Aktionstag Transformation

Nicht ohne uns

Auf der Kundgebung in Hannover fordern Tausende am anstehenden Wandel in den Unternehmen beteiligt zu werden

HANNOVER | Rund 1000 Menschen sind den Aufrufen vom IG BCE Bezirk Hannover und IG Metall zum „Aktionstag Transformation“ in die Innenstadt von Hannover gefolgt. Viele halten Schilder mit ihren Forderungen in die Höhe: „Keine Transformation ohne uns“ steht dort und „Mit guter Industriearbeit. Mit uns!“ Unter dem Motto „Wandel fair gestalten“ setzen sie sich für eine sozial gerechte sowie ökologisch und ökonomisch ausgewogene Transformation der Industrie in Deutschland und Europa ein. „Wir wollen ein Zeichen an die neue Regierung senden“, bringt es Melanie Gösling von Mylan auf den Punkt. „Von dem Ziel der Klimaneutralität sind unsere IG-BCE-Branchen besonders betroffen.“, so die Gewerkschafterin, die sich im Bezirksfrauenausschuss engagiert. „Wir fordern, dass der Umbau sozialverträglich geschieht.“

Aktionstag
Foto: © Christian Burkert

Seite an Seite stehen Jugendliche mit IG-BCE-Fahnen neben Kollegen in Westen mit der Aufschrift „Rentenbeschaffer“ und den Betriebsräten und Vertrauensleuten von Conti bis Forbo, von Linde bis Honeywell. Eine von ihnen ist Zarife Karaptas, die direkt aus der Frühschicht bei ContiTech zur Kundgebung gefahren ist. „Wir wissen nicht, was passieren wird“, sagt die Vertrauensfrau „Wir möchten unsere Arbeitsplätze erhalten. Das schaffen wir nicht alleine, dafür müssen wir zusammenhalten.“

„Es muss bessere Perspektiven für Arbeit und Umwelt geben“, ruft Francesco Grioli, Mitglied im IG-BCE-Hauptvorstand, von der Rednerbühne. „Wir wollen, dass Arbeit hierbleibt, dass Arbeit besser wird und dass neue Arbeit entsteht.“ Er appelliert an die Arbeitgeber, den Umbau in eine moderne Industrie in Deutschland und Europa zu forcieren, und nicht Standorte und Arbeitsplätze zu verlagert. Grioli fordert eine Industriepolitik, die nachhaltige Produktion in Deutschland und Europa ermöglicht. „Wir brauchen eine kluge Regulierung, die die Erneuerung von Standorten für eine klimaneutrale Produktion in einem dicht besiedelten Land wie Deutschland fördert, statt Spielräume immer enger zu machen.“ Die Unternehmen alleine könnten den nötigen Umbau alleine nicht stemmen, konstatiert IG-Metall-Vorstand Hans-Jürgen Urban. Er fordert von den Ampelkoalitionären in Berlin massive Investitionen in Infrastruktur und soziale Sicherungssysteme. Allein bis 2030 seien Zukunftsinvestitionen in Höhe von rund 500 Milliarden Euro nötig. „Die Mittel müssen aufgebracht und gerecht finanziert werden. Das geht nur mit einer Steuerreform, die die unteren Einkommen entlastet und von Spitzenverdiener und Besitzer großer Vermögen einen gerechten Beitrag einfordert.“

Michael Linnartz, Bezirksleiter Hannover, möchte mit dem heutigen Aktionstag vermitteln, dass die Industrie vor einem digitalen und ökologischen Umbau steht, damit die Klimaziele erreicht werden können. Um die Menschen auf diesem Weg mitzunehmen, müssten sozialer Friede und gute Arbeit gewahrt bleiben, so Linnartz. Arbeitsplätze dürften nicht verlorengehen. „Denn ohne innovative Produktionsformen ist der Kampf gegen den Klimawandel nicht zu gewinnen.“ Nur wenn die Menschen keine Angst vor dem Verlust ihres Arbeitsplatzes haben müssen, werden sie klimapolitische Maßnahmen voll unterstützen.

Für Ralf Becker, Leiter des IG BCE Landesbezirks Nord ist es deshalb wichtig, den Menschen klarzumachen, was auf sie zukommt, und diesen Prozess in den Unternehmen begleiten. Sie dürfen nicht einfach ihre Arbeitsplätze verlieren – und damit die Verlierer in diesem Prozess werden. „Durch Weiterbildung und Qualifizierung müssen Möglichkeiten geschaffen werden, dass sie in den Unternehmen bleiben“, fordert Ralf Becker. Auch für die anwesenden Vertreter*innen der IG-BCE-Jugend sind eine qualitativ gute Aus- und Weiterbildung ein wichtiges Anliegen, unterstreicht Cedric Schuster, Mitglied im Bundesjugendausschuss, der heute aus Hamburg angereist ist. Er fordert, dass die Jugend den industriellen Wandel mitgestalten müsse. „Wir fordern eine klimafreundliche Produktion und Mobilität, - ohne den sozialen Aspekt aus den Augen zu verlieren“, so Schuster.

„Die junge Generation sind die Hauptbetroffenen dieser Situation“, sagt Rafael Freud, Betriebsratsvorsitzender bei Forbo Siegling. „Für ihre Zukunft müssen wir kämpfen.“ Der Familienvater hat heute seine drei Kindern mitgebracht. „Sie sollen früh lernen, dass man für Demokratie, Freiheit und Arbeitnehmerrechte aufstehen muss.“