2023 ist es wieder so weit: Die Selbstverwalter*innen bei den Trägern der gesetzlichen Kranken-, Renten- und Unfallversicherung werden – wie alle sechs Jahre – neu gewählt. Die Versicherten auf der einen Seite und die Arbeitgeber*innen auf der anderen Seite wählen – jeweils getrennt – ihre Vertreter*innen in die Vertreterversammlungen bei den Trägern der gesetzlichen Renten- und Unfallversicherung sowie in die Verwaltungsräte der gesetzlichen Kranken- und Pflegekassenkassen. 

Danach werden dann von den Vertreterversammlungen bei den Renten- und Unfallversicherungsträgern die – ebenfalls ehrenamtlich arbeitenden – Vorstandsmitglieder gewählt. Ihre Anzahl wird von der jeweiligen Vertreterversammlung bestimmt und ist in der Satzung des Versicherungsträgers festgelegt. 

Die Wahlvorbereitungen für die Sozialwahl 2023 haben bereits begonnen. Mit Peter Weiß (CDU), ehemaliger Vorsitzender der Arbeitsgruppe Arbeit und Soziales der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, gibt es seit dem 1. Oktober 2021 auch einen neuen Bundeswahlbeauftragten für die Sozialversicherungswahlen. Seine Stellvertreterin ist Daniela Kolbe (SPD), die bis zum Herbst 2021 ebenfalls dem Deutschen Bundestag angehörte und in den letzten Legislaturperioden Mitglied im Ausschuss für Arbeit und Soziales war. 

Die Bundeswahlbeauftragten sind – zusammen mit den Landeswahlbeauftragten – für die ordnungsgemäße Vorbereitung und Durchführung der Wahlen zu den Sozialversicherungsgremien zuständig. Bei den einzelnen Versicherungsträgern werden bis zum Februar 2022 Wahlausschüsse gebildet, die für die Vorbereitung und Durchführung der Wahl zu den Organen der Selbstverwaltung des Versicherungsträgers zu sorgen haben.

Als Wahltag für die nächste Sozialwahl haben die neuen Bundeswahlbeauftragten den 31. Mai 2023 festgelegt. Das bedeutet: Spätestens bis zu diesem Tag müssen die Stimmenabgaben der Wahlberechtigten beim jeweiligen Versicherungsträger eingegangen sein. Vor und nach dem eigentlichen Wahltag sind – zur ordnungsgemäßen Durchführung der Sozialwahlen – zahlreiche Fristen und Termine zu beachten. Sie sind im Wahlkalender für die Sozialversicherungswahlen 2023 festgehalten, den die Bundeswahlbeauftragten am 22. Oktober 2021 veröffentlicht haben. Er ist im Internet zu finden unter: https://www.bmas.de/DE/Soziales/Sozialversicherung/Sozialversicherungswahlen/wahlkalender-fuer-die-sozialwahlen-2023.html
Die zahlreichen Bestimmungen und Fristen zu den Sozialwahlen werden im SGB IV (§§ 45 – 57) und in der Wahlordnung für die Sozialversicherung (SVWO) geregelt. Letztere umfasst allein 96 Paragrafen (davon sind allerdings einige weggefallen) und 13 Anlagen. 

Grundsätzlich müssen zwei verschiedene Verfahren der Sozialwahl voneinander unterschieden werden:

- die Wahlen ohne Wahlhandlung (so genannte Friedenswahlen) und 
- die Wahlen mit Wahlhandlung (auch „Urwahlen“ genannt). 

Die Wahlergebnisse der Friedenswahlen werden schon am 13. Februar 2023 vom jeweiligen Wahlausschuss verkündet. Die Ergebnisse der Urwahlen können erst frühestens am 1. Juni ausgewertet werden. Dabei muss zuerst die Auswertung der Online-Stimmen erfolgen, da bei einer doppelten Stimmabgabe (per Brief und online) nur die bei der Online-Wahl abgegebene Stimme zählt. Über die Durchführung der Wahl und alle Wahlergebnisse berichten die Bundeswahlbeauftragten stets in einem ausführlichen Bericht. Der 287 Seiten starke Schlussbericht zu den letzten Sozialwahlen 2017 findet sich im Internet auf der Homepage des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales unter: 
https://www.bmas.de/DE/Service/Publikationen/a411-17-schlussbericht-sozialwahlen-2017.html

