Hygiene im Betrieb

So sieht ein Hygieneplan aus

Die Arbeit geht jetzt wieder los – oder findet weiterhin statt. Viele Betriebe haben bereits Schutzmaßnahmen umgesetzt. Doch es geht auch um Hygiene. Wie kann Hygiene in der Produktion umgesetzt werden und was muss ein Hygieneplan eigentlich beinhalten?

Dr. med. Georg-Christian Zinn
Foto: © Bioscientia

Das haben wir Dr. med. Georg-Christian Zinn gefragt. Er ist als Facharzt für Hygiene und ärztlicher Direktor des Zentrums für Hygiene (ZHI) des medizinischen Labors Bioscientia bestens mit dem Thema Hygiene vertraut.

Wie Zinn erklärt, besteht ein Hygieneplan aus zwei Bausteinen: der Standardhygiene und der Umgebungshygiene. „Zur Standardhygiene gehört die Umsetzung persönlicher Hygiene, also Abstandhalten, das Waschen und Desinfizieren der Hände sowie das Tragen persönlicher Schutzkleidung, wie zum Beispiel dem einfachen Mund-Nasen-Schutz“, sagt er. Den zweiten Baustein stellt die Raum- und Umgebungshygiene dar. Bei der Raumhygiene kommt es vor allem auf die Desinfektion von Türklinken, Handläufen, Tastaturen und allem, was üblicherweise irgendwie angefasst wird, an.

Einfache Maßnahmen reduzieren Risiko

Zu jedem Hygieneplan gehört auch ein Hygienebeauftragter, üblicherweise mit einem Stellvertreter. Hygienepläne müssen außerdem darauf angepasst sein, ob sie im medizinischen oder nicht-medizinischen Bereich eingesetzt werden. Der Umfang eines Hygieneplans kann sehr unterschiedlich ausfallen, von nur wenigen Seiten bis zu mehreren Hundert, je nach Größe des Unternehmens und der Anzahl der zu berücksichtigenden Bereiche. Es kommt auch darauf an, wie unterschiedlich die einzelnen Arbeitsbereiche sind, dementsprechend ist ein abgestuftes Herangehen bei der Hygiene möglich.

Beim Erstellen und Umsetzen eines Hygieneplans ist auch der Betriebsrat mit einzubinden. In der Corona-Pandemie sind auch die Abstimmungen mit den Krisenstäben von Bedeutung.

Das größte Infektionsrisiko für klassische Produktionsunternehmen, die erst jetzt in der Corona-Pandemie aufgerufen sind, Hygienepläne zu erstellen und den Sicherheitsabstand zu beachten, stellen aus Sicht von Zinn die Mitarbeiter dar. „Die wichtigsten Maßnahmen sind daher die soziale Distanzierung, das Einhalten der Hygiene-Richtlinien sowie das Tragen des Mund-Nasen-Schutzes“, erläutert der Hygiene-Facharzt. Soziale Distanz ist möglich durch Schichttrennungen, elektronisch vermittelte Besprechungen sowie Homeoffice, zum Beispiel im administrativen Bereich. Dennoch: „Keine Maßnahme allein genügt, um ausreichend Schutz zu gewährleisten“, betont der Hygiene-Facharzt. Die Standardhygiene mit ihren persönlichen Elementen stellt gewissermaßen die „zweite Verteidigungslinie“ dar, falls Fehler gemacht worden sind, wie Zinn erklärt. Beide Bausteine sind also essentiell.

Den Einsatz von professionellen Masken wie den FFP2- oder FFP3-Masken für einfache Besprechungen bei Laien hält der Experte aktuell hingegen für überdimensioniert: „Das wäre so, als ob ich mit einem Motorradhelm Fahrrad fahren würde.“ Die FFP-Masken sind im Moment insbesondere für Kliniken und Krankenhäuser relevant und sollten diesen kritischen Bereichen vorbehalten bleiben. Laien wissen zudem nicht, wie sie die Masken korrekt anlegen und wieder abnehmen: „Im normalen Gespräch im außer-klinischen Bereich bringt der einfache Mund-Nasen-Schutz da mehr“, so Zinn.

