Bei der ersten digitalen Zukunftswerkstatt der IGBCE zeigt sich: Vielen Mitgliedern geht es in diesen wirtschaftlichen anspruchsvollen Zeiten um Arbeitsplatz- und Standortsicherheit - und sie halten Tarifverträge zur sozialen Absicherung für enorm wichtig. Die Ergebnisse aus dem Event werden einfließen in inhaltliche Aufstellung der IGBCE für die kommenden Jahre.
Die Welt verändert sich rasend schnell. Wie stellt sich die IGBCE angesichts der dynamischen Entwicklungen in Arbeitswelt, Gesellschaft und Politik auf, um auch künftig die Interessen ihrer Mitglieder wirkungsvoll vertreten zu können? Welche Antworten hat die Gewerkschaft auf die großen Herausforderungen der Zukunft? Um diese Fragen zu beantworten und die Leitplanken für den nächsten Gewerkschaftskongress im Herbst 2025 festzulegen, hat die IGBCE den inhaltlich-programmatischen Strategieprozess „KLAR – Klar für die Zukunft“ gestartet.
Begonnen hat dieser Prozess mit regionalen Auftaktveranstaltungen in den Landesbezirken und einer eine App-Umfrage in der Mitgliedschaft. Die bisherigen Ergebnisse der Diskussionen und Befragung wurden für die digitale Zukunftswerkstatt, zu der alle Ehrenamtlichen der IGBCE wie Betriebsratsmitglieder oder Vertrauensleute eingeladen waren, aufbereitet. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer konnten sich während der Werkstattgespräche über Reactionlinks und Wortwolken beteiligen.
Zu Beginn der Zukunftswerkstatt, bei der sich auch der gesamte geschäftsführende Hauptvorstand der IGBCE (gHV) beteiligte, ordnete der IGBCE-Vorsitzende Michael Vassiliadis die aktuelle Lage und die künftigen Herausforderungen mit seinem Redebeitrag ein. Er stellte zunächst die Themenfelder heraus, die im Zentrum des Strategieprozesses stehen: die Transformation der Industrie, eine starke Sozial- und Tarifpolitik sowie eine zukunftsorientierte Unternehmens- und Betriebspolitik.
Vorbereiten auf raue See
Die Frage, die dabei über allem stehe, laute: „Was macht uns in dieser schnelllebigen, modernen Welt zu einer guten und starken Gewerkschaft?“ Die Zukunftswerkstatt sei dabei eine „Art TÜV“ für die IGBCE – zum einen handele es sich um eine Bestandsaufnahme, wo man stehe, zum anderen drehe es sich um die Frage: „Wo wollen, wo müssen wir hin als moderne und leistungsfähige Organisation?“ Denn es gehe jetzt darum, „in unsicheren Zeiten maximalen Schutz für unsere Mitglieder zu organisieren“.
Zum Schutzauftrag der Gewerkschaften gehöre neben Erhalt und Weiterentwicklung der Standorte aus dem Wirkungsbereich der IGBCE eben auch, die Transformation der Industrie aktiv zu begleiten und zu prägen. Vassiliadis bereitete zudem darauf vor, dass „der Seegang rauer“ wird, der Druck auf Wirtschaft und Gesellschaft zunehme, auch die geopolitischen Verwerfungen und Herausforderungen wachsen würden. Es sei Aufgabe der IGCE, adäquat und schnell reagieren zu können.
Einen kurzen Impulsvortrag zu den zentralen Themenfeldern der Zukunftswerkstatt lieferte auch Michael Hüther, Direktor des Instituts der Deutschen Wirtschaft (IW). Er erläuterte, dass die deutsche Wirtschaft unter dem Verlust der Wettbewerbsfähigkeit des Standorts leide. Die Unternehmen bräuchten einen verlässlichen und wettbewerbsfähigen Strompreis. Zudem brauche Deutschland eine „Investitionsoffensive für die Infrastruktur“, etwa über einen Infrastruktur und Transformationsfonds – eine Forderung, die die IGBCE schon seit längerer Zeit formuliert.
Bildung und Qualifikation seien zentrale Themen bei der Umsetzung der Transformation in den Unternehmen, so Hüther. Denn viele Berufsbilder haben oder werden sich verändern. Für die Beschäftigten bedeute das entweder, dass sich durch Weiterqualifikation ihr bisheriger Job verändere. Oder aber, dass sie nach einer Qualifikation eine ganz neue Tätigkeit aufnehmen würden.