Zu dieser „Wahl ohne Wahlhandlung" kommt es, wenn entweder nur eine Vorschlagsliste vom Wahlausschuss zugelassen wurde oder auf mehreren Vorschlagslisten insgesamt nicht mehr Bewerber*innen benannt wurden, als Mitglieder zu wählen sind (§ 46 Abs. 2 SGB IV). Die Friedenswahl ist das mit großem Abstand am häufigsten praktizierte Verfahren bei den Sozialwahlen. Bei der letzten Sozialwahl im Jahr 2017 gab es bei 151 von 161 Versicherungsträgern Friedenswahlen. Auf der Arbeitgeberseite gab es – bis auf eine Ausnahme bei einer Betriebskrankenkasse – nur Friedenswahlen. Auf der Versichertenseite (und bei den Selbstständigen in der Sozialversicherung für Landwirtschaft, Forsten und Gartenbau) wurde nur bei neun Trägern keine Friedenswahl durchgeführt. Es kam also – genauso wie bei den vorherigen Sozialwahlen – zumeist gar nicht zu einer Abstimmung unter den Wahlberechtigten, weil sich die beteiligten Organisationen vorher in einem Aushandlungsprozessdarauf geeinigt hatten, die Listen so zu gestalten, dass die Zahl der Vorgeschlagenen der Zahl der zu besetzenden Mandate entspricht. 

Ja. Nicht nur die Gewerkschaften, auch die Arbeitgeberverbände haben sich klar für die Möglichkeit der Friedenswahl ausgesprochen. „Wahlhandlungen zu erzwingen, obwohl es nur einen Vorschlag gibt, ergibt keinen Sinn. Ein derartiges Vorgehen würde lediglich zu erheblichen Kosten führen, ohne dass im Sinne der demokratischen Legitimation etwas gewonnen würde“, heißt es zum Beispiel in einer Stellungnahme der Arbeitgeber. Wer zwischen verschieden Listen und Kandidat*innen auswählen kann, muss natürlich auch ausreichend über die Absichten der Bewerber*innen informiert werden. Dafür müssen dann erhebliche Mittel für die Werbung zur Verfügung gestellt werden und es muss – ähnlich wie bei Wahlen zum Bundestag oder den Länderparlamenten – zu pointierten Wahlkämpfen kommen. Die Selbstverwaltungsgremien in der Sozialversicherung sind aber „Konsensgremien“ und keine „Parlamente“ – auch wenn das oft so dargestellt wird. Über viele Rahmenbedingungen können sie gar nicht entscheiden, weil diese vom Gesetzgeber vorgegeben sind. Im Übrigen müssen sich hier Arbeitgeber- und Versichertenvertreter einigen. Somit können die Selbstverwalter*innen einer Seite vieles gar nicht durchsetzen, was die Wähler*innen von ihnen erwarten und vielleicht auch in zugespitzten Wahlkämpfen versprochen wurde. 

So ist die Möglichkeit der Friedenswahl in § 46 SGB IV auch ausdrücklich gesetzlich geregelt. Und schon in einer Grundsatzentscheidung vom 15. November 1973 hatte das Bundessozialgericht festgestellt, dass diese Regelung den Normen des Verfassungsrechts – insbesondere auch dem Demokratieprinzip – entspricht (Az.: 3 RK 57/72).  Trotzdem wird die Friedenswahl immer wieder in Frage gestellt und es wird versucht, mehr Urwahlen zu bewirken oder es werden sogar verpflichtende Urwahlen gefordert.

