Continental

Lautstark gegen den Kahlschlag

Während der Aufsichtsrat der Continental AG am Dienstag in Hannover über Werksschließungen und Stellenabbau diskutiert, demonstrieren vor dem Hotel gut 2000 Menschen. Entschlossen wehren sie sich gegen Stellenabbau und das einseitige Aufkündigen der Sozialpartnerschaft.

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Demonstration der IG BCE- und IG Metall-Mitglieder in Hannover am 29.09.2020

Foto: © Christian Burkert

Heulende Werkssirenen, donnernde Paukenschläge, Rasseln und Tröten: Die Wut der Conti-Beschäftigten ist ohrenbetäubend. Einige fragen noch auf ihren Schildern und Transparenten nach dem „Warum?“, doch entschlossen und in Kampfstimmung zeigen sich hier alle: Unter dem Motto „Conti – jetzt gibt es Contra“, demonstrierten gut 2000 Menschen gegen den Kahlschlag bei der Continental AG, wie sie den geplanten Stellenabbau nennen. Von allen Standorten im gesamten Bundesgebiet sind sie in Bussen angereist. Allein aus Aachen kommen rund 1000 Menschen, zu erkennen an ihren schwarzen T-Shirts mit dem Schriftzug „Oche ist Conti“ – Aachen ist Conti. Viele sind aus der Nachtschicht direkt in die Busse nach Hannover gestiegen.

Neben der Bühne prangt die Karte des Kahlschlags: Conti hatte Mitte September überraschend ein verschärftes Sparprogramm angekündigt, das allein in Deutschland den Abbau von 13.000 Arbeitsplätzen vorsieht. Geplant ist die Schließung des Aachener Reifenwerks mit rund 1800 Mitarbeitenden. Laut Karte sind von dem massiven Stellenabbau auch die norddeutschen Standorte Hannover, Hannover-Stöcken, Hannoversch Münden und Oedelsheim betroffen.

Was die Menschen hier kritisieren, ist das rücksichtslose Vorgehen des Vorstandes. Ohne die Politik vorab zu informieren und ohne Einbindung der Mitbestimmung wurde die Entscheidung durch den Vorstand vorbereitet, so Ralf Becker, Leiter des IG BCE Landesbezirks Nord. Er werfe „alles über den Haufen, was in Jahrzehnten an sozialer Partnerschaft aufgebaut wurde. Damit schädigt er nicht nur die Beschäftigten von Continental, sondern die gesellschaftlichen Werte insgesamt.“

„Das ist ein Schlag ins Gesicht“, bestätigt Carsten di Palma, Schwerbehindertenvertreter in der Continental Rubber Hannover. „Wir haben kurz zuvor im Wirtschaftsausschuss getagt und es kam nicht die kleinste Andeutung, dass bei uns gestrichen wird.“ Stellvertretend für seine Betriebsratskolleginnen und -kollegen an den Conti-Standorten spricht Michael Rose, Betriebsratsvorsitzender von ContiTech in Northeim, von einem enormen Vertrauensverlust. Bei Conti wurde stets eine gute Sozialpartnerschaft gepflegt. „Die Beschäftigten haben sich immer hinter den Konzern gestellt und seine Werte vertreten“, so Michael Rose. Jetzt habe man realisiert, dass es nur Floskeln waren, um Kunden zu beeindrucken, nicht um Mitarbeiter zu binden. „Wir haben gesehen: Wenn der Vorstand den Daumen senkt, wird der Standort zugemacht, unabhängig von den Menschen.“

Die SPD-Bundestagsabgeordnete Yasmin Fahimi plädierte auf dem Podium für „eine starke Mitbestimmung, die nicht so eben im Alleingang ausgehebelt wird.“ Sie erwartet, dass auch Conti sich auf Augenhöhe mit den gewerkschaftlichen Interessensvertretern auseinandersetzt. Wenn das nicht passiere, „dann müssen wir darüber nachdenken, solche Arten von Unternehmensverlagerungen in Zukunft zu erschweren und die Mitbestimmung zu stärken, um dieses Vertrauensverhältnis zwischen Unternehmen auf der einen und Politik und Gewerkschaften auf der anderen Seite wiederherzustellen.“

IG-BCE-Chef Michael Vassiliadis bescheinigt dem Conti-Vorstand, der im kaum zweihundert Meter entfernten Radisson Blu dem Aufsichtsrat seine Pläne präsentiert „erschreckenden Dilettantismus, harten Kapitalismus und maximales Führungsversagen“. Es liege nun in der Hand der Eigentümer, „diesen personalpolitischen Amoklauf zu beenden und den Weg für intelligente Alternativen freizumachen.“ Er fordert sie auf, das Restrukturierungspaket von der Tagesordnung zu nehmen und das Angebot der Gewerkschaften zu Verhandlungen anzunehmen.

„Zeit für Perspektiven“ heißt die Petition, die in den vergangenen zwei Wochen 28.620 Menschen unterschrieben haben. Eine Delegation aus Gewerkschaftlern und Betriebsräten zieht durch ein Spalier zwischen den Demonstrierenden zum Hotel, wo sie die Petition dem Conti-Management überreicht. In der Hoffnung, dass der Aufsichtsrat am morgigen Mittwoch für eine Zukunft der Conti-Kolleginnen und Kollegen stimmen wird.