10 Jahre Europäischer Sektoraler Sozialdialog Chemie

Hände weg von der Tarifautonomie!

Einen „eklatanten Angriff auf Arbeitnehmerrechte und die durch EU-Recht garantierte Tarifautonomie“ warf Michael Vassiliadis, Präsident der Föderation Europäischer Industriegewerkschaften und Vorsitzender der IG BCE, der finnischen Regierung vor. „Wir erwarten, dass Finnlands Regierung zum Geist und zu den Gepflogenheiten eines sozialpartnerschaftlichen Miteinanders zurückkehren“, sagte Vassiliadis. Die sozial- und wirtschaftspolitische Lage Finnlands war ein Thema auf der diesjährigen Konferenz des Europäischen Sektoralen Sozialdialogs Chemie in Helsinki.

Konferenz des Europäischen Sektoralen Sozialdialogs Chemie in Helsinki.

Konferenz des Europäischen Sektoralen Sozialdialogs Chemie in Helsinki.

Foto: © IG BCE

Im Dezember 2002 hatten die Sozialpartner der Europäischen Chemieindustrie einen freiwilligen Dialog auf europäischer Ebene begonnen. Zwei Jahre später erkannte die Europäische Kommission formell den Europäischen Sozialpartnerdialog für den Chemiesektor als repräsentativ an. Neben industriAll Europe ist der Zusammenschluss der nationalen Chemiearbeitgeberverbände in Europa (ECEG) am Sozialdialog beteiligt.

Vassiliadis sagte, dass die finnische Regierung viele Möglichkeiten habe, die wirtschaftliche Lage des Landes zu verbessern. „Ein Eingriff in die Tarifautonomie ist dafür kein geeignetes und schon gar kein vertretbares Instrument“, bekräftigte er.

„Wir werden unsere finnischen Mitgliedsorganisationen darin unterstützen, eigenständig tarifliche Lösungen zur Bewältigung der Krise und der Arbeitslosigkeit zu entwickeln“, sagte Vassiliadis, „unsere finnischen Kolleginnen und Kollegen können sich unserer Solidarität sicher sein.“

Vassiliadis erinnerte daran, dass man gemeinsam – Gewerkschaften wie Arbeitgeberverbände – zu Beginn der Weltwirtschaftskrise 2009 ein Papier verabschiedet hatte, in dem sich die Sozialpartner der chemischen Industrie dazu bekannten, flexible tarifliche bzw. gesetzliche Möglichkeiten zu nutzen, um möglichst viele Arbeitsplätze zu erhalten.

Harte Auseinandersetzungen in Finnland

In Finnland – dem Gastgeberland, in dem vor 10 Jahren die erste Sozialdialog-Konferenz stattfand – herrschen derzeit ausgesprochen harte Auseinandersetzungen. Am 18. September dieses Jahres waren rund 300.000 Finnen auf die Straße gegangen, um gegen geplante Einschnitte der Regierung zu demonstrieren. Die schwierige wirtschaftliche Lage und die hohe Arbeitslosigkeit haben die finnische Regierung bewogen, unter anderem eine dreißigprozentige Kürzung des Urlaubsgeldes sowie eine gesetzliche Deckelung der Tariferhöhung in verschiedenen Branchen vorzuschlagen. Diese Vorschläge greifen alle in die rund 300 in Finnland verhandelten Tarifverträge ein.

Finnland verfügt über den weltweit höchsten gewerkschaftlichen Organisationsgrad von 74 Prozent und hat eine tarifvertragliche Abdeckung von 91 Prozent.

Mit der Roadmap bis zum Jahr 2020 formulierte die Kommission der europäischen Sozialpartner die gemeinsamen Projekte in der chemischen Industrie. Die Aufgabenschwerpunkte für die kommenden Jahre umfassen neben der Wettbewerbsfähigkeit die Forschung und Entwicklung, Change-Management, Arbeitssicherheit, Responsible Care sowie Beschäftigung im Zeichen des demografischen Wandels.