Zu Urwahlen – also Wahlen mit Wahlhandlung – kommt es dann, wenn mehr Listen und Kandidaten zur Wahl zugelassen werden, als Plätze im Verwaltungsrat oder in der Vertreterversammlung vorhanden sind. Dann können die Wahlberechtigten mit ihrer Stimme entscheiden, wer bzw. welche Liste in die Selbstverwaltung einziehen soll. Bei der letzten Sozialwahl 2017 gab es zehn Wahlen mit konkurrierenden Vorschlagslisten. Darunter war diesmal sogar eine Wahl auf der Arbeitgeberseite (bei einer Betriebskrankenkasse). Damit gab es seit 1974 erstmals wieder eine Urwahl bei den Arbeitgebern. Ansonsten finden die Wahlen mit Wahlhandlung nur auf der Versichertenseite (und bei den Selbstständigen ohne fremde Arbeitskräfte in der Landwirtschafts-Sozialversicherung) statt. Da regelmäßig bei den großen Ersatzkassen und bei der Deutschen Rentenversicherung Bund aktiv gewählt wird, sind – trotz weniger Urwahlen – dennoch viele Versicherte zur Wahl aufgerufen. 2017 lag die Anzahl der Wahlberechtigten immerhin bei 50,85 Millionen. Davon haben 15,5 Millionen ihre Stimme abgegeben (Wahlbeteiligung: 30,42 Prozent). Die Sozialwahl gehört damit – nach der Europa- und Bundestagswahl – zur drittgrößten Wahl in Deutschland.  

Gewählt wird in der Regel per Brief. Die Wahlberechtigten bekommen ab Mitte April 2023 von ihren Sozialversicherungsträgern ihre Wahlunterlagen per Post. Die ausgefüllten Stimmzettel müssen dann an die Träger zurückgeschickt werden und bis spätestens zum 31. Mai 2023 dort eingegangen sein. 
Erstmalig wird bei den Urwahlen im Jahr 2023 bei einigen Krankenkassen nicht nur per Brief, sondern auch online abgestimmt werden können. Denn 15 Kassen beteiligen sich am neuen „Modellprojekt Online-Wahlen 2023“. Alle Träger, bei denen neben den Briefwahlen auch Online-Wahlen möglich sind, informieren ihre Versicherten darüber. Auch die Online-Stimmen müssen bis spätestens zum 31. Mai 2023 abgegeben werden. Hier gilt die Stimmabgabe bis 23:59:59 Uhr. 

Die Online-Wahl bietet die Chance, das Interesse an der sozialen Selbstverwaltung zu stärken, neue Wählergruppen zu erschließen und damit die Wahlbeteiligung zu steigern. 

Wahlberechtigt sind die Mitglieder der Sozialversicherungsträger, bei denen es Wahlhandlungen gibt. Bei den Krankenkassen wählen nur die Mitglieder, die den Beitrag zahlen. Familienversicherte dürfen also nicht mitwählen. Dafür dürfen aber auch junge Menschen ab 16 Jahren wählen, sofern sie eigenständig (z.B. als Azubis) versichert sind. Außerdem müssen die Wahlberechtigten eine Wohnung in Deutschland oder einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union, einem Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz haben oder sich gewöhnlich dort aufhalten oder regelmäßig dort beschäftigt oder tätig sein (§ 50 SGB IV). 

Wählbar ist in der Regel, wer 

- volljährig ist,

- das Wahlrecht zum Deutschen Bundestag besitzt oder im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland seit mindestens sechs Jahren eine Wohnung hat, sich gewöhnlich dort aufhält oder regelmäßig hier beschäftigt oder tätig ist,

- bei dem Versicherungsträger, bei dem gewählt wird, Mitglied ist und

- „eine Wohnung in dem Bezirk des Versicherungsträgers oder in einem nicht weiter als einhundert Kilometer von dessen Grenze entfernten Ort“ in Deutschland wohnt oder sich gewöhnlich dort aufhält oder in dem Bezirk des Versicherungsträgers regelmäßig beschäftigt oder tätig ist (§ 51 Abs. 1 SGB IV).

Wählbar sind aber auch andere Personen. Auf der Versichertenseite betrifft dies Kandidat*innen, die zwar nicht dem jeweiligen Versicherungsträger angehören, aber als Vertreter*innen von den Gewerkschaften oder „sonstigen Arbeitnehmervereinigungen“ oder deren Verbänden vorgeschlagen werden. Sie werden als „Beauftragte“ bezeichnet. Unter den gesamten Mitgliedern in der Selbstverwaltung dürfen aber nicht mehr als ein Drittel der Versicherten bzw. der Arbeitgeber zu diesen Beauftragten gehören (§ 51 Abs. 4 SGB IV). 

Nicht wählbar sind insbesondere die Beschäftigten bei den jeweiligen Sozialversicherungsträgern, bei denen die Wahl ansteht, oder deren Aufsichtsbehörden und diejenigen, die regelmäßig für diese Träger freiberuflich tätig sind (§ 51 Abs. 6 SGB IV).  