Lobende Worte fand er für die deutsche Kultur der Sozialpartnerschaft: Hierzulande hätten Gewerkschaften und Arbeitgeberverbände sowie Unternehmen gerade in Krisensituationen immer wieder Ansätze gefunden, den sich wandelnden Bedingungen zu begegnen und anzupassen. Angesichts der anstehenden Herausforderungen sei es „aller Mühen wert, diesen Weg weiter zu gehen“. Auch beim Thema Digitalisierung und Künstliche Intelligenz seien die Tarifparteien in der Pflicht, „flexible Möglichkeiten“ zu finden.
Zentral: Investitionen in die Infrastruktur
Mit den sogenannten Werkstattgesprächen ging es in den interaktiven Teil der Veranstaltung: Zum Themenblock Transformation der Industrie und Unternehmenspolitik sowie Betriebspolitik der Zukunft saßen nicht nur die zuständigen gHV-Mitglieder Francesco Grioli und Alexander Bercht auf der Bühne, sondern auch aktive Ehrenamtliche aus der IGBCE. Die übergeordneten Fragen dabei waren, wie die IGBCE dazu beitragen kann, den Industriestandort zu sichern, ohne ökologische Ziele zu gefährden, und die Transformation in den Betrieben so zu begleiten, dass sie zur Chance und nicht zur Belastung für die Beschäftigten wird. Für Betriebsräte gebe es die Möglichkeit, den Transformationsprozess mittels Perspektiv- und Zukunftsvereinbarungen direkt im Betrieb zu gestalten, erklärte Grioli.
Eveline Engel, Betriebsrätin am Bayer-Standort Bergkamen, betonte, dass es innovative Ansätze brauche, um die Transformation aktiv zu begleiten – gerade beim Thema Weiterbildung und Qualifizierung böten sich da für Betriebsräte Möglichkeiten. Auch die Zuschauerinnen und Zuschauer an den Bildschirmen konnten bei Frageblöcken über Reaction-Links ihre Meinungen teilen. Als wichtigste Rahmenbedingungen für eine gelungene Transformation nannten sie Investitionen in die Infrastruktur (38 Prozent) und Transformationshilfen für Unternehmen (22 Prozent).
Priorität hatten für sie neue zukunftssichere Jobs (42 Prozent) sowie wettbewerbsfähige Standorte (37 Prozent). Als Punkte, die die IGBCE am dringlichsten durchsetzen sollten, um Jobs zu sichern, wurden am häufigsten „sicherere und faire Arbeitsbedingungen“ (33 Prozent) und „stärkere Mitbestimmungsmöglichkeiten“ (22 Prozent) genannt.
Härtere Tarifrunden zu erwarten
Im zweiten Werkstattgespräch ging es um die Themenfelder Sozial- und Tarifpolitik. Der zuständige IGBCE-Vorstand Oliver Heinrich wies darauf hin, dass auch in der Tarifpolitik künftig mit härteren Auseinandersetzungen zu rechnen sei. Die Prioritäten in dem Bereich sahen die Ehrenamtlichen an den Bildschirmen klar in der Absicherung gegen Arbeitsplatzverluste und Krisen (41 Prozent) sowie bei höheren Löhnen (31 Prozent). Ganze 83 Prozent erklärten, dass sie Tarifverträge als wichtiges Instrument der sozialen Absicherung sehen würden. Bei der Sozialpolitik wünschten sich die Zuschauerinnen und Zuschauer ein besonders starkes Engagement der IGBCE in den Themenfeldern Renten und Altersvorsorge (43 Prozent) sowie Vereinbarkeit von Familie und Beruf (31 Prozent).
Natalie Mühlenfeld, Vorstandssekretärin bei der IGBCE und verantwortlich für die inhaltliche Gestaltung des Strategieprozesses, zeigte sich nach der Veranstaltung zufrieden: „Die Zukunftswerkstatt war ein wichtiger Meilenstein in unserem Strategieprozess ‚KLAR – Klar für die Zukunft‘ und zugleich das erste Mal, dass wir dieses Format genutzt haben. Dabei konnten wir viele wertvolle Impulse und Perspektiven zusammenführen, die nun die Grundlage für unsere nächsten Schritte bilden. Die Veranstaltung hat deutlich gemacht, wie wichtig es ist, gemeinsam voranzugehen – mit Klarheit, Zuversicht und Entschlossenheit.“
Die Erkenntnisse der Zukunftswerkstatt werden mit den Diskussionen und Debattenbeiträge aus den regionalen Veranstaltungen sowie den Ergebnissen aus der App-Umfrage unter den IGBCE-Mitgliedern zusammengeführt und mit Blick auf IGBCE-Kongress im Herbst 2025 ausgewertet. Sie werden zunächst auf den bald anstehenden Bezirksdelegierten- und Landesbezirksdelegiertenkonferenzen thematisiert und schließlich in Anträge für den Kongress überführt.