Beschäftigte aus den Branchen der IGBCE schauen optimistisch in die Zukunft
Unsere Forderungen für eine smarte Transformation der Industrie

Die deutsche Industrie muss bis 2045 klimaneutral werden. Wir müssen den Umbau bewältigen und gleichzeitig im internationalen Wettbewerb bestehen. Wenn er gelingt, bietet der weltweite Einsatz von Technologien und Prozessen, die wir hier entwickeln, neue Marktchancen für die deutsche und europäische Industrie.

Ziel muss es sein, Deutschland und Europa zum internationalen Vorreiter für die smarte Transformation zu machen. Dazu braucht es mutige politische Entscheidungen, aktive Industriepolitik und den Anschub gewaltiger Investitionen. Es geht darum, die Energieversorgung der Industrie sicherzustellen, neue Technologien zum Durchbruch zu bringen und industrielle Cluster zu erhalten und neu zu schaffen.

Die Industriestrategie muss eine europäische Strategie sein. Nur mit einem massiven Einsatz von Mitteln, mit den notwendigen Reformen im Wettbewerbs- und Beihilferecht und fairem Handel in der Welt können wir die Herausforderungen meistern.

Unsere Perspektive: Sicherheit im Wandel

Oberstes Ziel beim Umbau ist der Erhalt der industriellen Strukturen, Standorte und vor allem unserer hochwertigen Arbeitsplätze. Dazu sind massive öffentliche Investitionen in Infrastruktur, erneuerbare Energien und Bildung notwendig. Qualifizierte Fachkräfte und mehr Mitbestimmung sind unabdingbare Voraussetzungen dafür, dass der Umbau gelingt.

Deshalb fordert die IGBCE:

1. Transformationsfonds für Deutschland und Europa
Viele neue Technologien und Prozesse sind noch nicht ausreichend rentabel. Die notwendigen Investitionen in die Transformationen erfolgen deshalb nicht schnell genug. Um den Umbau bestehender und den Aufbau neuer Standorte zu finanzieren, brauchen wir einen europäischen Transformationsfonds. Auch in Deutschland müssen Investitionen über Bürgschaften, steuerliche Abschreibung und direkte finanzielle Unterstützung beschleunigt werden.

2. Europäischen Beihilfe-Rahmen für die Transformation öffnen
Das europäische Wettbewerbsrecht begrenzt die Möglichkeiten der Mitgliedsstaaten, den industriellen Umbau finanziell zu fördern. Um gegenüber anderen Weltregionen nicht zurückzufallen, muss das Wettbewerbs- und Beihilferecht geöffnet werden, damit Investitionen und laufende Kosten wirksam gefördert werden können.

3. Rohstoffversorgung unserer Industrie sichern
Industrielle Produktion benötigt in Zukunft riesige Mengen klimaneutral erzeugter Rohstoffe. Wasserstoff ist dabei ein zentraler Schlüssel. Um den Bedarf zu decken, müssen Kohlenstoff-Speicherung (CCS), CO2-Kreisläufe und chemisches Recycling konsequent genutzt werden. Grüne Chemie muss das Potential von Biomasse nutzen. Eine europäische Rohstoffstrategie muss Versorgung mit und Wiederverwertung von seltenen Erden und Gase sichern.

4. Emissionshandel durch CO2-Grenzausgleich ersetzen
Die europäische Industrie braucht in der Transformation faire Bedingungen im Wettbewerb mit anderen Weltregionen. Das gilt auch für die Bepreisung von Emissionen. Der Emissionshandel (ETS) sollte schrittweise durch ein CO2-Grenzausgleichssystem (CBAM) ersetzt werden. Dabei müssen Anreize geschaffen werden, klimafreundliche europäische Vorprodukte und Komponenten zu verarbeiten.

5. Verlässliche Energieversorgung für die Industrie
Vor allem Chemie und energieintensive Industrie brauchen in Zukunft gewaltige Mengen an Strom und Wasserstoff. Der europäische Strommarkt muss sicherstellen, dass Energie verlässlich und bezahlbar zur Verfügung steht. Wir brauchen einen europäischen Industriestrompreis, stabile Netze und einen Anreiz zum Bau neuer H²-ready Erdgaskraftwerke, die mittelfristig auf Wasserstoff umgestellt werden können.

6. Handelspolitik an die neue Weltlage anpassen
Die europäische Industrie braucht verlässlichen internationalen Handel. Gleichzeitig hat uns die Zeitenwende vor Augen geführt, dass wir gefährliche Abhängigkeiten schnell und deutlich reduzieren müssen. Ziel muss es sein, neue Partnerschaften – vor allem mit befreundeten Demokratien – aufbauen. Neue Handelsabkommen müssen faire Arbeitsregeln umfassen und Klimadumping verhindern. Ein neues Freihandelsabkommen mit den USA und die Initiative für einen Klimaclub sind der richtige Weg.