Gewählt werden Listen und keine Personen. Auf den Wahlzetteln stehen also zumeist die Namen von Organisationen, die Kandidat*innen in die Selbstverwaltung entsenden wollen. Es können sich aber auch Versicherte oder Arbeitgeber zu „freien Listen" zusammenschließen und antreten. Diese heißen dann nach ihren führenden Protagonisten zum Beispiel „Freie Liste Müller, Meier".

Das Recht, Vorschlagslisten einzureichen, haben zum einen Gewerkschaften (wie etwa die IGBCE) sowie deren Verbände (wie etwa der DGB). Zum anderen steht dieses Recht aber auch „anderen selbstständigen Arbeitnehmervereinigungen mit sozial- oder berufspolitischer Zwecksetzung (sonstigen Arbeitnehmervereinigungen)“ sowie deren Verbänden zu (§ 48 Abs. 1 SGB IV).

Wenn die Organisationen, die kandidieren wollen, bisher noch nicht in der Selbstverwaltung des Trägers, bei dem gewählt wird, vertreten sind, dann müssen sie zunächst einmal eine bestimmte Zahl an Unterstützerunterschriften von Versicherten vorweisen, um kandidieren zu können. Die Zahl der notwendigen Unterschriften richtet sich nach der Größe des Versicherungsträgers. Hier hat der Gesetzgeber vor den kommenden Sozialwahlen eine bedeutende Änderung eingeführt: Das Unterschriftenquorum wurde erheblich abgesenkt.

Während zum Beispiel bisher bei Trägern mit 100.001 bis 500.000 Versicherten Unterschriften von 250 (wahlberechtigten) Personen für eine (erstmalige) Kandidatur notwendig waren, reichen nun nur noch Unterschriften von 100 Personen aus. Bei Versicherungsträgern mit mehr als 3 Millionen Versicherten (dazu zählen derzeit acht Krankenkassen, mindestens drei Rentenversicherungsträger und mindestens sechs Berufsgenossenschaften) sind nun nur noch 1.000 Unterschriften notwendig. Zuvor waren es mit 2.000 Unterschriften doppelt so viele.

Durch die Absenkung des Unterschriftenquorums will der Gesetzgeber „Vorschlagslisten den Zugang zu den Wahlen erleichtern“. Es soll also zu mehr Urwahlen kommen, indem die Unterschriftenhürde für neu kandidierende Listen abgesenkt wird.

Das sind vielfach Vereine, die so ähnlich heißen wie die Träger, bei denen sie vertreten sind: zum Beispiel TK-Gemeinschaft, BARMER VersichertenGemeinschaft, DAK-Mitgliedergemeinschaft, KKH-Versichertengemeinschaft, hkk-Gemeinschaft oder BfA DRV-Gemeinschaft. Diese weniger bekannten Vereine waren bei den vergangenen Urwahlen äußert erfolgreich. Sie errangen bei den Versicherungsträgern, deren Namen sie im Vereinsnamen mit sich führen, die meisten Stimmen. 

In § 48a Abs. 1 SGB IV wird näher definiert, welche rechtlichen Anforderungen an die Arbeitnehmervereinigungen gestellt werden. Sie müssen entweder die „arbeitsrechtlichen Voraussetzungen für die Gewerkschaftseigenschaft erfüllen“ (also Gegnerfreiheit, Streikfähigkeit, Tariffähigkeit etc.) oder „nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse, insbesondere nach Umfang und Festigkeit ihrer Organisation, der Zahl ihrer beitragszahlenden Mitglieder, ihrer Tätigkeit und ihrem Hervortreten in der Öffentlichkeit eine ausreichende Gewähr für die Ernsthaftigkeit und Dauerhaftigkeit ihrer sozial- oder berufspolitischen Zwecksetzung und die Unterstützung der auf ihren Vorschlag hin gewählten Organmitglieder und Versichertenältesten bieten. Die sozial- und berufspolitische Tätigkeit darf sich nicht nur auf die Einreichung von Vorschlagslisten zu den Sozialversicherungswahlen beschränken, sondern muss auch als eigenständige Aufgabe der Arbeitnehmervereinigung die Verwirklichung sozialer oder beruflicher Ziele für die versicherten Arbeitnehmer umfassen.“

Mit anderen Worten: Es darf sich bei den sonstigen Arbeitnehmervereinigungen nicht nur um reine „Wahlvereine“ handeln, die nur antreten, um Mandate in der Selbstverwaltung zu erringen, ansonsten aber kaum sozial- oder berufspolitisch in Erscheinung treten. Die Vereinigungen sollen also eine sozial- bzw. berufspolitische „Mächtigkeit“ haben.

