Während drinnen die zweite Verhandlungsrunde des Betriebsrats mit dem Management zum Interessenausgleich lief, haben vor dem Werk von RHI Magnesita am 4. Dezember rund 100 Mitglieder der IG BCE gegen die geplante Schließung protestiert.
Das Werk, das lokal unter dem traditionellen Namen „Schamott“ bekannt ist, gibt es seit rund 120 Jahren. Hergestellt werden feuerfeste Produkte, unter anderem Steine für die Glas- und die Zementindustrie. Seit 1995 gehört es zu dem Konzern mit Zentrale in Wien. Für die IG BCE und den Betriebsrat ist klar: Hier soll ein Standort geschlossen werden, der profitabel ist. „Die Belegschaft ist sehr flexibel und leistet qualitativ hochwertige Arbeit“, sagte der Betriebsratsvorsitzende Michael Schwarz. Unverständlich sei für ihn, dass die Produktion eines im Betrieb entwickelten innovativen Produkts in andere Werke verlagert worden sei. Dem Vernehmen nach müsse das Unternehmen sogar Vertragsstrafen zahlen, weil in Mainzlar-Stauffenberg die Produktionskapazitäten heruntergefahren worden seine.
„Unternehmensvertreter haben gegenüber uns und der Politik mehrfach betont, es gäbe keinen Beschluss, das Werk zu schließen“, berichtet Julian Fluder, Betriebsbetreuer der IG BCE. „Trotzdem hat der Arbeitgeber den Betriebsrat knapp vier Wochen vor Weihnachten aufgefordert, einen Sozialplan zu verhandeln.“ Das will der Betriebsrat nicht akzeptieren.
Unterstützung bekamen die Beschäftigten von RHI Magnesita von Kolleg*innen aus der IG Metall, vom Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) sowie aus Politik und Gesellschaft. „Ich kann mir Stauffenberg ohne die Schamott nicht vorstellen“, sagte der Mainzlarer Bürgermeister Peter Gefeller. „Ich weiß, wie viele Steuern dieses Unternehmen jedes Jahr in die Stadtkasse gezahlt hat. Und ich kann mir vorstellen, wie viel Gewinn mit diesem Werk gemacht worden ist.“ Daher sei es beschämend, dass der Standort geschlossen werden solle.
„Es geht um reine Profitgier auf Kosten eurer Arbeitsplätze“, sagte Klaus Zecher, der Vorsitzende des Kreisvorstands des DGB. „Dagegen wehren wir uns gemeinsam! Wir fordern Politik und Wirtschaft auf, diesen Standort zu erhalten.“ Mit Rasseln erzeugten die rund 100 IG BCE Mitglieder ohrenbetäubenden Lärm, in Sprechchören machten sie ihrem Unmut Luft. „Damit der Aktionär laut lacht, wird dieses Werk bald dicht gemacht“, stand auf einem Transparent. Auf einem anderen hieß es: „Eines solltet ihr noch Wissen: Ihr werdet Mainzlar bald vermissen!“ Alexander Wiesbach, Sekretär der IG BCE im Bezirk Mittelhessen, stellte klar: „RHI ist die Zukunft der Region und sichert die Existenz von über 130 Kolleginnen und Kollegen im Betrieb und ihren Familien. Dazu kommen rund 500 Beschäftigte der Zulieferindustrie und ihre Angehörigen.“
Traugott Stein, der Pfarrer der evangelischen Kirchengemeinde Kirchberg - Staufenberg - Mainzlar – Daubringen, wünschte den Beschäftigten Kraft für die Verhandlungen: „Hier wird gelingendes Leben verhindert, weil eure Arbeitsplätze abgebaut werden sollen. Dagegen gilt es aufzustehen.“
Von Bosch in Lollar war eine Delegation der IG Metall-Vertrauensleute zu der Kundgebung gekommen. Sie wünschten den Beschäftigten bei RHI Magnesita Mut für den Kampf um die Arbeitsplätze – bis hin zum Streik.
Seit mehr als zwei Jahren machten bei RHI Magnesita in Mainzlar Gerüchte über eine mögliche Schließung des Betriebs die Runde. Als dann im Sommer von der Zentrale in Wien die Anweisung kam, einen der beiden für die Produktion essentiellen Tunnelöfen herunterzufahren, wurde aus den Befürchtungen Gewissheit. Vor Gericht versuchte der Betriebsrat sich gegen die Abschaltung zu wehren – vergebens. Ende November gab das Unternehmen dann offiziell bekannt, den Standort schließen zu wollen.
Einen ersten Erfolg hatte die Kundgebung bereits. Die Arbeitgeberseite stimmte zu, dass der Betriebsrat gemeinsam mit externen Beratern ein Alternativkonzept entwickelt, wie das Werk weiterbetrieben werden kann. Und dass er dafür wirtschaftliche Zahlen und Unterstützung aus dem Betrieb bekommt.