Rechtspopulisten im Aufwind, zunehmender Nationalismus und Rassismus — auch das ist die Gegenwart. Oder anders gesagt: Verbale und körperliche Gewalt gegen die „Anderen“ findet jeden Tag statt. Was kann jeder auch am Arbeitsplatz dagegen tun?
Ein Dienstleistungsunternehmen wollte einem Auszubildenden kündigen. Er sei dem Betrieb „zu rechtslastig“ mit seinen häufigen Äußerungen, hieß es. Der junge Mensch sprach von „schwarzem Humor“; Kollegen und Ausbildungsleiter sahen rassistische Tendenzen und drohten zusammen mit der Unternehmensführung mit dem Aus. „Es ist aber wichtig, genauer hinzusehen“, sagt Sebastian Ramnitz, der sich als Referent und Seminarleiter – auch für die IG BCE – mit Rechtsextremismus und Rassismus in der Arbeitswelt auseinandersetzt. Als externer Berater moderierte er den Fall und stellte zwei Dinge fest: Erstens stand der Auszubildende keineswegs rechts und war über die Wirkung seiner Bemerkungen erschrocken. Und zweitens konnten die Ausbildungsleiter selbst nicht immer zwischen Rechtspopulismus, Satire und rechtsextremen Meinungen klar unterscheiden. Fazit: Nach klärenden Gesprächen blieb der Auszubildende im Betrieb.Aber was ist, wenn ein Kollege meint, was er sagt?
Sammle Fakten!
Rechtes Gedankengut ist quer in der bundesdeutschen Gesellschaft anzutreffen. Forscher haben ermittelt, dass knapp 20 Prozent der Deutschen fremdenfeindlich eingestellt sind (so unter anderem die „Mitte-Studie“ von der Friedrich-Ebert-Stiftung und der Universität Bielefeld von 2016). Eine solche Einstellung macht auch nicht vor Gewerkschaftsmitgliedern halt, wie Forscher der Hans-Böckler-Stiftung feststellten, die 2009 mehrere Studien mit Bezug auf die Arbeitswelt untersuchten. Experten sprechen von gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit (GMF), was in aller Kürze bedeutet: Eine Gruppe hat etwas gegen eine andere. Das meint also nicht nur Deutsche gegenüber Minderheiten. Die Grenzen sind nicht immer klar, weil Rassismus, die Abwertung von Menschen mit Behinderungen odersolchen ohne festen Wohnsitz sowie Ressentiments gegenüber anderen Religionen oder sexuellen Neigungen zum Tragen kommen können.
Zur Rede stellen!
Sind „Wutbürger“ und „Lügenpresse“- Rufer immer Rechtsextreme und Rechtspopulisten? “Jemanden gleich abzustempeln, hilft nicht“, findet Ramnitz. „Vielleicht stecken ja Ängste in bestimmten Aussagen.“ Wer Angst vor einem Jobverlust hat, ist einer schwachen Position. Und das kann unter Umständen rechte Tendenzen stärken, so die Analyse der Hans-Böckler- Stiftung. Für die Gesellschaft gefährlich sind sowohl die politisch Überzeugten mit einer rechten Gesinnung als auch die Mitläufer. Die Überzeugten tragen oft deutliche Symbole zur Schau oder zeigen ihre Gesinnung durch bestimmte Kleidung oder dadurch, welche Musik sie hören. Ihnen, aber auch Mitläufern begegnet man am besten mit Fakten und klaren Standpunkten. Jemanden zur Rede stellen, sei für viele eine Hemmschwelle, weiß Ramnitz. “Man will ja nicht den Betrieb stören.“ Aber wer trüge wirklich Schuld daran, wenn der Betriebsfrieden gestört wird?
Der juristische Rahmen
Im Betriebsverfassungsgesetz ist auch vom Betriebsfrieden die Rede. Und der könne durch „rassistische und fremdenfeindliche Betätigungen eines Arbeitnehmers “ gestört werden, schrieb der Jurist Christoph Fröb in seiner 2017 veröffentlichten Dissertation „Die Bekämpfung von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit im Arbeitsrecht“. Paragraf 75 beschreibt die Pflicht eines Arbeitgebers, Benachteiligungen im eigenen Unternehmen zu unterbinden. Mit anderen Worten: Gleichbehandlung und respektvoller Umgang miteinander sind Gesetz. Auch das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) schreibt den Schutz vor Diskriminierungen vor. Daraus folgt unter anderem ein Beschwerderecht bei den zuständigen betrieblichen oder staatlichen Stellen. Die Bekämpfung von Rassismus und Rechtsextremismus ist auch eine Aufgabe des Betriebsrats. Jeder Beschäftigte kann seinen Betriebsrat einschalten. Betriebsräte wiederum können Druck auf den Arbeitgeber ausüben, damit ein Beschäftigter entlassen wird, der sich außerbetrieblich – also in seiner Freizeit – rassistisch oder fremdenfeindlich betätigt.
Gemeinsame Prävention
Mit der Einsetzung von Beauftragten oder regelrechten Stellen zur Bekämpfung von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit setzen Arbeitgeber deutliche Signale. Die Regeln der Mitbestimmung besagen, dass auch der Betriebsrat eingeschaltet wird. Gemeinsam lassen sich Richtlinien oder Leitbilder erarbeiten. „Am besten wird so etwas gemeinschaftlich entwickelt “, rät Ramnitz. Aus einem Leitbild werden Verhaltensvorschriften abgeleitet – gestützt durch Sanktionen von Abmahnung über Bußgeld bis hin zur Kündigung. Betriebsvereinbarungen setzen ebenfalls einen rechtlich bindenden Rahmen. Im Kommen ist auch Diversity Management. Diversity meint biologische, sexuelle, religiöse oder auch kulturelle Vielfalt. Die zu pflegen, ist nicht nur in global arbeitenden Unternehmen eine Managementaufgabe geworden. Gewerkschaften wie die IG BCE fördern diese Entwicklung in all ihren Branchen. Die Adressaten von Diversity-Workshops sind nicht nur Unternehmensleitungen, sondern auch Betriebsräte, Schwerbehindertenvertretungen und JAVen.
Wichtige Anlaufstellen
Die Antidiskriminierungsstelle des Bundes nimmt Beschwerden auf und informiert Betroffene.
In jedem Bundesland gibt es die Mobile Beratung gegen Rechtsextremisus, die unter anderem Berater an Betriebe, Betroffene und Betriebsräte vermittelt. Diese beraten und moderieren kostenfrei und anonym. Kontakte gibt es über den Bundesverband.
Das Netzwerk Belltower der Amadeu-Antonio-Stiftung bietet neben Faktenchecks und Argumentierhilfen auch eine Übersicht über rechte Symbolik.
Die Bundeszentrale für politische Bildung hat ein umfangreiches Dossier zum Thema Rechtsextremismus.
Auf der Webseite Aktiv gegen Diskriminierung sind Muster für Betriebsvereinbarungen hinterlegt.
Jedes Jahr im März beziehen Organisationen wie die IG BCE bei den Internationalen Wochen gegen Rassismus Stellung gegen rechts.
Gelbe Hand heißt die gewerkschaftliche Initiative gegen Rassismus, Fremdenfeindlichkeit und Rechtsextremismus.