Dies hat auch das Bundessozialgericht (BSG) schon in seinem Urteil vom 14. Juni 1984 (Az.: 1/8 RK 18/83) festgestellt. Doch wie soll bestimmt werden, ob eine sonstige Arbeitnehmerorganisation sozial- oder berufspolitisch mächtig genug ist, um die Interessen der Versicherten dauerhaft und ernsthaft zu vertreten? 

Dazu nennt das Gesetz – neben einigen eher verschwommenen Voraussetzungen – nur ein hartes Kriterium in § 48a Abs. 4 SGB IV: Die Vereinigungen benötigen „von Beginn des Kalenderjahres vor dem Kalenderjahr der Wahlausschreibung an“ (für die nächste Wahl im Jahr 2023 also ab Anfang 2021) „ständig“ eine bestimmte „Anzahl beitragszahlender Mitglieder“. Das von ihnen aufgebrachte Beitragsaufkommen soll „die Arbeitnehmervereinigung in die Lage versetzen, ihre Vereinstätigkeit nachhaltig auszuüben und den Vereinszweck zu verfolgen“.

Die erforderliche Zahl an beitragszahlenden Mitgliedern richtet sich wiederum nach der Größe des Versicherungsträgers, bei dem kandidiert wird. Für die Wahl 2023 hat sich hier gegenüber der letzten Wahl nichts geändert. Das regelt der neue § 129 SGB IV, der die Überschrift trägt: „Übergangsregelung für die Zulassung von Arbeitnehmervereinigungen für die Sozialversicherung im Jahr 2023“. Danach müssen die Vereinigungen maximal (und das nur bei Trägern mit mehr als 3 Millionen Versicherten) 1.000 Mitglieder haben.

Damit wird sich wohl auch bei der kommenden Wahl nichts daran ändern, dass – wie in der Vergangenheit (insbesondere bei den Ersatzkassen und der Deutschen Rentenversicherung Bund) – Gruppierungen auf der Versichertenseite bei Urwahlen antreten werden, die nur wenige Mitglieder haben und sozialpolitisch und finanziell relativ schwach sind.

Die vom DGB-Bundesvorstand herausgegeben Fachzeitschrift Soziale Sicherheit hatte schon bei einer Recherche vor der letzten Sozialwahl in ihrer Ausgabe 3/2017 aufgezeigt, dass nur wenige der bei den Urwahlen so erfolgreichen sonstigen Arbeitnehmerorganisationen ihre Mitgliederzahlen preisgeben. Die höchste damals von den befragten Vereinigungen genannte Mitgliederzahl lag bei 5.500 (bei der KKH-Versichertengemeinschaft), andere gaben lediglich an „über 1.000“ Mitglieder zu haben. Die BARMER GEK Versichertenvereinigung, die seit 1999 bei der BARMER stets die zweitstärkste Liste war, musste nach längerem Schweigen vor der letzten Wahl sogar offen zugeben, dass der Verein „nicht die zur Teilnahme an der Sozialwahl 2017 notwendigen 1.000 Mitglieder“ hat. 

 
Ja. Das ist neu ist bei den nächsten Sozialwahlen. Erstmals ist eine Geschlechterquote zu beachten. Im Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung gilt dazu eine „Muss-Regelung“ zur Quote in der Selbstverwaltung: Bei den Orts-, Betriebs-, Innungs- und Ersatzkrankenkassen „hat jede Vorschlagsliste mindestens 40 Prozent weibliche und 40 Prozent männliche Bewerber zu enthalten“ (§ 48 Abs. 9 SGB IV).

