IGBCE-Tagung

Neue industriepolitische Herausforderungen durch Ukraine-Krieg

Industriepolitische Konferenz der IGBCE: Russischer Angriffskrieg in der Ukraine läutet Zeitenwende ein und vergrößert industriepolitische Herausforderungen 

Industriepolitische Konferenz der IGBCE
Foto: © Kai-Uwe Knoth

Zur zweitägigen Industriepolitischen Konferenz der Multibranchengewerkschaft IGBCE sind gestern und heute rund 120 Teilnehmende in Hannover zusammengekommen. Überschattet wurde die Tagung von dem russischen Angriffskrieg in der Ukraine und seinen volkswirtschaftlichen Folgen. Im Mittelpunkt standen daher die industriepolitischen Herausforderungen durch diese Zeitenwende. Denn der Krieg macht es erforderlich, dass sich Deutschland wirtschafts- und industriepolitisch neu aufstellt.

Der IGBCE-Vorsitzende Michael Vassiliadis betonte: „Mit dieser Zeitenwende dürfen wir nicht unsere Zukunftsperspektive aufgeben. Die Bedrohung durch die russische Armee löst den Kampf gegen die Erderwärmung nicht ab, sondern findet zeitgleich statt. Vor dem Hintergrund der ökonomischen Verwerfungen infolge der sich verschärfenden geopolitischen Lage und der Notwendigkeit einer raschen Defossilisierung der Volkswirtschaft ist die Bundesregierung in der doppelten Verantwortung, konkrete Maßnahmen zur Energieversorgungssicherheit und zur Bezahlbarkeit der Energie sowie zur Beschleunigung der Transformation zu ergreifen.“

Ralf Sikorski, der stellvertretende IGBCE-Vorsitzende, ergänzte: „Wir sehen die Bundesregierung in der Pflicht, umgehend dafür zu sorgen, dass der erwartbare Anstieg der Energiepreise abgefedert wird. Die Energiekosten müssen auch für Unternehmen, insbesondere der energieintensiven Industrien, bewältigbar bleiben. Mit den beiden Paketen, die das Ampel-Bündnis geschnürt hat, wird ein wichtiger Teil der Mehrbelastungen abgedeckt. Aber die Situation spitzt sich weiter zu: Wir brauchen deshalb schnell einen besseren, umfangreicheren Schutzschirm, sowohl für die Industrie als auch für die Bürgerinnen und Bürger.“

Sebastian Dullien, wissenschaftlicher Direktor des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) sagte: „Die sicherheitspolitische Zeitenwende stellt die Industriepolitik vor neue Herausforderungen. Nicht nur muss Deutschland schnell von russischen Energielieferungen unabhängig gemacht werden, auch muss die Frage geklärt werden, wie die Wettbewerbsfähigkeit der energieintensiven Industrien in Deutschland und Europa erhalten werden kann. Ein Abwandern dieser Industrien ins nicht-europäische Ausland wäre klimapolitisch schädlich, weil so nur Emissionen verlagert würden, es würde sicherheitspolitisch unsere strategische Autonomie untergraben, wenn wir bei Stahl und Chemie etwa von China abhängig wären, und es würde wegen der speziellen Stellung in den Wachstums- und Innovationsclustern den künftigen Wohlstand in Deutschland und der EU gefährden. Um der Industrie eine Dekarbonisierung im Inland zu ermöglichen, muss die bisherige industriepolitische Strategie überdacht werden.“

Carsten Rolle, Abteilungsleiter Energie- und Klimapolitik beim Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI), unterstrich: "Der furchtbare Krieg in der Ukraine stellt nicht nur geopolitisch, sondern auch industriepolitisch eine Zäsur dar. Denn es geht nicht nur um die Versorgungssicherheit in den kommenden Monaten, sondern auch darum, wie die Industrie beschleunigte Transformationsanstrengungen in den nächsten Jahren bei dauerhaft höheren Gaspreisen stemmen kann."

Jörg Rothermel, Abteilungsleiter Energie, Klimaschutz und Rohstoffe beim Verband der Chemischen Industrie (VCI), hob hervor: „Die Chemieindustrie kann und will bis Mitte des Jahrhunderts treibhausgasneutral werden. Den Weg haben wir bereits 2019 in unserer Studie „Roadmap 2050“ aufgezeigt. Nötig sind vor allem riesige Mengen Grünstrom zu günstigen Preisen. Durch den Ukraine-Krieg werden die Herausforderungen jetzt aber noch größer: Die Energiepreise steigen und die Verfügbarkeit von Gas als Brückentechnologie für die Transformation ist gefährdet.“

Eindrücke von der Konferenz