IG BCE und Continental einigen sich

Konzept für Aachener Reifenwerk: Spätere Schließung und Sicherheitsnetz für die Beschäftigten

Nach monatelangen, schwierigen Verhandlungen haben sich IG BCE, Betriebsrat und Continental auf ein sozialverträgliches Konzept für das Reifenwerk in Aachen verständigt. Es sieht die Streckung des Personalabbaus um zwei Jahre bis Ende 2023 ebenso vor wie umfangreiche Abfindungs-, Transfer- und Weiterbildungspakete sowie einen Zuschlag für IG-BCE-Mitglieder. Auf betriebsbedingte Kündigungen wird wo immer möglich verzichtet.

Conti-Demo in Aachen

Erfolgreich Druck gemacht: Conti-Demo in Aachen.

Foto: © Markus Feger

Ziel des Gesamtkonzepts mit dem Titel „Aachen neu denken“ ist die Vermittlung der von der Werksschließung betroffenen Mitarbeiter von Arbeit in Arbeit sowie die Entwicklung eines Nachnutzungskonzeptes für den Traditionsstandort im Zentrum der Stadt.

"Die Schließung dieses ebenso traditionsreichen wie profitablen Reifenwerks ist und bleibt für uns ein ökonomischer und sozialer Fehltritt des Unternehmens", sagt Francesco Grioli, Mitglied des geschäftsführenden Hauptvorstands der IG BCE und Continental-Aufsichtsratsmitglied. Das habe die Verhandlungen in den vergangenen Monaten stark belastet. "Am Ende haben wir ein Sicherheitsnetz für die Betroffenen geknüpft, das sich sehen lassen kann: Es sorgt dafür, dass Jüngere neue Perspektiven bekommen und Ältere mit Anstand ausscheiden können. Und der Zuschlag für IG-BCE-Mitglieder zeigt, dass es sich auch in der Krise lohnt, Gewerkschaftsmitglied zu sein."

"Wir gratulieren und danken den Kolleginnen und Kollegen", so Hasan Allak, Konzernbetriebsratsvorsitzender von Continental. "Beschäftigte, Betriebsräte und Gewerkschaft IG BCE haben eine vernünftige Lösung erreicht. Euer entschlossener und mutiger Einsatz zeigt: Kämpfen wirkt! Gemeinschaft wirkt! Anstand wirkt! Zugleich ist es kein gutes Zeichen, wenn Vernunft hart erkämpft werden muss.“

"Für die Kolleginnen und Kollegen endet mit dieser Vereinbarung eine nervenaufreibende Zeit der Ungewissheit“, sagt der Betriebsratsvorsitzende des Aachener Werks, Udo Bohnhof. "Mit der Streckung des Produktionsauslaufs gewinnen wir wertvolle Zeit für einen sozialverträglichen Personalabbau und für die Weiterentwicklung des Standorts.“
"Bei vielen Conti-Beschäftigten in Aachen herrschte zuletzt die blanke Angst, ihre Familien nicht mehr ernähren zu können", ergänzt Jörg Erkens, Verhandlungsführer der IG BCE. "Für uns war es oberstes Gebot, ihnen diese Furcht durch gute Sozialplan-Vereinbarungen zu nehmen. Das ist uns aus meiner Sicht gelungen."

Die Vereinbarungen im Einzelnen:

Produktion: Die Reifenproduktion am Standort läuft bis Ende 2022 aus, ein Jahr später als von Continental geplant. Die Beschäftigtenzahl wird bis 2022 auf bis zu 1200 reduziert, in 2023 bleiben bis zu 500 Arbeitsplätze am Standort erhalten. Bis zu 200 der verbleibenden Mitarbeiter*innen soll bei vollem Tarifentgelt in der Conti-eigenen Weiterbildungsgesellschaft CITT weiterqualifiziert werden.

Abfindungen: Der vereinbarte Sozialplan sieht umfangreiche Abfindungspakete für Beschäftigte vor. Die Abfindungen richten sich nach Kriterien wie Alter, Betriebszugehörigkeit oder Anzahl der Kinder und beinhalten diverse Zuschüsse – unter anderem für Fälle mit Qualifizierungsbedarf oder erschwerten Vermittlungschancen. Vereinbart wurden auch ein schließungsbedingter Härtefallausgleich sowie Zuschläge für Freiwillige. Die Gesamtabfindung im Sozialplan ist bei 200.000 Euro pro Mitarbeiter*in gedeckelt.

Sicherheitsnetz für Ältere: Für Beschäftigte mit mehr als 30 Jahren Betriebszugehörigkeit wurde ein Haustarifvertrag ausgehandelt, der zusätzliche Gehaltserhöhungen und verlängerte Kündigungsfristen vorsieht. Sie werden im Falle eines Ausscheidens verrechnet und kommen zur Abfindung aus dem Sozialplan noch hinzu. Rentennahen Mitarbeiter*innen, die maximal 36 Monate bis zur abschlagsfreien Rente haben, wird durch Aufstockungen und Abfindung eine Brücke in den Ruhestand gebaut.

Bonus für IG-BCE-Mitglieder: Eine zusätzliche Unterstützung von bis zu 1200 Euro für die persönliche Weiterentwicklung steht Beschäftigten zu, die Mitglied in der IG BCE sind. Hierfür wurde ein Fonds mit einem Gesamtvolumen von 1,6 Millionen Euro eingerichtet.

Transfergesellschaft: Von der Schließung Betroffene können für bis zu 12 Monate in eine Transfergesellschaft wechseln, wo sie – eine entsprechende Zustimmung der Arbeitsagentur vorausgesetzt – eine Aufstockung des Transfer-Kurzarbeitergeldes von bis zu 87 Prozent erhalten können.
Nachnutzung: Der Behälterbau wird in ein eigenständiges Unternehmen ausgegliedert und verbleibt in Aachen. Darüber hinaus führt Continental einen offenen Dialog mit allen Beteiligten über eine Nachnutzung des Standorts. Dazu zählen auch die Teilnehmerinnen und Teilnehmer des für diese Diskussion eingerichteten Runden Tisches der Stadt Aachen.
 

Hinweis für Redaktionen:
Francesco Grioli und Jörg Erkens (IG BCE) sowie Udo Bohnhof und Bruno Hickert (Conti-Betriebsrat) stehen für Fragen und Video-Statements in einer Videokonferenz heute um 12 Uhr zur Verfügung. Bitte wählen Sie sich unter folgendem Link ein:
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