7. Standorterhalt zur Bedingung von staatlicher Unterstützung machen
Der Erhalt unserer Industriestandorte gelingt nur mit aktivem staatlichen Handeln. Direkte staatliche Unterstützung muss an den Erhalt von Standorten und Arbeitsplätzen geknüpft werden. Diese Bedingung sollte durch Standort- und Transformationsvereinbarung zwischen den Sozialpartner*innen nachgewiesen werden. Fördermittel müssen zurückgefordert werden, wenn die Bedingungen nicht eingehalten werden.

8. Fachkräfteangebot sichern und Mitbestimmung ausweiten
Die Transformation gelingt nur mit qualifizierten und motivierten Beschäftigten, die den Umbau der Industrie aktiv mitgestalten. Um den Fachkräftebedarf zu sichern, muss die duale Ausbildung gestärkt und die Weiterbildung ausgebaut werden. Beschäftigte müssen möglichst lange gesund arbeiten können, Ungelernten muss den Zugang zu anspruchsvolleren Jobs ermöglicht und die Zuwanderung muss gezielt gefördert werden. Unternehmen müssen moderner, offener und weiblicher werden. Die betriebliche Mitbestimmung muss gestärkt und ausgeweitet werden, Transformationsräte und das digitale Zugangsrecht sind dabei zentrale Elemente.

9. Planungs- und Genehmigungsverfahren auch für die Industrie beschleunigen
Die schnelle „Deutschlandgeschwindigkeit“ bei der Errichtung der LNG-Terminals in der Energiekrise muss der neue Standard bei Planungs- und Genehmigungsverfahren werden. Das gilt nicht nur für die Infrastruktur, sondern auch für neue Industrieanlagen. Dazu müssen die Personalausstattung in den Behörden verbessert, Verfahren vereinheitlicht und Prozesse digitalisiert werden. Die Genehmigung von Transformationsvorhaben sollte spezialisierten zentralen Instanzen übertragen werden, Beteiligungsverfahren müssen zeitlich gestrafft werden.

10. Industrielle Verbünde und Cluster stärken
Vor allem in der chemischen Industrie sichern Cluster und Verbundstrukturen die effiziente Nutzung von Rohstoffen. Der Ausbau von europäischen Strom-, Wasserstoff- und CO2-Netzen muss so gestaltet werden, dass bestehende Cluster effizient versorgt und neue Cluster aufgebaut werden. Die Transformation der Industrie benötigt ein nachhaltiges Netzwerk, das Häfen und Pipelinesysteme einbezieht. Neuansiedlung an strategisch geeigneten Standorten müssen regulatorisch und finanziell gefördert werden.

11. Artenvielfalt schützen und Biodiversität nutzen
Neben dem Klimaschutz ist der Erhalt der Artenvielfalt eine zentrale Herausforderung. Biodiversität sichert auch die Entdeckung und Nutzung neuer Inhalts- und Wirkstoffe, unter anderem in der pharmazeutischen Industrie. Europäische und nationale Biodiversitäts-Strategien müssen den Einsatz von Düngemittelüberschüssen, Pestiziden und gefährlichen Chemikalien zügig reduzieren. Die Unternehmen in unseren Branchen müssen ihre Produkte überprüfen, die Umsetzung dieser Strategien muss gewerkschaftlich aktiv begleitet werden.

12. Industriepolitischen Instrumentenkasten kreativ erweitern
Zur Sicherung unserer Industriestandorte müssen wir Energiekosten begrenzen und neue ordnungspolitische Instrumente einsetzen. Differenzkontrakte (CfDs) und Klimaschutzverträge sind notwendig, um grüne Leitmärkten aufzubauen. Nach dem Auslaufen der Energiepreisbremsen muss ein technologieoffener und wettbewerbsfähiger Industriestrompreis in Kraft treten. Bei allen öffentlich geförderten Maßnahmen und Ausschreibungen sollen europäische Mindestproduktionsanteile entlang der gesamten Produktions- und Wertschöpfungsketten vorgeschrieben werden.

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Unsere Forderungen im Einzelnen
Chemische Industrie
Foto: © IGBCE
Chemiestandorte für die Zukunft sichern
Energieintensive Industrie
Foto: © IGBCE
Energieintensive Industrie umbauen!
Autozulieferer
Foto: © IGBCE
Transformation der Automobil-Zulieferung gestalten
Pharma
Foto: © IGBCE
Pharma-Standort Deutschland zum Transformationsmotor machen!
Wasserstoff
Foto: © IGBCE
Wasserstoff-Wirtschaft zum Durchbruch bringen!
Halbleiter
Foto: © IGBCE
Halbleiter-Standort Deutschland stärken!
Ohne Ausbildung keine Zukunft

Ausbildungen bieten jedes Jahr Tausenden von jungen Menschen einen Weg in Gute Arbeit. Aber nicht nur junge Menschen sind auf Ausbildungen angewiesen. Dieses Thema geht jede*n in unseren Branchen etwas an – egal in welchem Alter und in welcher Position: Denn auch die Betriebe brauchen dringend mehr qualifizierte Fachkräfte.

IGBCE-Zeitung April 2023
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