführung deutlich zu zeigen“, berichtet Heike Tietz. Und so richtet Bezirksleiterin Jeannette Chiarlitti an die Verantwortlichen - begleitet durch lautstarkes Pfeifen und Rasseln - einen deutlichen Appell: „Sollte sich die Geschäftsführung weiterhin weigern, ein vernünftiges Angebot vorzulegen, dann werden wir über Arbeitsniederlegungen nachdenken.“