Betriebsbedingt, personenbedingt, verhaltensbedingt: Die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Kündigung sind streng geregelt – auch, um Willkür seitens des Arbeitgebers vorzubeugen. Ein Überblick.
Was hat der Brexit mit dem deutschen Kündigungsschutz zu tun? Nichts? Falsch. „Angesichts des bevorstehenden Austritts Großbritanniens aus der EU wollen wir den Standort Deutschland für Finanzinstitute attraktiver machen“, kündigten Union und SPD in ihrem Koalitionsvertrag 2018 an. Im März dieses Jahres wurde der Vorsatz umgesetzt und der Kündigungsschutz für hoch bezahlte Banker gelockert. Der DGB protestierte bereits vorab: Wieder einmal werde das deutsche Kündigungsschutzsystem eingeschränkt.
Es ist tatsächlich nicht das erste Mal, dass an den gesetzlichen Hürden, die Arbeitnehmer vor Entlassung schützen, gerüttelt wird. Der Vorwurf, dass die Regeln Wachstum und Beschäftigung bremsen, ist so alt wie die Regeln selbst. Im August 1969 beschloss die Regierung von Konrad Adenauer das Kündigungsschutzgesetz. In jener Zeit herrschte Vollbeschäftigung; die Arbeitslosenquote betrug ein Prozent. Als sich der Konjunkturhimmel verdüsterte, meldeten sich die ersten Skeptiker aus der Wirtschaft zu Wort.
Doch bis heute gilt: Jede Beschäftigte, die länger als sechs Monate in einem Unternehmen beschäftigt ist, darf nicht einfach morgen entlassen werden. Auf Verlangen muss der Arbeitgeber schon Gründe nennen, warum er sich von jemanden trennen will. Und die sind nicht beliebig. Eine von drei Möglichkeiten, die das Gesetz zulässt, ist die betriebsbedingte Kündigung. Sie bedeutet, dass ein Arbeitsplatz „aus dringenden betrieblichen Erfordernissen“, wie es im Arbeitsrecht heißt, wegfällt. Dabei wird von dem Grundsatz der freien Unternehmerentscheidung ausgegangen. Überprüft wird einzig, ob diese Entscheidung unsachlich, unvernünftig oder willkürlich ist (sog. Missbrauchskontrolle). Wichtig ist, dass aufgrund der außerbetrieblichen, sowie der innerbetrieblichen Gründe (wie Umorganisation) eine Weiterbeschäftigung ausgeschlossen ist.
Das Gesetz erlaubt außerdem sogenannte „personenbedingte Gründe“.
Die sind meistens krankheitsbedingt. Kann die Beschäftigte dauerhaft aufgrund einer Erkrankung nicht mehr die Arbeitsleistung erbringen, kann ihr gekündigt werden. Bei kurzzeitigen Krankmeldungen ist ein beliebtes Rechenbeispiel der Arbeitgeber: Eine Beschäftigte meldet sich über drei Jahre hinweg mehr als sechs Wochen im Jahr krank. Trotzdem kommt es immer auf den konkreten Einzelfall an. Wichtig: Der Arbeitgeber ist verpflichtet, vor der Entlassung einen anderen Arbeitsplatz anzubieten. Wenn dieses Angebot abgelehnt wird oder ein solcher Arbeitsplatz nicht existiert, kann eine Kündigung zulässig sein. Im Zweifel sollten Betroffene, unter Beachtung der Drei-Wochen-Frist, eine Kündigungsschutzklage erheben, rät Ursula Salzburger, Fachsekretärin bei der IG BCE.
„Verhaltensbedingte Kündigungen“, die dritte Möglichkeit, sind oft sehr umstritten. Erscheint ein Mitarbeiter häufig unpünktlich im Betrieb oder wird fehlerhaft gearbeitet, könnte dies als Pflichtverletzung gewertet werden. Solange es sich nicht um eine besonders schwere Verfehlung handelt, ist allerdings eine Entlassung ohne vorherige Abmahnung unzulässig. Nur wenn das Vertrauensverhältnis zwischen Vorgesetztem und Mitarbeiter nachhaltig erschüttert ist und es dem Arbeitgeber unzumutbar ist eine ordentliche Kündigungsfrist einzuhalten, kann es zu einer außerordentlichen und damit fristlosen Kündigung kommen. In jedem Fall muss der Betriebsrat zu einer beabsichtigten Kündigung angehört werden. Er hat eine Woche Zeit, Stellung zu nehmen. Im Fall einer fristlosen Kündigung nur drei Tage. Der Betriebsrat kann die Entlassung zwar nicht stoppen, denn er hat kein Vetorecht, aber er findet eventuell Gründe um der Kündigung zu widersprechen. Dies kann im Kündigungsschutzverfahren unterstützen.
Grundsätzlich muss die Kündigung schriftlich erfolgen, unter Einhaltung der vereinbarten Fristen. Die variierten enorm, bis sie 1993 vom Gesetzgeber im Bürgerlichen Gesetzbuch vereinheitlicht wurden. Seitdem gilt: Je länger der Arbeitnehmer im Unternehmen beschäftigt ist, desto längere Kündigungsfristen genießt er. Die Frist beträgt beispielsweise nach zwei Jahren Betriebszugehörigkeit einen Monat und nach 20 Jahren Betriebszugehörigkeit sieben Monate jeweils zum Ende eines Kalendermonats. Durch Arbeits- oder Tarifverträge können diese Mindestvorgaben verändert werden.
Eine kürzere Frist als vier Wochen, außerhalb der Probezeit, ist jedoch untersagt. Einige Branchen haben sich verständigt, die Kündigungsfristen an Betriebszugehörigkeit und Lebensalter zu knüpfen. In der chemischen Industrie gilt die maximale Kündigungsfrist von sechs Monaten für alle Beschäftigten, deren Lebensalter und Unternehmenstreue sich auf mindestens 75 Jahre summiert.
Übrigens gab es in der langen Geschichte des Kündigungsschutzes auch Niederlagen. Seit 2004 stehen Arbeitnehmer in Kleinbetrieben mit weniger als elf Vollzeitbeschäftigten nicht mehr unter dem Schutz des Gesetzes. Zuvor lag die Grenze bei fünf Beschäftigten. Auszubildende werden dabei nicht mitgezählt, während Teilzeitmitarbeiter mit einem Wert von 0,5 oder 0,75 in die Gesamtrechnung eingehen.
Vier Fragen an Ursula Salzburger, Fachsekretärin Abteilung Justiziariat bei der IG BCE:
Was muss ich beachten, wenn ich selbst kündigen will?
Auch bei einer Eigenkündigung muss eine Kündigungsfrist beachtet werden.
Was geschieht, wenn ich die Frist nicht einhalte?
Nur wenn im Arbeitsvertrag eine Schadensersatzzahlung vereinbart wurde, kann der Arbeitgeber auch einen Schadensersatz fordern. Den kann er aber in den allerwenigsten Fällen nachweisen.
Wie sieht es mit meinen Urlaubsansprüchen aus?
Wer in der zweiten Jahreshälfte ausscheidet, dem steht der gesamte Jahresurlaub zu. Auf eine Zwölftelung muss man sich nur einlassen, wenn dies im Arbeitsvertrag geregelt ist. Diese Regelung muss zwischen Mindesturlaub und Mehrurlaub unterscheiden.
Gibt es einen wichtigen Tipp für den Betriebswechsel?
Man sollte an die mögliche Übertragbarkeit einer betrieblichen Altersversorgung denken.