Interne Kommunikation wichtig

Zur Sensibilisierung der Beschäftigten ist die interne Kommunikation wichtig. „Es reicht nicht, nur einen Hygieneplan zu schreiben und zu sagen, der steht im Intranet." Die Informationsmöglichkeiten und Sensibilisierung sollte über bereits jetzt schon in vielen Betrieben aushängenden Hinweise zur Hände-Hygiene hinausgehen. Zum Beispiel durch die Schaffung einer Informations-Hotline für alle Beschäftigten, an die man sich bei Fragen wenden kann oder auch Videoanleitungen zur korrekten Umsetzung der Schutzmaßnahmen.

Für ganz besonders wichtig hält der Hygiene-Facharzt es, den Mitarbeitern klar zu kommunizieren, dass sie mit Krankheitssymptomen auf jeden Fall zu Hause zu bleiben sollen beziehungsweise diese abklären lassen. Dennoch krank zur Arbeit zu erscheinen, dürfe auf keinen Fall positiv im Betrieb aufgenommen werden. Die Mitarbeiter müssten aber natürlich auch selbst entsprechend reagieren, meint er: „Wenn ich krank bin, bleibe ich vorsichtshalber zuhause, bis das Gegenteil bewiesen ist.“ Es gehe bei all diesen Maßnahmen um maximalen Schutz, aber auch darum, die Angst zu reduzieren.

Die, die von zuhause aus arbeiten können, sollten unbedingt diese Möglichkeit bekommen und auch wahrnehmen, meint Zinn: „Ich lege das als Hygieniker jedem Betrieb nahe, Mitarbeiter lieber zuhause zu lassen, wenn es möglich ist.“

Der Arbeitgeber von Zinn, das medizinische Labor Bioscientia, geht natürlich auch selbst so vor. Bei Bioscientia sind die Hygienebedingungen standardmäßig schon sehr hoch, da der Labordiagnostikleister mit Stoffen unterschiedlichster Gefährdungsklassen arbeitet und Labore sowieso schon den Regelungen der Biostoffverordnung (BioStoffV) unterliegen. Der Hygieneplan von Bioscientia umfasst etwa 100 Seiten. Da es bei dem Dienstleister viele Arbeitsbereiche gibt und diese sehr unterschiedlich sind – von der Empfangshalle bis zum Tuberkulose-Labor, sind die Hygieneanforderungen unterschiedlich hoch und es wird bei der Hygiene entsprechend abgestuft vorgegangen. Bei Bioscientia gibt es bei der Raumhygiene außerdem eine Aufteilung zwischen dem Reinigungspersonal und Beschäftigten. Die medizinisch-technischen Assistenten desinfizieren zum Beispiel ihre Arbeitsflächen in den Laboren selbst, das Reinigungspersonal reinigt alles andere.

Einbindung des Betriebsrats

Auch die Zusammenarbeit mit dem Betriebsrat ist wichtig. Dieser hat während der aktuellen Corona-Pandemie jeden Tag eine Sitzung mit den hauseigenen Hygienikern und nimmt deren Vorschläge auf. Die interne Kommunikation bei Bioscientia ist auf weitergehende Information und Sensibilisierung der Beschäftigten ausgerichtet. Dazu gehören im Intranet bereitgestellte Informationen, praktisch ausgerichtete Videoanleitungen zur richtigen Umsetzung der Schutzmaßnahmen, eine Hotline wie auch eine zentrale E-Mail-Adresse, an die sich die Mitarbeiter wenden können. Außerdem werden Beschäftige ins Homeoffice geschickt, wo es möglich ist und deutlich signalisiert, dass kranke Mitarbeiter nicht zur Arbeit kommen dürfen. Letzteres galt bei Bioscientia auch schon früher, da kranke Beschäftigte andere Mitarbeiter bekanntermaßen nicht nur mit dem Coronavirus, sondern auch mit anderen Erregern infizieren können.

Zinn mahnt: „Das Virus ist da und immer noch sehr gefährlich.“ Dazu kommt, dass man immer noch zu wenig über das Virus weiß. Die Notwendigkeit von entsprechenden Schutzmaßnahmen und der Einführung und Umsetzung eines Hygieneplans liegt für den Facharzt daher klar auf der Hand – für den Gesundheitsschutz der Beschäftigten wie auch für das Hochfahren der Produktion:

„Ein Betrieb, der jetzt beim Anfahren die Hygiene außen vorlässt, produziert drei Wochen lang und muss dann wieder alles runterfahren“, prognostiziert der Hygiene-Facharzt.

Ein Hygieneplan und das Einhalten der entsprechenden Schutzmaßnahmen ist also umso wichtiger - auch in der Produktion.