Um den Anteil von Frauen auch in den Vertreterversammlungen der Renten- und Unfallversicherungsträger zu erhöhen, sollen auch hier Frauen und Männer bei der Aufstellung einer Vorschlagsliste möglichst zu jeweils mindestens 40 Prozent berücksichtigt werden. Außerdem soll der Frauenanteil bei der Listenaufstellung so verteilt werden, dass von jeweils drei aufeinanderfolgenden Listenplätzen mindestens ein Listenplatz mit einer Frau zu besetzen ist (§ 48 Abs. 10 SGB IV).

Allerdings macht der Gesetzgeber hier wieder einen kleinen Schritt zurück: Denn bei der neuen Frauenquote in der Renten- und Unfallversicherung handelt es sich nur um eine „Soll-Regelung“. Sie muss nicht eingehalten werden. Wird die Quote oder die Verteilung nicht eingehalten, muss dies aber zumindest begründet werden. Die Begründungen sind im Protokoll aufzunehmen und mit der Vorschlagsliste beim Wahlausschuss einzureichen. Bei einer fehlenden Begründung handelt es sich um einen „behebbaren Mangel“ nach der Wahlordnung (SVWO). Wenn innerhalb der Mängelbeseitigungsfrist (§ 22 Abs. 3 Satz 2 SVWO) der Mangel nicht behoben wird, sind diese Vorschlagslisten zurückzuweisen.

Mit der „Soll-Regelung“ soll „im Einzelfall möglichen Umsetzungsproblemen – insbesondere im Bereich der Unfallversicherung – Rechnung getragen werden“, heißt es in der Gesetzesbegründung. Deshalb werde ermöglicht, dass in begründeten Ausnahmefällen von der Quotenvorgabe abgewichen werden kann.

Auch bei der Aufstellung der Vorschlagslisten für den ehrenamtlich tätigen Vorstand bei der Renten- und Unfallversicherung „sollen“ jeweils mindestens 40 Prozent Frauen berücksichtigt werden (§ 52 Abs. 1a SGB IV). Auch hier kann es aber wiederum begründete Ausnahmefälle geben.

Die in einer Vorschlagsliste aufgeführten Bewerber*innen sollen künftig in einem transparenteren Verfahren aufgestellt worden sein. Deshalb muss künftig ein Protokoll über die Aufstellung der Bewerber*innen angefertigt werden (§ 48 Abs. 8 SGB IV). Darin soll insbesondere festgehalten werden,

- wen die vorschlagsberechtigten Organisationen zur Einreichung von Bewerbervorschlägen aufgerufen haben,

- in welcher Form der Aufruf erfolgt ist,

- durch welches nachvollziehbare Verfahren aus den Bewerber*innen die Vorschlagsliste erstellt worden ist und die Reihenfolge der Bewerber*innen festgelegt worden ist und

- nach welchem Verfahren im Falle des Ausscheidens eines Mitglieds einer Vertreterversammlung oder eines Verwaltungsrates der Nachfolger oder die Nachfolgerin ausgewählt wird.

Neu ist künftig auch, dass Listenzusammenlegungen nur noch „bis zum Ende der Einreichungsfrist beim Wahlausschuss“ erfolgen können (für die nächste Wahl ist das spätestens der 17. November 2022). Auch so soll die Zahl der Urwahlen erhöht werden, „indem strategische Listengestaltungen erschwert werden“.

Ja. Das ist nach § 48 Abs. 7 SGB IV ausdrücklich erlaubt und wird auch vielfach praktiziert. So sind etwa bei der letzten Wahl bei der Deutschen Rentenversicherung die Listen der Gewerkschaft ver.di, der Katholischen Arbeitnehmer-Bewegung (KAB), des Kolpingwerks, des Bundesverbands Evangelischer Arbeitnehmerorganisationen und der IG Metall jeweils getrennt zur Urwahl angetreten. Sie sind aber eine Listenverbindung eingegangen. Der Vorteil: „Verbundene Listen gelten bei der Ermittlung des Wahlergebnisses im Verhältnis zu den übrigen Listen als eine Liste“ (§ 48Abs. 7 SGB IV). Ihre Stimmen werden also zusammengezählt. So kann bei der Ermittlung des Wahlergebnisses nach dem Höchstzählverfahren d’Hondt eine bessere Reststimmenverwertung ermöglicht werden. Und: Eine Liste, die sonst an der 5-Prozent-Hürde, die es auch bei der Sozialwahl gibt, scheitern würde, kann so unter Umständen doch noch in die Selbstverwaltung einziehen.